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Pflichtdienst | Kritik an Steinmeier-Vorstoß: "Eingriff in die individuelle Freiheit"


Pflichtdienst für Jugendliche
Kritik an Steinmeier-Vorstoß: "Eingriff in die individuelle Freiheit"

Von dpa, afp, lw

Aktualisiert am 13.06.2022Lesedauer: 3 Min.
Eine Pflegerin spielt mit einem Senior (Symbolbild): Steinmeier hat einen Pflichtdienst zur Debatte gestellt.Vergrößern des BildesEine Pflegerin spielt mit einem Senioren (Symbolbild): Steinmeier hat einen Pflichtdienst zur Debatte gestellt. (Quelle: Panthermedia/imago-images-bilder)
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Bundespräsident Steinmeier hat eine Debatte um einen möglichen Pflichtdienst entfacht. Er stößt dabei auf viel Kritik – auch in der Ampelregierung. Zweifel gibt es besonders an einer möglichen Umsetzung.

Der Vorstoß von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, über die Einführung eines sozialen Pflichtdiensts für junge Menschen in Deutschland zu diskutieren, spaltet die Gemüter.

Die Linke lehnt einen solchen Pflichtdienst ab. Fraktionschef Dietmar Bartsch befürwortete es zwar, bürgerschaftliches Engagement attraktiver zu machen. "Aber keine soziale Pflichtzeit", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Dafür solle es ein Recht auf einen Ausbildungsplatz geben.

Zweifel an der raschen Umsetzbarkeit einer sozialen Pflichtzeit gibt es bei den Kommunen. Es sei "eine erhebliche Zeitspanne erforderlich, um die organisatorischen, finanziellen und rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, den Funke-Zeitungen. Möglicherweise müsse eine solche Verpflichtung auch im Grundgesetz verankert werden.

Steinmeier: Muss kein Jahr sein

Als Zwischenschritt schlug Landsberg vor, die Anreize für den Bundesfreiwilligendienst, das soziale Jahr oder das ehrenamtliche Engagement etwa bei der Feuerwehr zu stärken. So sollte die Anerkennung einer solchen Tätigkeit zum Beispiel bei der Studienplatzvergabe oder bei einer Bewerbung für den öffentlichen Dienst deutlich verbessert werden.

Steinmeier hatte in der "Bild am Sonntag" angeregt, über die Einführung einer "Pflichtzeit" zu reden. Es müsse kein Jahr sein. "Da kann man auch einen anderen Zeitraum wählen." Diese Zeit könnte bei der Bundeswehr geleistet werden, aber genauso gut bei der Betreuung von Senioren, in Behinderteneinrichtungen oder in Obdachlosenunterkünften.

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Bislang gibt es speziell für junge Menschen das Freiwillige Soziale Jahr, das Freiwillige Ökologische Jahr und den Internationalen Jugendfreiwilligendienst. Diese Angebote stehen jungen Frauen und Männern unabhängig von Schulabschluss, Herkunft oder Einkommenslage bis zum Alter von 27 Jahren offen. Daneben gibt es den Bundesfreiwilligendienst als Angebot für Menschen jeden Alters.

"Aus freiwilligem Engagement würde Verpflichtung"

Bundesfamilienministerin Lisa Paus sprach sich gegen die Einführung eines Pflichtdienstes für alle Jugendlichen aus. "Ein sozialer Pflichtdienst würde einen Eingriff in die individuelle Freiheit eines jeden Jugendlichen bedeuten", sagte die Grünen-Politikerin am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Sie verwies auf die große Beliebtheit der Freiwilligendienste.

"Aus freiwilligem Engagement würde Verpflichtung. Wir sollten unsere jungen Menschen, die unter der Corona-Pandemie besonders gelitten und sich trotzdem solidarisch mit den Älteren gezeigt haben, weiterhin die Freiheit zur eigenen Entscheidung lassen."

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Für den einzelnen Jugendlichen bedeute ein Freiwilligendienst eine persönliche Bereicherung, für die Gesellschaft sei er eine wichtige Unterstützung – "auch, weil die jungen Menschen sich freiwillig engagieren und mit Herzblut bei der Sache sind", so Paus. Bereits jetzt, als freiwilliger Dienst, sei die Nachfrage größer als das Angebot. "Es steht den Jugendlichen aber frei, sich für oder gegen einen solchen Dienst zu entscheiden." Dabei sollte es aus Sicht von Paus auch bleiben.

Lang: "Riesenrucksack" an Belastungen und Zukunftsrisiken

Unterstützung bekommt Paus von Grünen-Chefin Ricarda Lang. Sie würde auf Anreize anstatt einer Pflicht setzen wollen, sagte Lang am Montag in Berlin. "Wir sollten doch ein soziales Jahr, ein Freiwilligenjahr, so attraktiv machen, dass es für jeden Sinn macht, das zu tun", sagte Lang.

Beispielsweise könne man den Einsatz stärker für die Rente anrechenbar machen oder die Bezahlung attraktiver. Eine junge Generation, die in der Corona-Pandemie viel zurückgesteckt habe und mit der Klimakrise einen "Riesenrucksack" an Belastungen und Risiken für die Zukunft mitbekommen habe, dürfe nicht den Eindruck bekommen, dass es um die Frage gehe: "Was müsst ihr eigentlich tun."

Lang sprach von einem "Weg der Ermöglichung" für junge Menschen mit einer Ausbildungsplatzgarantie, besseren Bafög-Förderbedingungen und guter Entschädigung für jene, die ein freiwilliges Jahr absolvierten. Auch SPD-Chefin Saskia Esken schloss sich der Meinung von Familienministerin Paus an und will Steinmeiers Vorschlag nicht unterstützen, sagte sie am Montag in Berlin.

Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger lehnt einen Pflichtdienst ebenfalls ab. "Eine Dienstpflicht wird es mit uns nicht geben", schrieb die FDP-Politikerin auf Twitter. Über zwei Jahre lang hätten sich junge Menschen für die Gesellschaft zurückgenommen, auf vieles verzichtet. "Ein staatlicher Eingriff in den Lebenslauf ist so ziemlich das Letzte, was sie jetzt brauchen."

"Lieber überlegen, wie man jungen Menschen helfen könnte"

Die Grüne Jugend kritisierte Steinmeiers Vorstoß ebenfalls. "Statt über einen Pflichtdienst zu diskutieren, sollte man lieber überlegen, wie man jungen Menschen helfen könnte", hieß es von der Jugendorganisation auf Twitter. Als Beispiele wurden eine Ausbildungsgarantie, eine "echte Bafög-Reform" und mehr Jugendzentren genannt.

Auch Fridays-For-Future-Aktivistin Luisa Neubauer zweifelt an dem Vorschlag. "Ich weiß nicht, ob man aktuell gut über einen Pflichtdienst streiten kann", twitterte sie am Sonntagabend. "Im Lichte von jugendpolitischem Versagen in der Pandemie und zukunftspolitischem Herumgetrampel in der Klimakrise ist es schlicht schwer zu glauben, dass man gerade kategorisch das Beste für die Jungen will", so Neubauer.

Die SPD-Politikerin Sawsan Chebli signalisierte hingegen Unterstützung für Steinmeier. "Ich bin sehr dafür!", schrieb sie auf Twitter.

Verwendete Quellen
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