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Tagesanbruch: Wilde Sprüche, Kampf um Milliarden, der Tod einer Beziehung


Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Florian Harms

05.06.2018Lesedauer: 6 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Angela Merkel und Peter AltmaierVergrößern des Bildes
Angela Merkel und Peter Altmaier (Quelle: dpa)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Die internationale Politik gleicht derzeit einem Jahrmarkt. Wilde Karussells, Pulverdampf an den Schießständen und jeden Moment ein Aufprall der Boxautos. Die größte Bude besitzt der Herr aus Washington, und der lauteste Marktschreier ist er auch. Wobei ihm seine Gehilfen kaum nachstehen. Einer zettelt einen Konflikt mit den Leuten von der iranischen Bude an, ein anderer bestraft alle anderen Schausteller mit Extra-Marktgeldern – und ein dritter stolpert mit wilden Sprüchen ins deutsche Chillout-Café. Die internationale Politik ist wild derzeit, und das hat viel mit dem wilden Herrn aus Washington zu tun.

Umso wichtiger, dass die europäischen Staaten ein starkes und mächtiges Gegengewicht bilden. Stark und mächtig können sie aber nur sein, wenn sie einig sind. Und wenn sie ihre Finanzen in Ordnung bringen. Der französische Chef Emmanuel Macron hat sehr genaue Vorstellungen davon, wie das vonstattengehen soll, und er musste lange, sehr lange darauf warten, bis ihm die deutsche Chefin endlich eine Antwort darauf gab. Am Wochenende hat sie das nun endlich getan. Weil beide Konzepte recht komplex sind, hat meine Kollegin Nathalie Rippich die wichtigsten Punkte hier zusammengefasst.

Die beiden Chefs werden nun einige Monate miteinander ringen, und dann wird wohl alles auf einen Europäischen Währungsfonds hinauslaufen (weil die deutsche Chefin noch ein kleines bisschen stärker ist als der französische Chef). An sich eine gute Idee. Doch der Teufel lauert im Detail. "Ein solcher Fonds kann nur dann funktionieren, wenn es Kredite nur gegen Reformen gibt", schreibt unsere Wirtschaftskolumnistin Ursula Weidenfeld. "Und die will im Süden Europas niemand mehr, die Waffen des Nordens dagegen werden stumpf." Wenn Sie heute Mittag den pointierten Text auf unserer Seite lesen, wissen Sie Bescheid.

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WAS STEHT AN?

Einsame Entscheidungen sind der Tod einer Beziehung, heißt es in einschlägigen Beziehungsratgebern. Angela Merkel hat die Beziehung zu den Bundesbürgern schon mehrfach durch einsame Entscheidungen aufs Spiel gesetzt. Man kann schwerlich behaupten, dass diese Entscheidungen dem Land stets zum Wohle gereicht hätten. Das Kleinsparen der Bundeswehr und die Abschaffung der Wehrpflicht haben eine Schönwetterarmee hervorgebracht, die erst eine Kommission bilden muss, bevor sie ein einsatztaugliches Gerät aufstöbert. Das Management der Flüchtlingskrise hat große Teile der Bevölkerung von den Volksparteien entfremdet und viele enttäuschte Konservative den rechten Rattenfängern in die Arme getrieben. Das Chaos im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge steht exemplarisch für diese Halligalli-Politik. Ja, und dann sind da noch der Atomausstieg und die euphorisch angekündigte Energiewende. Leider folgte auf die euphorischen Ankündigungen nicht viel mehr, als dass die Atomkonzerne in die Knie gezwungen und im ganzen Land Bürgerinitiativen gegen Windräder befördert wurden.

Dabei wäre es nicht unmöglich, den zweifellos notwendigen Umstieg von Kohle, Öl, Gas und Atomstrom auf Windenergie, Solarthermie, Fotovoltaik, Bioenergie und Wasserkraft in den kommenden 15, 20 Jahren zu stemmen. Wer sich mit Experten über das Thema unterhält, bekommt immer wieder zwei Einschätzungen zu hören: Erstens geht es nicht voran. Und das liegt zweitens am mangelnden politischen Willen. Auf die einsame Entscheidung folgte einsames Aussitzen.

Peter Altmaier soll das jetzt ändern. Der Mann, der schon so viele Male die Kohlen für Angela Merkel aus dem Feuer geholt hat, ist auch deshalb Wirtschaftsminister geworden, damit er die Kohle endgültig abwickelt (irgendein Kompromiss mit der SPD wird sich schon finden, die macht ja eh alles mit) und die verkorkste Energiewende rettet. Schließlich will Merkel sich damit schmücken, wenn sie irgendwann abtritt.

Wie genau Altmaier die Wende schaffen will, ist noch unklar, aber heute bekommt er Gelegenheit, seine Vorstellungen zu erklären: Am Vormittag eröffnet er in Berlin die wichtigste Konferenz zum Thema. Wäre schön, wenn dabei mehr herauskäme als nur heiße Luft.

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Was macht eigentlich die SPD? Ach ja, die will sich aus dem Umfragetief herauskämpfen. Deshalb wolle sie sich "erneuern", sagen die Leute aus dem Willy-Brandt-Haus. Klingt gut, aber warum sieht man dann nichts von der Erneuerung? Das hat sich auch mein Kollege Johannes Bebermeier gefragt und in seiner Analyse eine Antwort gegeben, die Sie hier lesen können. Das Problem hat also einen Namen und ich wette zwei, nein drei Flaschen Riesling, dass sowohl der Name als auch das Problem heute bei der traditionellen Spargelfahrt des Seeheimer Kreises auf dem Wannsee zur Sprache kommt. Erst nach dem zweiten Glas Riesling natürlich. Nur hinter vorgehaltener Hand natürlich. Trotzdem interessant, wer da was sagt. Gut, dass mein Kollege Jan Hollitzer ebenfalls an Bord ist.

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1968, das war das Jahr der Blumenkinder und der Studentenproteste, aber es war auch ein Jahr des Schreckens. Am 4. April fiel Martin Luther King dem Attentat eines weißen Rassisten zum Opfer. Seit Jahren hatte der Prediger gewaltfrei für die Rechte der Afroamerikaner gestritten. Sein Erbe trat Robert "Bobby" Kennedy an: jung, fleißig und überzeugt von seiner Vision eines gerechteren Amerikas. Millionen Amerikaner begeisterten sich für den Bruder des 1963 ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy.

Stanisław Pruszyński hat Bobby Kennedys Wahlkampf um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten 1968 beobachtet. Der gebürtige Pole reiste als Angehöriger von Kennedys Pressetross durch Amerika – und war so auch am 5. Juni 1968 anwesend, als der Attentäter Sirhan Sirhan in Kalifornien das Feuer auf Kennedy eröffnete. Einen Tag später starb der Hoffnungsträger an den Folgen seiner Verwundung.

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Unser Autor Jens Mattern hat den Journalisten Stanisław Pruszyński in Warschau getroffen und sich die dramatischen Ereignisse haarklein berichten lassen – auch zu der Theorie, dass es einen dubiosen zweiten Schützen gab.

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Ich gestehe: Ich bin voreingenommen. Aber ich darf das sein, genau wie Sie es dürfen, denn bei Kunst darf jeder seinen Geschmack haben. Wohl denn: In meinen Augen zählt der Kanadier Jeff Wall zu den bedeutendsten Künstlern der Gegenwart. Seine großformatigen Fotos, die er auf Leuchtkästen druckt, strahlen eine fast schon magische Stimmung aus. Auf den ersten Blick wirken die Szenen häufig banal. Obdachlose unter einer Brücke. Nachteulen vor einer Diskothek. Ermittler am Tatort eines Verbrechens. Auf den zweiten Blick erschließen uns die Bilder einen eigenen Kosmos: Augenblicke und Abgründe des nordamerikanischen Alltags, Zerrbilder einer Gesellschaft voller Brüche, inszenierte Momentaufnahmen, die uns Betrachter ansaugen und nicht mehr loslassen.

Warum schreibe ich das alles? Weil Sie jetzt die Chance haben, die Werke Jeff Walls, darunter auch einige Bilder aus dem Privatbesitz des Künstlers, im Original zu sehen. Die neue Kunsthalle Mannheim widmet Wall ihre erste große Sonderausstellung. Hinfahren lohnt sich. Aber Vorsicht: Die Bilder werden Sie nicht mehr loslassen.

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WAS LESEN?

Vom "Nebel des Krieges" schrieb einst Carl von Clausewitz, von der Ungewissheit über das, was in der Hitze des Gefechts passiert. Kugeln fliegen, Rauchschwaden ziehen vorbei – und wenn der Nebel sich verzogen hat, bleiben die Erlebnisse der Überlebenden in vielen unverbundenen Bruchstücken zurück. Daraus webt sich jede Seite die Geschichte, die sie hören will.

Auf dem Maidan in Kiew war es wie im Krieg, als nach einem der blutigsten Tage in der jüngeren Geschichte der Ukraine, dem 20. Februar 2014, 48 Demonstranten und vier Polizisten tot auf dem Pflaster lagen. Die Berkut, Spezialeinheiten des russlandfreundlichen Präsidenten Janukowytsch, sind für das Massaker an den prowestlichen Demonstranten verantwortlich, darüber herrscht bei uns im Westen weitgehender Konsens. Lebten wir in Russland, würden wir wahrscheinlich mit gleicher Gewissheit von mysteriösen Scharfschützen auf den Dächern und georgischen Söldnern sprechen, die das Blutbad angerichtet haben, um gemeinsam mit dem Westen dem Sturz Janukowytschs den Weg zu bereiten.

Wären wir allerdings die ukrainische Aktivistin Evelyn Nefertari, dann hätten wir Bruchstücke gesammelt: eine Unzahl von Videoschnipseln aus ebenfalls unzähligen Blickwinkeln, später von anderen kombiniert mit 3-D-Modellen der Kampfzone, ballistischen Berechnungen, Autopsieberichten. Das Ergebnis dieses Kraftakts soll mehr als nur Aufklärung schaffen. Gerichtsfest muss es sein, sich im Prozess gegen Berkut-Mitglieder beweisen. Das Projekt ist bahnbrechend. Der Nebel des Krieges soll nicht länger blind machen. Nicht in der Ukraine, und nicht anderswo. (engl.)

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Joachim Löw hat ein Händchen für Überraschungen, das hat er bei der Nominierung seines endgültigen WM-Kaders wieder mal bewiesen: Flügelstürmer Leroy Sané von Manchester City gehört nicht dazu – obwohl er in der abgelaufenen Saison der deutsche Spieler mit den meisten Tor-Beteiligungen war. Klingt unlogisch? Ist es nicht. Unser Nationalmannschaftsreporter Luis Reiß erklärt, welche Gründe den Bundestrainer bewogen haben könnten.

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WAS FASZINIERT MICH?

Dieses Bild ist 94 Jahre alt, und es entstand mitnichten auf einer Kostümparty. Die rituellen Kleidungsstücke sind ebenso echt wie der Hut des US-Präsidenten. Wie es zu der Aufnahme kam und warum die Irokesen zweimal Deutschland den Krieg erklärten, erfahren Sie in unserer Rubrik "Historisches Bild". Diese finden sie, wenn Sie auf unserer Startseite ganz ans Ende scrollen.

Ich wünsche Ihnen einen friedlichen Tag.

Ihr Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: harms.chefredaktion@t-online.de

Mit Material von dpa.

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