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Bundeswehr: Studie warnt vor Vorsprung Russlands beim Militär


Putin rüstet auf
Experten: Deutschland hinkt 100 Jahre hinterher

Von reuters
Aktualisiert am 09.09.2024Lesedauer: 3 Min.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius bei einem Besuch im Fliegerhorst in Büchel (Archivbild).Vergrößern des BildesBundesverteidigungsminister Boris Pistorius bei einem Besuch im Fliegerhorst in Büchel (Archivbild). (Quelle: IMAGO/Christoph Hardt)

Eine Studie stellt der Bundeswehr ein verheerendes Zeugnis aus: Russland gewinne im Vergleich zur Bundeswehr immer weiter an Boden – trotz der "Zeitenwende" des Bundeskanzlers.

Zu wenig Geld, desolates Beschaffungswesen: Der Abstand der militärischen Fähigkeiten von Deutschland zu Russland vergrößert sich einer Studie zufolge trotz der von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufenen Zeitenwende.

Um die vor 20 Jahren erreichten Militärbestände wiederzuerlangen, bräuchte Deutschland beim aktuellen Beschaffungstempo bis zu knapp 100 Jahre, wie aus dem am Montag veröffentlichten Bericht des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) und der neuen Datenbank Kiel Military Procurement Tracker hervorgeht. Demnach wären die Bestände bei Kampfjets von 2004 in rund 15 Jahren, bei Kampfpanzern in etwa 40 Jahren und bei Artillerie-Haubitzen erst in fast 100 Jahren erreicht.

Russland hat massiven Vorsprung

Dem stünden massiv wachsende russische Rüstungskapazitäten gegenüber. Dadurch könne Russland die gesamte Menge der deutschen Waffenbestände in nur gut einem halben Jahr produzieren. Wegen der Unterstützung aus Nordkorea könne Russland derzeit dauerhaft rund 10.000 Schuss Munition (Granaten und Raketen) pro Tag verfeuern. "Deutschlands gesamte Jahresproduktion wäre bei dieser Rate nach 70 Tagen aufgebraucht", so das IfW.

Zudem mache Russland Fortschritte bei modernen Kampfsystemen. Die Kapazitäten bei unbemannten Drohnen etwa hätten sich mehr als versechsfacht. Seit dem Angriff auf die Ukraine habe Russland seine Produktionskapazitäten etwa bei der Langstrecken-Flugabwehr verdoppelt, bei Panzern sogar verdreifacht.

"Russland erwächst zu einer immer größeren Sicherheitsbedrohung für die Nato, gleichzeitig kommen wir mit der für die Abschreckung nötigen Aufrüstung nur sehr langsam voran", sagte IfW-Experte Guntram Wolff, Hauptautor der Studie. Was Europa jetzt brauche, sei eine dauerhafte, deutliche und sofortige Erhöhung der regulären deutschen Verteidigungsausgaben auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. "Man muss es so deutlich sagen: Ein Weiter-so-wie-bisher wäre mit Blick auf Russlands Aggression fahrlässig und verantwortungslos", betonte Wolff.

"Die Zeitenwende ist bislang nur eine Worthülse"

Der Studie zufolge schafft es die Bundesregierung derzeit gerade so, die an die Ukraine gelieferten Waffen zu ersetzen. Bei Luftverteidigungssystemen und mobilen Abschusseinheiten (Artillerie-Haubitzen) sinke der Bestand sogar deutlich. Erst 2023, gut ein Jahr nach dem Angriff Russlands, habe Berlin überhaupt erst in nennenswertem Umfang die Verteidigungsausgaben erhöht. Seitdem habe die Ampelregierung Bestellungen im Wert von rund 90 Milliarden Euro platziert.

Die Autoren kritisieren dies als viel zu ambitionslos. "Die Zeitenwende ist bislang nur eine Worthülse", sagte IfW-Präsident Moritz Schularick. "Frieden gibt es dann, wenn das Regime in Moskau versteht, dass es einen Angriffskrieg in Europa militärisch nicht gewinnen kann." Dafür bräuchten Deutschland und Europa glaubhafte militärische Fähigkeiten. Deutschland müsse dafür ein angemessenes Verteidigungsbudget von mindestens 100 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung haben.

In der Studie wird hervorgehoben, dass die Budgetplanung nicht genügend Anreize für die Militärindustrie biete, ihre Produktionskapazitäten auszuweiten. Grund: Es sei unklar, wie viel Geld Deutschland nach Auslaufen des Sondervermögens für Verteidigung ausgeben wolle. Die Folge seien lange Lieferzeiten und hohe Kosten. "Langfristige Planbarkeit und ein effizientes Beschaffungssystem sind essenziell für den Aufbau von industriellen Kapazitäten", sagte Experte Wolff. Beschaffung sei auch unnötig teuer, weil nur in kleinen Mengen geordert werde, was höhere Stückpreise bedeute als bei Großbestellungen. Die effizienteste Lösung wäre demnach eine europäische Einkaufsgemeinschaft.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur Reuters
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