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Tagesanbruch: Angst in der Bevölkerung – sind die Medien mitverantwortlich?


Was heute wichtig ist
Der wunde Punkt

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 11.04.2019Lesedauer: 6 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
BKA-Chef Holger Münch.Vergrößern des Bildes
BKA-Chef Holger Münch. (Quelle: imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

55 Millionen Lichtjahre ist das Schwarze Loch im All von uns entfernt, das Wissenschaftler abgelichtet haben. Ähnlich groß erscheint mir manchmal die Distanz bis zu einer gütlichen Lösung des Brexit-Problems. Auch der EU-Gipfel gestern Abend hat keinen Quantensprung geschafft: Die Briten bekommen mehr Zeit für den Austritt, na schön – aber bekommen sie ihn überhaupt noch hin? Ich bleibe skeptisch. Details in unserem Newsblog.


Anachronismus, der: eine durch die Zeit überholte Einrichtung, so sagt es der Duden. Wenn man in einem reichen, modernen Land nicht krank werden darf, weil man die Kosten für die Behandlung nicht bezahlen könnte – ja, dann fehlt eine der grundlegenden Errungenschaften des modernen Sozialstaats. Zum Beispiel in den USA. Noch immer, selbst nach Barack Obamas Verbesserung der Krankenversicherung, sind dort viele Menschen gezwungen, auf Spendenplattformen wie Gofundme.com um Geld für medizinische Behandlung zu bitten: um milde Gaben von Freunden und Fremden, damit sie zum Beispiel eine Krebsbehandlung bezahlen können. Ein Anachronismus ist das und eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Wir in Deutschland schütteln den Kopf darüber. Zum Glück ist das bei uns nicht so.

Genießen wir also das wohlige Gefühl historischer Überlegenheit. Und zwar in vollen Zügen – vielleicht hält es dann ja noch etwas vor, wenn unsere Gedanken zum Altwerden in Deutschland schweifen. Denn mit den Errungenschaften der Sozialgemeinschaft, die das Wohl und Wehe der Einzelnen auf die Schultern aller verteilt, ist es dann ganz fix vorbei. Wie teuer es einen zu stehen kommt, wenn es zuhause nicht mehr geht und das Pflegeheim die nächste Station des Lebens wird, hängt von vielen Faktoren ab. Aber teuer wird es, sehr teuer, wie meine Kollegin Sabrina Manthey anschaulich erklärt. Da sind die eigentlichen Pflegekosten, also der medizinisch notwendige Betreuungsaufwand, von denen die Versicherung, die wir immerhin dafür haben, nur einen Teil übernimmt. Die Miete für ein eigenes Zuhause mag man sich sparen, doch wer auf Unterbringung mit Vollpension angewiesen ist, für den wird das Heim zum kostspieligen Hotel – zu zahlen aus der eigenen Tasche. Die leert sich, bis nur noch das Sozialamt helfen kann.

Die SPD macht sich nun dafür stark, dass der eigene Anteil an den Pflegekosten wenigstens nicht immer weiter steigen soll. (Mein Kollege Jonas Schaible hat das Konzept hier beschrieben.) Eine Obergrenze soll her, denn bisher zahlt nur die Pflegeversicherung einen festgelegten Satz, während der Rest – egal in welcher Höhe – aus der eigenen Rente, den Ersparnissen oder von den Angehörigen dazukommen muss. Die SPD will die Kosten ihres Plans aus Steuermitteln und aus der Krankenversicherung decken – also vom einzelnen Betroffenen auf die Allgemeinheit verlagern. Gesundheitsminister Jens Spahn von der CDU hält überhaupt nichts von der Idee.

Doch selbst wenn es die Initiative der SPD unverändert in Gesetzesform schaffen würde: Vielleicht sollten wir uns trotzdem bewusst machen, wie klein die Brötchen sind, die wir backen. Hier die große Idee der Sozialversicherung, uns die Furcht vor der Willkür des Schicksals zu nehmen und die Widrigkeiten des Lebens gemeinsam zu schultern – dort die gedeckelte Teilzahlung. Ich möchte einmal den gewagten Gedanken in den Ring werfen: Das können wir besser. Die allgemeine Krankenversicherung haben wir seit 1883, wir verdanken sie Otto von Bismarck. Wir rühmen uns unserer Fortschritte, aber unsere eigenen Visionen können denen aus dem 19. Jahrhundert manchmal nicht das Wasser reichen. Jedenfalls, wenn es um die Pflege geht.

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Ja, aber, werden Sie jetzt vielleicht sagen, wer um Himmels Willen soll es denn bezahlen, wenn die Gebrechen des Alters keine Angelegenheit der Privatschatulle mehr sind? Die Abgaben wären doch irre hoch! Es ist uns zu teuer! Dann schauen Sie doch bitte noch mal eben über den großen Teich: In den USA hören wir dieselben Argumente, nämlich in der Debatte über die… Krankenversicherung, und dort sind sie uns auf einmal fremd. Ein Anachronismus. Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Weil es nicht sein darf, dass man sich Krankheit nicht leisten kann. Klare Sache. Moment, und das Altern in Würde?


WAS STEHT AN?

Deutschland hinkt bei der Digitalisierung auf vielen Feldern hinterher. Die Koalition aus Union und SPD hat sich ganz fest vorgenommen, das schnell zu ändern. Im November hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Interview auf t-online.de ihren Plan für Deutschlands digitale Zukunft erklärt. Bei der konkreten Umsetzung, kann man als Beobachter den Eindruck bekommen, geht es in vielen Bereichen aber allenfalls langsam voran. Trifft diese Kritik zu oder täuscht der Eindruck? Wie will die Regierungszentrale die enormen Herausforderungen beim Netzausbau und bei der künstlichen Intelligenz bewältigen – und kommen nun Uploadfilter oder nicht? Meiner Kollegin Laura Stresing und mir hat Merkels Digitalstratege, Kanzleramtsminister Helge Braun, erklärt, was die Bundesregierung jetzt vorhat.


Der Bundestag debattiert heute darüber, ob vorgeburtliche Bluttests auf das Down-Syndrom künftig von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden sollen. Die Frage wird auch in den Parteien kontrovers diskutiert, denn dabei geht es schnell ums Grundsätzliche: Wenn es der medizinische Fortschritt erlaubt, Krankheiten schon vor der Geburt festzustellen, sollte man dann alles testen können, was möglich ist? Mit allen Konsequenzen – als Beispiel auch Abtreibungen? Die Berliner CDU-Politikerin Jenna Behrends findet: Nein. Hier begründet sie ihre Haltung.


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In der heute erscheinenden “Zeit“ findet sich ein bemerkenswertes Interview: Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes, fordert darin eine schnellere Abschiebung von kriminell besonders auffälligen Zuwanderern. Laut BKA ist der Anteil von Mehrfach- und Intensivtätern unter Zuwanderern mit 33 Prozent überdurchschnittlich hoch. Dies sei auf eine Häufung von Tätern aus bestimmten Herkunftsländern zurückzuführen, etwa aus den Maghreb-Staaten, Libyen und Georgien sowie einigen afrikanischen Staaten. “Diesen gilt es unmissverständlich klarzumachen, dass sie sich an Regeln halten müssen, weil sonst die Aufenthaltsbeendigung droht“, sagt Münch.

Und dann sagt der BKA-Chef noch etwas Interessantes: Er macht die Medien mitverantwortlich für die gestiegene Angst in der Bevölkerung. “Intensive Berichterstattung über Verbrechen, Einzeltaten, über die spektakulär berichtet wird, verzerren die Wahrnehmung von Kriminalität und tragen dazu bei, die Furcht, selbst Opfer eines Verbrechens zu werden, zu steigern.“ Und: “Unsere aktuellen Zahlen aus der Opferbefragung zeigen, dass es unter Frauen eine wachsende Furcht vor sexuellen Übergriffen gibt. Ich glaube, dass das auch mit der intensiven Berichterstattung in den Medien über herausragende Einzelfälle zu tun hat. Das prägt die eigene Wahrnehmung – während die tatsächlichen Fallzahlen sinken.“

Trifft der BKA-Chef da einen wunden Punkt? Es ist nicht die Aufgabe von Medien, Dinge zu verschweigen, im Gegenteil: Wir Journalisten berichten, damit unsere Leserinnen und Leser gut informiert sind, wir holen Informationen ans Licht, die andere vielleicht lieber verbergen würden. Es ist aber zugleich unsere Aufgabe, stets abzuwägen und Informationen so zu gewichten, dass Ereignisse und deren Bedeutung nicht verzerrt werden. Einige Medien haben sich von diesem Prinzip verabschiedet, sie bauschen manche Nachrichten auf, während sie andere unter den Tisch fallen lassen.

Das ist nicht der Weg von t-online.de. Wir wollen stets ausgewogen berichten und bemühen uns um Objektivität. In unseren redaktionellen Richtlinien steht: “Wir rechnen uns keinem politischen oder weltanschaulichen Lager hinzu, wir sind weder links noch rechts, wir stehen in der Mitte der Gesellschaft und auf dem Boden der demokratischen, freiheitlichen und rechtsstaatlichen Grundordnung. Wir haben den Anspruch, das Bedürfnis unserer Nutzer nach fundierten, differenzierten und ausgewogenen Informationen zu bedienen. Wo immer sinnvoll, beleuchten wir nicht nur eine Position zu einem Thema, sondern auch die Gegenposition(en), und argumentieren dialektisch. Wo es ein Einerseits gibt, gibt es auch ein Andererseits. Wir sind die Stimme der Vernunft.“ Und: “Wir kennzeichnen Kommentare, Kolumnen und kommentierende Gastbeiträge immer eindeutig als ‘Meinung‘. Alle anderen Beiträge enthalten ausdrücklich KEINE Meinung.“

Mehr über unser redaktionelles Selbstverständnis erfahren Sie hier.


WAS LESEN?

Dort, wo der US-Präsident Staatsgäste zum Besuch empfängt, müssen ja wirklich strengste Sicherheitsvorkehrungen herrschen. So stellte ich mir das zumindest vor – und schaute dann etwas ungläubig auf die Vorgänge in Donald Trumps Feriendomizil Beach Club Mar-a-Lago in Florida. Dort verschaffte sich eine Chinesin Zutritt, indem sie offenbar den Secret Service überlistete. Später machten die Agenten auf ihrem Hotelzimmer einen brisanten Fund. Spionage? Mein Kollege Jonas Mueller-Töwe berichtet.


Wenn ein ganz großer Sportler abtritt, dann verdient er nicht nur eine Würdigung. Dann verdient er eine Eloge. Also hat mein Kollege David Digili mit Verve in die Tasten gegriffen.


WAS MICH NUR MÄßIG AMÜSIERT

Sicher, auch als Amtsträger darf man mal locker sein. Aber sollte man sich nicht ein gewisses Maß an Würde bewahren, wenn man sich Staatsministerin im Kanzleramt oder Bundesverkehrsminister nennt? Ok, ich sehe schon, ich bin da viel zu spießig. Na dann, hihi:

Ich wünsche Ihnen einen würdevollen Tag.

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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