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Parität des Bundeskabinetts: Olaf Scholz in der Vielfaltsfalle


Das Problem der Parität
Olaf Scholz steckt schon in der Vielfaltsfalle

MeinungVon Mario Thieme

Aktualisiert am 07.12.2021Lesedauer: 5 Min.
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Olaf Scholz umgeben von Männern: Sein Bundeskabinett hingegen ist paritätisch – angeblich.Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz umgeben von Männern: Sein Bundeskabinett hingegen ist paritätisch – angeblich. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)

Olaf Scholz behauptet gern, sein Kabinett sei paritätisch besetzt. Doch das stimmt nicht. Und auch sonst nimmt es der nächste Kanzler mit der Diversität offenbar nicht so genau.

Die Parität des Bundeskabinetts scheint das Gebot der Stunde, ja sogar der kommenden Regierungsjahre zu sein, so oft wie sie bei der Vorstellung der SPD-Minister am Montag erwähnt wurde. Also freunden Sie sich mit dem Begriff schon einmal an, die Regierenden werden sich mit ihm noch oft schmücken. Gemeint ist die gleiche Verteilung von Ministerposten an Männer und Frauen, oder anders gesagt: eine 50:50-Quote.

Die zu besetzenden Positionen hälftig mit männlichen beziehungsweise weiblichen Personen zu besetzen, ist Olaf Scholz wichtig. "Das entspricht der Gesellschaft, in der wir leben, in der Männer und jeweils Frauen die Hälfte der Bevölkerung ausmachen – und wo es dann auch dazu gehören muss, dass Frauen die Hälfte der Macht haben. Das ist das, was wir unbedingt anstreben", sagte er am Montag. Non-binäre Menschen, also jene ohne geschlechtliche Zuordnung, werden demzufolge nicht inkludiert. Kann das gerecht sein, besonders heutzutage?

2 mal 8,5 Menschen geht nicht auf

Doch, halt! Wenn das Bundeskabinett aus 17 Personen besteht, wie kann dann eine Gleichverteilung von Männern und Frauen gewährleistet werden? Schließlich ist nach Adam Riese die 17 eine ungerade Zahl, die nicht so teilbar ist, dass am Ende eine volle Zahl dabei herauskommen kann. Eine solche wäre aber nötig, da es keine halben, sondern nur ganze Menschen gibt.

Die mathematische Unlogik fiel auch einer Journalistin der Süddeutschen Zeitung auf. Auf ihre Frage, wo bei 8 Frauen und 9 Männern das Paritätische zu erkennen sei, rechnete sich der Bundeskanzler einfach raus. "Die Parität ist mir wichtig. Deshalb werden von 16 Ministerinnen und Ministern 8 Männer und 8 Frauen sein. Selbstverständlich wird es dann noch einen Bundeskanzler geben, der für alle zuständig ist", antwortete er. So schnell kann man also aus einer unparitätischen 17 eine paritätische 16 plus eine unparitätische 1 machen.

3 Männer und 0 Frauen bei der Pressekonferenz

Am Dienstag trat der 63-Jährige dann vollends ins Paritätsfettnäpfchen. Nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags der Ampelparteien traten Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner vor die Presse, um sich den Fragen zur Zukunft des Landes zu stellen. Schade nur, dass es 3 Parteien gibt – wieder eine ungerade Zahl, die nicht durch 2 teilbar ist. 1,5 Männer und 1,5 Frauen kann man leider nicht auf die Stühle setzen. Dann neben Scholz eben 2 oder wenigstens 1 Frau, selbst wenn das dem Paritätsgebot schon widerspräche? Nein, es kam "schlimmer". Drei weiße, heterosexuelle, westdeutsche Männer über 40 nahmen Platz. Der ultimative Vielfaltspatzer, kaum verzeihlich!

Die erste Frage aus dem Pressebereich zielte genau darauf ab. Einer Journalistin fiel auf, dass die Männerquote bei exakt 100 Prozent lag. Olaf Scholz traf keine Aussage darüber, warum nicht Annalena Baerbock neben ihm saß, sondern ihr Grünen-Kollege Robert Habeck. War sie verhindert, müde, krank, oder was war ihre Ausrede dafür, ihrem maskulinen Pendant einfach den antifeministischen Vortritt zu lassen? Vermutlich wusste Scholz den Umstand ihres Fernbleibens nicht einmal, wohl weil es auch vollkommen belanglos war. Schließlich kann Habeck die Grünen-Ziele mindestens genau so gut vortragen wie Baerbock.

Scholz kommt bei Vielfaltsfragen ins Straucheln

Tja, Olaf Scholz. Wer Parität so hochhält, muss mit solchen inhaltsfremden Fragen rechnen. Seine Antwort war ähnlich ausweichend und ungalant wie die auf der Pressekonferenz vom Vortrag: "Ich finde es sehr gut, dass wir ein paritätisches Kabinett haben", sagte er schlicht, ohne die männliche Zusammensetzung am Tisch anzusprechen, nach der doch aber gefragt wurde.

Wenn wir schon bei Diversität sind: Wo sind die Ostdeutschen geblieben? Nicht nur das Dreiergespann Scholz-Habeck-Lindner wies westdeutsche Dominanz aus. Auch bei der Vorstellung der SPD-Minister fiel die Ossi-Quote dürftig aus. Ob das angemessen sei, wollte die eifrige Medienvertreterin, die schon die Frauenfrage stellte, wissen. Daraufhin wurde Klara Geywitz hervorgehoben, die doch Ostdeutsche sei – und weiblich noch dazu. Wow, diese Vereinigung gleich zweier Vielfaltskriterien in einer Person beeindruckt!

"Es ist gut, dass wir eine große Vertretung all der unterschiedlichen Bereiche des Landes wiederfinden", sagte Olaf Scholz. Bei genauerem Hinsehen kann auch diese Aussage infrage gestellt werden. Vier von fünf ostdeutschen Bundesländern spiegeln sich in den Personalien nicht wider. Ebenso wenig ist beispielsweise Bayern vertreten, das kleine Hamburg umso mehr (durch Scholz und Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt). CSU-Politiker Markus Blume regt sich auf Twitter darüber auf, dass 16 Prozent der Deutschen Bayern seien, aber niemand in Scholz' 17-köpfigem Team.

Gender reicht schon lange nicht mehr

Unter dem Gesichtspunkt, dass Olaf Scholz mit der Genderthematik die Diversity-Büchse der Pandora geöffnet hat, ist Blumes Kritik ebenso berechtigt wie die jener böser Zungen, die behaupten, die künftigen Regierungsköpfe seien keineswegs divers.

Unweigerlich drängen sich Fragen auf: Wieso gibt es niemanden, der unter 40 ist? Wieso keinen 30-Jährigen oder gar 18-Jährigen, wenn doch das Wählen bald schon ab 16 möglich sein soll? Was ist mit Menschen, die über einen Migrationshintergrund verfügen? Außer Landwirtschaftsminister Cem Özdemir gibt es sonst keinen Minister mit ausländischen Wurzeln. Dabei verfügt doch hierzulande jeder Vierte über solche. Gibt es denn wenigstens einen offen lebenden Homosexuellen, der bald ein Ministerium leitet? Fehlanzeige! Darf das sein? Laut übertriebenem, aber leider gängigem Vielfaltsmaßstab wohl kaum!

Olaf Scholz macht es sich sehr einfach mit seiner Selbstbeweihräucherung aufgrund angeblicher Diversität seiner Mannschaft – pardon: Mann- und Frauschaft. Denn die Palette ist weitaus bunter. Gender reicht den Vielfaltsbesessenen schon lange nicht mehr. Und selbst eine Parität auf diesem Gebiet herzustellen, gelingt ihm nicht. Das Problem hat er sich selbst aufgehalst.

In die Diversitätsfalle getappt

So ist das eben mit der Diversität. Man kann nur in die Falle tappen. Geht man nur nach Geschlecht, reicht das nicht aus. Will man Parität, muss man die Mathematik schon mal außer Kraft setzen. Sind Migrationshintergrund oder sexuelle Orientierung nicht sichtbar, muss nachgefragt werden, um Quoten zu erfüllen. Solche Details zu erfragen, kann aber schnell als übergriffig wahrgenommen werden.

Auch das Geschlecht muss nicht sichtbar sein. Definiert man sich als non-binär, ist man eben nicht weiblich oder männlich zu verorten. Zum Glück sind Olaf Scholz die Geschlechtsidentitäten seiner 16 Leute bekannt. Will einer von ihnen in Zukunft das Geschlecht wechseln, gibt es jedoch ein Ungleichgewicht. Dann muss entweder jemand ausgetauscht oder ein neues Ministerium geschaffen und entsprechend des richtigen Geschlechts besetzt werden. Denn wenn schon Gender, dann aber richtig.

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Olaf Scholz, dem übrigens das korrekte Gendern trotz aller Bemühungen hörbar schwerfällt ("Ministern und Minister"), sollte dringend Wissen in Sachen Vielfalt nachholen. Gleichstellungsbeauftragte und Diversity Manager gibt es ja zuhauf, die können ihm sicher helfen. Denn das Geschlecht ist ein denkbar unzureichendes Kriterium.

Vielfalt neu definieren

Diversität ist zwar ein hehres Anliegen, doch die drei gängigen Hauptkriterien Gender, Hautfarbe und Sexualität haben den Nachteil, sehr oberflächlich zu sein und nicht per se einen Mehrwert zu liefern. Sie sollten am besten durch wirklich relevante Eigenschaften wie Bildungshintergrund, Sozialisation, Qualifikation, Berufswahl oder Meinung ersetzt werden – zumindest aber erweitert. Und selbst das ist schon schwer genug, weil nicht jeder angemessen repräsentiert werden kann bei einer sehr begrenzten Postenanzahl.

In seiner Abschiedsrede wies der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble auf ebendiese Krux der Repräsentation und Repräsentativität hin. Olaf Scholz hätte damals vielleicht genauer zuhören sollen. Mit seiner starren Fokussierung auf das Geschlecht tut er sich jedenfalls keinen Gefallen. Das wird er spätestens dann wieder merken, wenn er erneut mit mehr Männern als Frauen öffentlich auftritt und auf Nichteinhaltung der Parität angesprochen wird.

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