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Tagesanbruch: NSU-Prozess, Trump in Europa und das vielleicht beste Spiel der WM


Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 11.07.2018Lesedauer: 5 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Donald Trump bei der Ankunft in BrüsselVergrößern des Bildes
Donald Trump bei der Ankunft in Brüssel (Quelle: Francois Lenoir/Reuters-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Präzise Pässe, filigrane Hackentricks, vollendete Disziplin im Spielaufbau – und dann der eine zwingende Moment: Eckball, Kopfball, Ball im Netz. Jubel, Anstoß – und schon brandete das Spiel wieder hin und her. Wir haben gestern zwei Weltmeister gesehen. Einen blauen und einen roten. Das vielleicht beste Spiel dieser WM. Der eine Weltmeister muss nun leider nach Hause fahren, ohne sich den Pokal holen zu dürfen (das Spiel um Platz drei ist ja eher eine lästige Pflicht). Der andere darf der Welt am Sonntag noch ein weiteres Mal zeigen, wie glänzender Fußball im Jahr 2018 aussieht. Und den Goldpokal dann zur Siegesfeier nach Paris mitnehmen. Oder nicht? Jedenfalls hätten es sowohl Engländer als auch Kroaten gegen diese überragende französische Mannschaft verdammt schwer.

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WAS STEHT AN?

437 Prozesstage, 60 Millionen Euro Kosten, Hunderte Zeugen, endloses juristisches Hickhack, bewegende Aussagen von Angehörigen der Opfer, höhnische Kommentare von Freunden der Angeklagten: Nach mehr als fünf Jahren geht der NSU-Prozess in München heute zu Ende. Gegen 9.30 Uhr wird das Urteil des Oberlandesgerichts München in dem Verfahren gegen Beate Zschäpe und vier weiteren Angeklagten erwartet. Der Aufwand, der für diesen Prozess betrieben wurde, aber auch die Abgründe, die sich in seinem Verlauf auftaten – das Leid der Opfer, das Versagen der Sicherheitsbehörden, die vielen, vielen Leerstellen in den Ermittlungen – lassen sich allenfalls mit den RAF-Prozessen der siebziger Jahre vergleichen.

Die Gerichtsreporterin Annette Ramelsberger, die jeden einzelnen Tag des Verfahrens verfolgte, hat kürzlich in der “Süddeutschen Zeitung“ beschrieben, wie dieser Mammutprozess alle Beteiligten geprägt, gezeichnet, mitgenommen hat: “Aus dem Jahrhundertprozess ist ein Hochamt der Zermürbung geworden. Aus dem Versuch, Rechtsfrieden in Deutschland zu schaffen, wurde eine Leistungsschau juristischen Schattenboxens.“

In dem Münchner Gerichtssaal zeigte der deutsche Rechtsstaat, dass er es ahndet, wenn eine brutale Bande jahrelang mordet, raubt, ausländische Mitbürger terrorisiert. So zermürbend dieser Prozess war, wie auch immer das Urteil aussieht: Das ist ein Sieg des Rechts über das Unrecht.

Er kommt allerdings spät, viel zu spät. Zuvor hatte der Rechtsstaat viele Jahre lang katastrophal versagt. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, vielleicht auch weitere Komplizen konnten ungehindert einen Menschen nach dem anderen ermorden, ihren rechtsradikalen Hass säen, mehrere Banken überfallen (hier lesen Sie einen Überblick über Täter, Opfer, Tatorte). Es ist eine Tragödie, dass die Täter nicht früher gestoppt wurden.

Einer, der sich mindestens so intensiv mit dem NSU beschäftigt hat wie die Münchner Richter, ist Clemens Binninger. Der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete leitete den zweiten Bundestags-Untersuchungsausschuss zu der Terrorgruppe. Er hat sich durch 14.000 Aktenordner und unzählige digitale Dateien geackert, hat Tatorte besichtigt, mit Ermittlern, V-Leuten und Angehörigen der Opfer gesprochen. Und nach all diesen Erfahrungen, mit all diesem Wissen, sagt er heute: “Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Taten des NSU nie vollständig aufgeklärt werden.“ So lautete sein Resümee nach dem fast dreistündigen Gespräch, das mein Kollege Jonas Mueller-Töwe und ich in unserem Berliner Newsroom mit Binninger führten.

Die wichtigsten Passagen des Interviews haben wir für Sie aufgeschrieben. Es handelt von merkwürdigen Details im Heilbronner Polizistenmord, von möglichen Mittätern, von Fehlern des Verfassungsschutzes, die so haarsträubend sind, dass es schwerfällt, nicht an Absicht zu glauben, und von den vielen Fragen, die auch nach Abschluss des NSU-Prozesses offen bleiben. All das sollte man als kritischer Bürger unseres Staates wissen. Deshalb empfehle ich Ihnen heute dieses Interview ebenso zur Lektüre wie die Rekonstruktion unseres Rechercheurs Dietmar Seher: Er hat den Wissensstand zum Mord in Heilbronn zu einem packenden Text verarbeitet. Es würde mich nicht wundern, wenn Ihnen anschließend die Haare zu Berge stehen.

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Den Pariser Klimaschutzvertrag hat er gekündigt, das Iran-Abkommen ebenfalls, er hat einen Handelskrieg angezettelt und mit so vielen diplomatischen Konventionen gebrochen, dass die Welt längst aufgehört hat zu zählen. Was kommt als nächstes? Die Zerschlagung der Nato? Es klingt abenteuerlich, aber genau das fürchten manche Diplomaten im Brüsseler Hauptquartier. Man mag manche Einsätze der Militärallianz kritisch beurteilen, aber ihre Existenz hat den Mitgliedstaaten, auch Deutschland, jahrelang Sicherheit und Stabilität garantiert. Deshalb werden die Staats- und Regierungschefs dieser Staaten auf dem heute beginnenden Nato-Gipfel viel Zeit, Mühe und vor allem Geduld aufwenden, um Donald Trump zu bearbeiten.

Dass gutes Zureden bei diesem Mann allein nicht hilft, wissen sie allerdings spätestens seit dem desaströsen G7-Treffen in Kanada. Es wird also mehr brauchen, um den US-Präsidenten milde zu stimmen. Deshalb werden Forderungen lauter, Deutschland solle endlich wie versprochen seine Militärausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhen. Darum wird es heute gehen, und nebenher auch um die Abschreckung gegen Russland, den Kampf gegen Terrorismus und die Zusammenarbeit gegen, Pardon: mit der EU (einen Überblick finden Sie hier).

Wir können uns heute also auf ein hartes Treffen gefasst machen. “Es wäre fast eine Überraschung, wenn der Gipfel ohne Blessuren ausginge“, sagt Wolfgang Ischinger, einer der erfahrensten Diplomaten Deutschlands, mit dem mein Kollege Gerhard Spörl ein Interview geführt hat, das wir heute Mittag veröffentlichen. “Für Angela Merkel könnte das ein unangenehmes Ereignis werden.“ Die Kanzlerin kommt aus dem Krisenmodus nicht mehr heraus.

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So, noch was anzukündigen? Ach ja, der Bundesinnenminister, dessen Name Sie inzwischen wohl in und auswendig kennen, der Sie vielleicht sogar schon im Schlaf verfolgt, dieser Innenminister also trifft heute seinen italienischen Kollegen Matteo Salvini, um über das zu reden, worüber der Bundesinnenminister eben die ganze Zeit redet. Den Rest können Sie sich sicher denken.

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WAS LESEN?

Die Welt ist voller Wunder. Sagt man so, stimmt auch, ist gefühlt aber nicht immer der Fall, wenn man zum Beispiel an einem gewöhnlichen Mittwochmorgen vor der Arbeit seinen Kaffee schlürft. Aber plötzlich stößt man auf eine kleine, für das eigene Leben bedeutungslose Information, und es trifft einen wie ein Schlag: Es stimmt. Die Welt IST voller Wunder. Ich persönlich verdanke diese erneuerte Erkenntnis kleinen Spinnen. Vielleicht wussten Sie es, ich wusste es nicht: Spinnen können fliegen. Nicht nur ein bisschen. Sondern kilometerhoch, über unglaubliche Strecken. Weit draußen auf den Meeren, über tausend Kilometer entfernt vom nächsten Land, hat man sie fliegen sehen.

Was Sie aber ganz bestimmt nicht wussten, und auch sonst niemand bis vor Kurzem: wie die kleinen Spinnen das machen. Sie nutzen das elektrische Feld der Erde. Die Aufladung der Atmosphäre, die wir so dramatisch beobachten können, wenn es blitzt – von dieser Aufladung lassen sie sich in die Höhe tragen. Das ist dieselbe Art von Kraft, die manchmal unsere Haare an Synthetik-Klamotten kleben lässt. Nur eben genutzt für Fernreisen. Von kleinen Spinnen. Ist das nicht wunderbar? (engl.)

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WAS AMÜSIERT MICH?

Die Beatles, die Bee Gees und natürlich auch die Kastelruther Spatzen: Sie kennen bestimmt diese Cover-Fotos berühmter Musikgruppen auf den Vorderseiten von Schallplatten, CDs oder auch auf Fan-Postern. Einer neben dem anderen, Arme über die Schultern gelegt oder vor der Brust verschränkt, coole Miene – ja, so wird ein Star-Foto draus. Können wir auch, dachten sich die Ponys, Pinguine und Pandabären. Ich habe lange gelacht.

Ich wünsche Ihnen einen coolen Tag.

Ihr Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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