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Landtagswahlen: Angriffe auf Politiker der AfD – stimmen die Darstellungen?


Angriffe auf AfD-Politiker
Da passt manches nicht zusammen

Von Charlotta Siemer

06.10.2023Lesedauer: 6 Min.
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Tino Chrupalla und Alice Weide (Archivbild): Die beiden AfD-Bundesvorsitzenden sind möglicherweise Opfer von Angriffen geworden.Vergrößern des Bildes
Tino Chrupalla und Alice Weide (Archivbild): Die beiden AfD-Bundesvorsitzenden sind möglicherweise Opfer von Angriffen geworden. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa/ap)

Die Berichte über Angriffe auf Politiker der AfD häufen sich in der Woche vor den Landtagswahlen. Nicht immer stimmen die Angaben der Partei und der Ermittler allerdings überein.

Das Wichtigste im Überblick


Tino Chrupalla soll Opfer eines "tätlichen Vorfalls" und Alice Weidel mit ihrer Familie aus ihrem Haus evakuiert worden sein. Im Jahr 2019 wurde der AfD-Politiker Frank Magnitz in Bremen angegriffen: Wenn es nach der AfD geht, leben Politikerinnen und Politiker der rechten Partei besonders gefährlich. Und tatsächlich wurden im vergangenen Jahr 321 Attacken auf Politiker der AfD registriert. Damit liegt die Partei mit etwas Abstand auf Platz drei, wie aus einer kleinen Anfrage der AfD im Bundestag hervorgeht. Mehr dazu lesen Sie hier.

Auffällig bei allen drei AfD-Fällen: Die Darstellungen der Partei und die der Behörden gehen in einigen Punkten deutlich auseinander. t-online hat für diese Fälle aufgeschlüsselt, wie die AfD die Vorfälle kommuniziert und was die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft zu den Fällen ergeben haben.

Frank Magnitz

Am 7. Januar 2019 wurde Frank Magnitz in Bremen angegriffen. Er war damals für die AfD Mitglied der bremischen Bürgerschaft und Mitglied im Bundestag. Die Partei veröffentlichte damals eine Pressemitteilung, die Magnitz' Tochter – ebenfalls Mitglied der AfD – geschrieben hatte: Der Politiker soll von drei Vermummten mit einem Kantholz geschlagen worden sein. Danach sei Magnitz nach Darstellung der AfD mit Tritten gegen den Kopf weiter attackiert worden, bis Bauarbeiter eingegriffen hätten. Die AfD sprach damals bei Facebook von einem "Mordanschlag".

Die Polizei stellte den Angriff nach Sichtung von Überwachungsvideos und der Befragung von Zeugen etwas anders dar. Demnach näherten sich zwei Personen dem damals 66-Jährigen von hinten, eine dritte lief versetzt dahinter. Einer der Menschen schlug Magnitz von hinten nieder, sodass dieser stürzte. Ein Kantholz war laut Polizei nicht erkennbar. Die drei Personen flüchteten – ohne auf ihn einzutreten. Die Behörden ermittelten wegen "des Verdachts einer gefährlichen Körperverletzung" und nicht wegen Mordes.

Die helfenden Bauarbeiter erklärten, die Tat selbst nicht mitbekommen und auch nicht eingegriffen zu haben. Sie fanden Magnitz bereits auf dem Boden liegend und riefen die Rettungskräfte. Im August 2019 stellte die Bremer Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ein, da kein Tatverdächtiger gefunden worden sei.

Zusammen mit der Pressemitteilung veröffentlichte die AfD damals ein Bild von Magnitz, das ihn im Krankenhaus zeigte. Eine Gesichtshälfte und ein Auge waren angeschwollen, an der Stirn war eine Wunde erkennbar, die bereits medizinisch versorgt wurde. Bereits am Tag nach dem Angriff gab der AfD-Politiker vom Krankenbett aus Interviews.

In einem internen AfD-Schreiben, das damals der "taz" vorlag, erklärte Magnitz später, er habe mit dem Bild "Aufmerksamkeit" und "mediale Betroffenheit" erzeugen wollen. "In Bremen selbst dürfte das Thema bei denen, die unsicher, aber uns nicht gänzlich abgeneigt sind, für Sympathien gesorgt haben", schrieb Magnitz demnach in dem Brief.

Alice Weidel

Am 3. Oktober sollte Alice Weidel, Co-Vorsitzende der AfD, eigentlich zum Tag der Deutschen Einheit auf einer AfD-Veranstaltung im einst geteilten Ort Mödlareuth an der Grenze zwischen Thüringen und Bayern sprechen. Sie sagte allerdings wegen "eines bedrohlichen Vorfalls in ihrem Schweizer Wohnort" ab.

Der AfD-Bezirksvorsitzende Tobias Peterka las am 3. Oktober auf der Bühne eine vorbereitete Erklärung vor. Er sagte, Weidel sei mit ihrer Familie aus ihrer privaten Wohnung an einen sicheren Ort gebracht worden. Es hätten sich Hinweise verdichtet, die auf einen Anschlag auf ihre Familie hindeuten würden. "Wir haben es jetzt gerade erfahren. Sie darf nicht aus diesem Safehouse raus, sie muss untergetaucht bleiben bis auf Weiteres."

Laut einem Pressestatement der Partei kamen die Begriffe "Safehouse" oder "Hausarrest" in der vorbereiteten Erklärung von Peterka nicht vor. Die Absage für die Veranstaltung sei bereits in der Woche vom 15. bis 29. September erfolgt, sollte aber zunächst vertraulich behandelt werden. Diese Informationen sind nicht überprüfbar.

Weidel wurde per Video zur Veranstaltung zugeschaltet und erklärte: "Ich würde nichts lieber tun, als heute bei euch zu sein, aber ich kann es leider nicht." Dass der "bedrohliche Vorfall" in der Schweiz bereits am 23. September stattgefunden hat, wurde am 3. Oktober nicht deutlich gemacht. Auch dass Weidel am Tag der Deutschen Einheit mit ihrer Partnerin auf Mallorca war und nicht wie behauptet in einem Safehouse, wurde erst durch eine Recherche des "Spiegel" öffentlich.

BKA riet Weidel nicht zur Absage der Veranstaltung

Ob die Familie tatsächlich aufgrund eines "bedrohlichen Vorfalls" ihr Haus verlassen musste, ist weiter nicht eindeutig geklärt. Es gab am 23. September einen Polizeieinsatz in Weidels Wohnort, nähere Angaben machen die Kantonspolizei Schwyz allerdings nicht. Aus "ermittlungstaktischen Gründen" wollte sich die zuständige Behörde nicht dazu äußern, ob die konkrete polizeiliche Maßnahme noch andauere.

Das für den Personenschutz von Politikerinnen und Politikern zuständige Bundeskriminalamt (BKA) erklärte, dass die Absage Weidels nicht auf Veranlassung oder Empfehlung des BKA erfolgt sei.

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Weidel war zwischen dem Vorfall am 23. September und dem abgesagten Termin am 3. Oktober laut AfD bei Bundestagssitzungen in Berlin anwesend, um "ihren Verpflichtungen als Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende nachzukommen". Ihre Kinder liefen Recherchen von t-online zufolge in der Zeit zwischen dem Vorfall und dem letzten Schultag vor den Herbstferien ab 2. Oktober auch allein zwischen der Wohnung und ihren Bildungseinrichtungen. Hier lesen Sie mehr dazu.

Warum Weidel also am 3. Oktober, zehn Tage nach dem Polizeieinsatz in der Schweiz, nicht bei der AfD-Veranstaltung in Deutschland sein konnte, obwohl das zuständige BKA ihr nicht zu einer Absage geraten hat, ist weiter unklar. Fest steht, dass die AfD-Politikerin nicht, wie von Mitgliedern ihrer Partei behauptet, in einem Safehouse, sondern im Urlaub auf Mallorca war. Laut der AfD "folgte sie damit dem Rat, sich daheim rar zu machen". Von wem dieser Rat stammte, ist ebenfalls unklar.

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Tino Chrupalla

Einen Tag nach der Absage von Weidel gab es am Mittwoch einen Zwischenfall mit dem AfD-Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla. Er sollte auf einer Wahlkampfveranstaltung in Ingolstadt sprechen. Vor Beginn seiner geplanten Rede musste er laut Polizei jedoch hinter der Bühne medizinisch versorgt und anschließend in ein Krankenhaus gebracht werden.

Die AfD sprach im Anschluss von einem "tätlichen Vorfall". Im Krankenhaus habe man eine Stichverletzung diagnostiziert, schreibt die Partei in einer Stellungnahme am Donnerstagabend. Chrupalla habe unter starken Schmerzen und Übelkeit gelitten und musste intensivmedizinisch betreut werden.

Chrupalla hat Ingolstadt laut der Stellungnahme wieder verlassen und sich in ärztliche Behandlung begeben, so die AfD: "Alle mit ihm in Bayern noch geplanten Wahlkampftermine wurden abgesagt." Die Landtagswahl in Bayern findet am Sonntag statt, die Absage betrifft also vier Tage.

Keine Auffälligkeiten bei der Blutuntersuchung

Polizei und Staatsanwaltschaft bestätigten, dass Chrupalla auf der Wahlkampfveranstaltung medizinisch versorgt wurde, teilten am Donnerstag aber mit, "keinerlei Erkenntnisse" zu haben, dass Chrupalla angegangen oder angegriffen wurde. Während der Veranstaltung hätten mehrere Menschen Selfies mit Chrupalla gemacht, bei denen es "zu einem leichten Körperkontakt" gekommen sei.

Einige Zeit später habe der AfD-Chef dann auf dem Weg zur Bühne Schmerzen im Oberarm verspürt und sei aufgrund weiterer gesundheitlicher Beschwerden in das Klinikum Ingolstadt gebracht worden. Dort konnte am Oberarm eine "oberflächliche Rötung bzw. Schwellung" festgestellt werden. Ein Sprecher von Chrupallas Büro hatte von einer "Einstichstelle" gesprochen.

Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt nahm Ermittlungen wegen des Anfangsverdachts auf Körperverletzung auf – bislang ohne konkrete Verdächtige. Chrupallas Blut und Kleidung wurden im Zuge dessen untersucht. Bei der Blutuntersuchung wurden allerdings keine relevanten Substanzen gefunden. Auch bei den toxikologischen Untersuchungen wurde nichts gefunden. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft t-online unter Bezug auf einen vorläufigen Arztbrief vom 5. Oktober.

Staatsanwaltschaft hat weiter keine Beweise für Angriff

Im körperlichen Untersuchungsbefund ist laut Staatsanwaltschaft ein "Nadelstich" in einem Muskel im Schulterbereich des rechten Oberarms aufgeführt. Chrupalla sei auf der Intensivstation überwacht und am 5. Oktober "nach unauffälligem Monitoring und in beschwerdefreien, gutem Allgemeinzustand", so der Arztbrief, entlassen worden.

Nach Medienberichten ist in einem Entlassbrief des Klinikums Ingolstadt an anderer Stelle von einer "Infektion mit unklarer Substanz" die Rede. Das geht aus dem Dokument hervorgeht, das unter anderem der Deutschen Presse-Agentur von Chrupallas Büro zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurde.

Bei der Aufnahme von Chrupalla schrieben die Ärzte laut Staatsanwaltschaft, der Politiker sei "beim Selfies schießen in einer Menschenmenge mit einer Spritze in den rechten Oberarm gestochen worden". Für diese Schilderungen gibt es nach bisherigen Ermittlungen keine Grundlage, betont die Staatsanwaltschaft. Die Ermittlungen werden dennoch weitergeführt.

Fest steht: Chrupalla musste vor seiner Rede auf der Wahlkampfveranstaltung medizinisch betreut werden und lag im Krankenhaus in Ingolstadt auf der Intensivstation. Was genau passiert ist, ist noch unklar. Ob es tatsächlich einen "tätlichen Vorfall" gab, von dem die AfD redet, ist aktuell zumindest fraglich. Die ermittelnden Behörden haben dafür bis zum Freitagnachmittag keine Kenntnisse, die Blutuntersuchungen und das toxikologische Screening waren unauffällig.

Verwendete Quellen
  • presseportal.de: "POL-HB: Nr.: 0023 --Gemeinsame PM der Staatsanwaltschaft und der Polizei Bremen: Erste Ermittlungsergebnisse--"
  • presseportal.de: "POL-HB: Nr.: 0020 --Polizei bildet Sonderkommission--"
  • presseportal.de: "POL-HB: Nr. 0019 -- Angriff auf Bundestagsabgeordneten und Landesvorsitzenden der AfD Bremen --"
  • bild.de: "Polizei fahndet mit 66-Sekunden-Video"
  • taz.de: "'Mediale Betroffenheit' erzeugen"
  • facebook.com: Beitrag von "AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag" vom 08.01.2019
  • afd.de: "Stellungnahme zum Zustand des Bundessprechers Tino Chrupalla"
  • mit Material der Nachrichtenagentur dpa
  • Mitteilung Staatsanwaltschaft Ingolstadt
  • eigene Recherche
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