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Tagesanbruch: Der Mord an Susanna (14) aus Hessen, Anstehendes DFB-Spiel


Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 08.06.2018Lesedauer: 6 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Joachim Löw mit NationalspielernVergrößern des Bildes
Joachim Löw mit Nationalspielern. (Quelle: Christian Charisius/dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Der Mord an der 14-jährigen Susanna hat Sie vermutlich genauso erschüttert wie mich. Ein junges Leben, brutal ausgelöscht. Der mutmaßliche Täter war der Polizei bereits mehrfach aufgefallen. Trotzdem konnte er sich mitsamt seiner Familie in den Irak absetzen. Da ist bei deutschen Behörden offenkundig eine ganze Menge schiefgegangen. Das erzürnt verständlicherweise viele Menschen, macht viele betroffen.

Was mich aber ebenfalls betroffen macht, ist der kalte Zynismus, mit dem einige AfD-Politiker den Fall für Ihre politischen Ziele instrumentalisieren. Auf Facebook und Twitter war gestern im wahrsten Sinne die Hölle los. Der geschätzte "Spiegel"-Kollege Nils Minkmar formulierte dazu diese Sätze: "Irre, wie der Mord an einem Kind hier schon wieder politisiert wird. Kann man nicht die Ermittlungen abwarten und wenigstens einige Tage trauern und nachdenken?" Hätte ich nicht besser sagen können.

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WAS STEHT AN?

Gelingt nach fünf Länderspielen endlich wieder ein Sieg? Präsentiert sich die deutsche Nationalmannschaft bei ihrem letzten Test vor der Weltmeisterschaft als optimal vorbereitete Manschaft? Sind alle Spieler in Topform? Hält der Fuß von Kapitän Manuel Neuer? Heute Abend wissen wir mehr. Unser Reporter Luis Reiß ist im Stadion. Liveticker, Analysen, Bilder: Das ganze Programm finden Sie auf t-online.de. Dazu eine knackige Kolumne von Berti Vogts, der den WM-Kader kritisch sieht.

Ach so, gegen wen kickt Löws Team heute in Leverkusen? Gegen Saudi-Arabien. Ist doch völlig egal, mögen sich viele Fußballfreunde denken. Hauptsache, Kroos und Co. spielen die gegen die Wand. Egal, wie der Gegner heißt.

Moment. Ganz egal ist es nicht, wie der Gegner heißt. Es lohnt sich schon, für einen Augenblick genauer hinzuschauen, gegen welche Nationalmannschaft das DFB-Team da heute Abend antritt. Saudi-Arabien ist nicht irgendein Staat. Saudi-Arabien ist eine Kleptokratie, eine Diktatur der besonderen Art: Die Sippe der Saud hat sich mit dem ultrareligiösen Klerus verschworen, um ihre Selbstbereicherung, Pardon, Herrschaft, zu legitimieren. Wer etwas dagegen hat und den Mund aufmacht, wird schnell mundtot oder ganz tot gemacht. Kritiker werden ausgepeitscht und eingesperrt.

So wie der Blogger Raif Badawi. Vor zehn Jahren gründete er eine Website, auf der er eine Trennung von Staat und Religion und liberale Gesetze forderte. 2012 wurde er verhaftet, zu zehn Jahren Gefängnis und 1.000 Peitschenhieben verurteilt. Am 9. Januar 2015 versetzte ihm ein Scharfrichter bei einer öffentlichen Züchtigung die ersten 50 Stockschläge. Seither sitzt er im Gefängnis und muss jederzeit damit rechnen, die nächsten 950 Schläge zu erhalten. Seine Ehefrau musste ins Ausland fliehen. Sein Anwalt erhielt eine 15-jährige Haftstrafe.

Das DFB-Team spielt heute Abend gegen die Nationalmannschaft eines Terrorstaates. Eines Staates, der seine Bürger terrorisiert. Nun sagen im DFB immer alle, sie wollten Sport und Politik nicht vermischen. Ich finde, da machen sie es sich zu einfach. Was hält Bundestrainer Löw eigentlich davon ab, bei der Pressekonferenz nach dem Spiel an das Schicksal Raif Badawis zu erinnern? Das wäre eine wirklich starke Leistung.

Ich finde, Raif Badawi und viele andere verfolgte Journalisten verdienen unsere Solidarität. Deshalb bin ich seit Jahren Mitglied der Jury des "Raif Badawi Award for courageous journalists", die jedes Jahr Vorkämpfer für die Pressefreiheit auszeichnet. (Hier erfahren Sie mehr dazu.)

Moment, mögen Sie jetzt denken. Ist es nicht so, dass sich ein guter Journalist mit keiner Sache gemein machen soll, auch nicht mit einer guten? Ja, es gibt da diesen berühmten Satz des verstorbenen "Tagesthemen"-Moderators Hanns Joachim Friedrichs. Aber erstens wird dieser Satz meistens falsch zitiert, zweitens muss das kein Widerspruch sein.

Selbstverständlich sollte man als Journalist erst einmal Fakten zusammentragen, berichten, erklären. Fakten zu kommentieren, Position zu beziehen ist aber ebenfalls Teil unserer Aufgabe als Journalisten. Man kann das allerdings so oder so tun. Wir bei t-online.de verfolgen, wie Sie wissen, einen anderen Weg als viele andere deutsche Medien. Wir orientieren uns am angelsächsischen Journalismus und wollen so strikt wie möglich zwischen Berichten einerseits und Meinungen andererseits trennen. Deshalb kennzeichnen wir alle Meinungsartikel, die auf unserer Seite erscheinen, klar und deutlich. So auch den Tagesanbruch.

Umgekehrt bedeutet das: Wo nicht MEINUNG dransteht, soll auch keine Meinung drin sein. So haben wir es uns vorgenommen. Damit Sie als Leserin und Leser immer wissen, woran Sie sind. Und sich sowohl anhand von Fakten als auch von Kommentaren Ihre eigene Meinung bilden können. Vielleicht, indem Sie die Position unserer Autoren übernehmen. Vielleicht, indem Sie sie für Kokolores halten, sich aber zum Nachdenken anregen lassen. Mir geht es so: Zu vielen Themen aus Politik, Wirtschaft und Kultur habe ich meine Haltung erlangt, indem ich Kommentare gelesen habe, denen ich keinesfalls zustimme. Wäre doch langweilig, läse man immer nur seine eigene Meinung.

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WAS HEUTE NOCH ANSTEHT – IM ÜBERBLICK:

Im kanadischen La Malbaie beginnt der G7-Gipfel, der eigentlich ein G1-gegen-G6-Gipfel ist. Denn US-Präsident Trump steht mittlerweile ziemlich allein da. Das hält ihn nicht davon ab, Partnerstaaten mit Zöllen zu bestrafen und das mühsam ausgehandelte Iran-Abkommen zu kündigen. Jede Menge Gesprächsstoff also. Mit unserem Newsblog bleiben Sie auf dem Laufenden. (Apropos: Der zweitägige Gipfel kostet rund 400 Millionen Euro. Wenn Sie das genauso verrückt finden wie ich, sind wir schon zwei.)

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Im Innenausschuss des Bundestages geht es um den Skandal im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Dessen ehemalige Chefs Frank-Jürgen Weise und Manfred Schmidt sowie die jetzige Leiterin Jutta Cordt müssen Rede und Antwort stehen. Gut so, aber einen Untersuchungsausschuss braucht es trotzdem.

In der UN-Vollversammlung in New York werden zwei neue nichtständige Mitglieder des Sicherheitsrats gewählt. Deutschland bewirbt sich und hat gute Chancen, die nötige Zweidrittelmehrheit zu bekommen. Es wäre eine verdiente außenpolitische Aufwertung unseres Landes.

In Aachen verklagt die Deutsche Umwelthilfe das Land Nordrhein-Westfalen. Der Grenzwert für Stickstoffdioxid soll eingehalten werden. Es ist das bundesweit erste Verfahren zu Diesel-Fahrverboten nach dem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts. Bekommt die DUH recht, gibt es nach Hamburg wohl bald auch in anderen deutschen Städten Fahrverbote.

In Gaza wollen Palästinenser mit einem Massenaufmarsch am 51. Jahrestag des Sechstagekrieges protestieren. Damals eroberten die Israelis den Ost-Teil Jerusalems und das Westjordanland. Heute werden wir vermutlich gewalttätige Bilder sehen.

Im All dockt die Sojus-Kapsel des deutschen Astronauten Alexander Gerst an der Internationalen Raumstation an. Wenn Sie das Manöver 400 Kilometer über Ihrem Kopf verfolgen wollen, können Sie ab 15 Uhr hier hineinschauen.

In Baden-Baden öffnet die Ausstellung "James Turrell. The substance of Light" ihre Pforten. Der Amerikaner zählt zu den bedeutendsten Künstlern der Gegenwart. Wenn Sie jetzt trotzdem kein Bild vor Augen haben, schauen Sie mal kurz hier rein. Sie werden Augen machen.

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WAS LESEN?

Mehr als 100 Talkshows haben ARD und ZDF seit dem Jahr 2015 zu den Themen Islam und Flüchtlinge ausgestrahlt – viel, viel mehr als zu jedem anderen Thema. Der deutsche Kulturrat empfiehlt nun eine einjährige Pause. Das klingt in meinen Ohren übertrieben. Aber der Text unserer Kolumnistin Lamya Kaddor, der gestern ausgesprochen viele Leser auf t-online.de interessiert hat, trifft einen wunden Punkt: "Wie das Fernsehen die Islamfeindlichkeit fördert".

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Fußball ist nicht überall so ein großer Sport wie bei uns. Wenn in einem Land 42 Prozent der Bevölkerung sagen, sie hätten "überhaupt kein Interesse" am Fußball, und weitere 31 Prozent zu Protokoll geben, ihr Interesse sei "gering", dann interessieren sich die Leute dort wohl für andere Dinge. Vielleicht Basketball? Nein. Politik. Das Land der Fußballmuffel heißt – bitte festhalten – Brasilien, und die Leute haben alles Mögliche im Kopf: die Wirtschaftskrise, den Lastwagenfahrerstreik, die Korruption, den Ärger über die Regierung – und die kommenden Wahlen, bei denen die Faschisten und Anhänger der Militärdiktatur beste Chancen haben. Der rechte Rand hat es obendrein geschafft, die Farben Gelb-Grün-Blau (die Farben des brasilianischen Nationaltrikots) als Symbol ihrer Bewegung zu vereinnahmen. Die Brasilianer haben also einiges zu verdauen, und das 7:1-Debakel gegen Deutschland hat es nicht einmal auf die Liste geschafft. Wir sollten Brasilien also die Daumen drücken. Abseits des Platzes.

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WAS FASZINIERT MICH?

Es gibt Welten auf diesem Planeten, die wir nur mit technischen Tricks betreten können. Unter Wasser ist eine davon. Die Welt der kleinen Dinge ist eine andere. Beide zusammen hat der Taucher und Makrofotograf Ze’ev Kirshenboim eingefangen. Schon sein erstes Bild stellt uns eine Aufgabe: Sehen Sie das Seepferdchen? Die anderen Unterwasserzwerge mögen es aber eher knallbunt. Klicken Sie sich durch!

Ich wünsche Ihnen einen knallbunten Tag und dann ein sonniges Wochenende. Am Montag schreibt mein Stellvertreter Rüdiger Schmitz-Normann den Tagesanbruch. Ich bin ab Dienstagmorgen wieder für Sie da.

Ihr Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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