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Russische Sabotage: So präsent ist der hybride Krieg in Deutschland


Hybrider Krieg
Putin nimmt Deutschland ins Visier


26.07.2025 - 18:13 UhrLesedauer: 4 Min.
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Wladimir Putin (Archivbild): Russland greift Deutschland immer wieder an – im Rahmen eines hybriden Kriegs. (Quelle: Sergei Savostyanov via www.imago-images.de/imago)
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Der hybride Krieg Russlands hat längst Deutschland erreicht. Täglich gibt es Angriffe auf verschiedenen Ebenen. Dabei haben Putins Geheimdienste vor allem ein Ziel.

Der Krieg in der Ukraine ist in Deutschland längst in den Alltag vorgedrungen. Dabei geht es nicht nur um die Debatte um Waffenlieferungen und die Aufnahme ukrainischer Geflüchteter. Vielmehr greift Russland täglich auch Deutschland an. Nicht mit konventionellen Waffen – aber mit Sabotage, Cyberattacken und Desinformation.

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So warnte Martina Rosenberg, Präsidentin des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur jüngst: "Wir reden über einen starken Anstieg der Fälle im Bereich der Spionage und hybrider Maßnahmen. Das Vorgehen ist massiver und auch aggressiver."

Die Fälle sind seit Ausbruch des Krieges deutlich angestiegen. Der tatsächliche Schaden war bisher allerdings vergleichsweise gering. Allerdings besteht genau darin die Taktik der russischen Geheimdienste, warnt der Geheimdienstexperte Christopher Nehring.

Hybrider Krieg: Große Versäumnisse

Jedoch besitzt Deutschland auch nicht die Möglichkeiten, sich adäquat gegen russische Angriffe zu verteidigen, warnt er bei t-online: "Auf einen hybriden Krieg mit Russland ist Deutschland schwach vorbereitet." Es sei versäumt worden, die hybriden Angriffsmethoden im Ganzen zu betrachten. In der Praxis verliert man sich im Klein-Klein, so der Experte.

(Quelle: Cyberintelligence Institute)

Zur Person

Dr. Christopher Nehring ist Intelligence Director am Cyberintelligence Institute in Frankfurt am Main, einer Forschungseinrichtung, die verschiedene Akteure der Branche zusammenbringen will. Er ist Experte für die Arbeit von Geheimdiensten und hat bereits mehrere Bücher zu dem Thema veröffentlicht. Zudem war er Dozent am Lehrstuhl für Militärgeschichte und Kulturen der Gewalt der Universität Potsdam sowie wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Spionagemuseums.

Laut der Deutschen Presse-Agentur hat sich die Zahl der Verdachtsfälle innerhalb eines Jahres verdoppelt. Für die MAD-Chefin Rosenberg ist das eine logische Konsequenz: "Es ist kein Geheimnis: Deutschland ist als logistische Drehscheibe für die Nato-Truppenbewegungen und als aktiver Nato-Partner fest im Blickfeld ausländischer Nachrichtendienste."

Bundeswehr im Visier: Zahl der Drohnenüberflüge stark gestiegen

Insbesondere die Zahl der Drohnensichtungen ist seit Kriegsbeginn in der Ukraine deutlich gestiegen. Gab es laut Sicherheitskreisen 2021 nur vereinzelte Fälle, waren es 2023 bereits auf 446. Oftmals wurden die Drohnen über Bundeswehrstandorten entdeckt, teilweise auch über Chemiefabriken.

Bisher ist Deutschland gegen die Überflüge machtlos. Experte Nehring erklärt: "Wir haben 15 Jahre lang keine Drohnenabwehr aufgebaut. Da kann man den Schalter nicht in wenigen Wochen umlegen. Das gilt für viele Bereiche."

Doch worum geht es bei den Drohnenflügen? "Bislang gibt es nur Überflüge von Spionagedrohnen, die aufklären und Bilder machen sollen. Es zeigt aber auch, dass man schnell mit einer Kampfdrohne angreifen könnte." Das ist in näherer Zukunft allerdings wohl nicht zu erwarten. Schließlich braucht Russland den Großteil der Drohnen in der Ukraine.

Laut Nehring haben die Vorfälle auch einen psychologischen Aspekt. "Die Vielzahl an Vorfällen baut eine Wirkung auf. Es passiert anscheinend überall an verschiedenen Stellen, ohne dass es verhindert werden kann. Das demonstriert die Verwundbarkeit Deutschlands."

Die Verwundbarkeit wird dabei teilweise auch mit Sabotageaktionen verstärkt. Mehrfach waren in den vergangenen Monaten Schiffe der Marine Ziel Russlands: Mal waren es durchtrennte Kabelbäume, mal Metallspäne in einem Antrieb, dann Öl im Trinkwassersystem. In Erfurt wurden mehrere Bundeswehr-Lkw angezündet. Hinzu kommen durchtrennte Kabel in der Ostsee, die zwar nicht auf deutschem Boden liegen, aber dennoch wichtig für die hiesige Infrastruktur sind.

Brandpaket in Leipzig: Taktik aus der Ukraine kommt in den Westen

Besonders viel Aufmerksamkeit erregte im vergangenen Jahr ein Brandpaket, das nur durch Zufall am Leipziger Flughafen in Flammen aufging – und nicht in der Luft. In der Folge wurden mehrere verdächtige Pakete festgestellt – allerdings nicht immer mit gefährlicher Fracht. Teilweise wurden sie offenbar auch nur verschickt, um die Transportwege auszutesten. Nehring glaubt, dass dies auch in Zukunft weiter passieren wird. "Diese Anschläge sind sehr wahllos und daher schwer zu verhindern", so der Experte.

Die Taktik kommt dabei aus dem Ukraine-Krieg. Seit Kriegsbeginn verschickt Russland dort Bomben an verschiedene Ziele, um Chaos zu stiften und die Bevölkerung zu verunsichern.

Die Sender sind meist keine ausgebildeten Geheimdienstler, sondern sogenannte Wegwerf-Agenten – Menschen, die oftmals in den sozialen Medien angeworben werden, um gegen Bezahlung einen Auftrag auszuführen. Teilweise wissen sie nicht einmal, was sie gerade verschicken oder für wen sie arbeiten.

Bei den Attacken in Deutschland geht es Russland laut Nehring nicht um tatsächlichen physischen Schaden, sondern vielmehr um die öffentliche Wirkung. "Machtdemonstration und psychologische Kriegsführung" stehen im Mittelpunkt. Dabei werden Opfer jedoch zumindest billigend in Kauf genommen. "Die russischen Geheimdienste gehen sehr hemdsärmelig vor. Dort wird nicht überlegt, ob Menschenleben gefährdet sind." Der Aufwand soll aber möglichst gering bleiben. Ein Terroranschlag auf eine U-Bahn mit Hunderten Menschen sei daher jedoch nicht realistisch.

Cyberattacken haben psychologischen Effekt

Um den psychologischen Effekt geht es demnach auch bei den Cyberattacken. 131.391 solcher Angriffe gab es im vergangenen Jahr, wobei nur ein Teil Russland zuzuschreiben ist. Allerdings konnten Angriffe auf die SPD-Parteizentrale sowie Rüstungs-, IT- und Luftfahrtunternehmen dem russischen Hackerkollektiv APT 28 zugeordnet werden, das mit dem Militärnachrichtendienst GRU zusammenarbeitet.

Martin Voss, Leiter der Katastrophenforschungsstelle der Freien Universität Berlin, warnt im Gespräch mit t-online: "Cyberattacken passieren schon permanent. Es werden ganze Armeen darauf trainiert. Die bisherigen Angriffe sind nichts gegen das, was noch kommen wird." Ähnlich sieht es Nehring. Hinter den Kampagnen stecke ein "riesiger Apparat mit gigantischen Summen".

Teilweise weniger auffällig, aber nicht weniger intensiv sind zudem die russischen Informationskampagnen. Dabei werden viele aus Russland verbreitete Meldungen schnell als Falschmeldung enttarnt. Die Behauptung, Kanzler Friedrich Merz habe mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dem britischen Premierminister Keir Starmer und dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk Kokain konsumiert, stellte sich ebenso schnell als Lüge heraus wie die Meldung, Merz habe kürzlich Eisbären gejagt.

Dabei gehe es nicht um die einzelne Nachricht, sondern um die Masse. Auch leicht zu enttarnende Lügen hinterlassen bei den Menschen einen Eindruck. Nehring erklärt: "Es soll einen Dauerbeschuss mit bestimmten Botschaften geben. Es geht um Quantität statt um Qualität."

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Bevölkerungsschutzexperte Voss sieht, dass Russland durch die Kampagnen bewusst eine Katastrophenstimmung erzeugen will: "Man denkt, man kann ohnehin nichts tun. Und deswegen tut man auch nichts. Das wird auch viel über Desinformationskampagnen aus Russland gesteuert."

Und so ist den meisten Menschen nicht bewusst, dass die Maßnahmen des hybriden Krieges auch sie selbst schon getroffen haben.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Christopher Nehring

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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