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Corona-Pandemie: Warum manche Länder besser durch die Covid-19-Krise kommen


Was heute wichtig ist
Manche Länder haben in der Krise einen entscheidenden Vorteil

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 30.04.2020Lesedauer: 7 Min.
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Die begehrten FFP2-Masken werden vor einem Supermarkt in Kiel angeboten. Die Maskenpflicht gilt nun in ganz Deutschland.Vergrößern des Bildes
Die begehrten FFP2-Masken werden vor einem Supermarkt in Kiel angeboten. Die Maskenpflicht gilt nun in ganz Deutschland. (Quelle: Frank Molter/dpa-bilder)

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WAS WAR?

"Nichts ist so wertvoll wie Vertrauen", soll ein weises Wesen gesagt haben, das Konfuzius oder Buddha oder Donald Duck hieß. Wer genau den Geistesblitz hatte, muss uns hier nicht weiter kümmern, allein die Kraft des Gedankens zählt. Und die ist allenthalben groß. Jene Länder bekämen die Corona-Krise besser in den Griff, in denen der Staat ein großes Vertrauen der Bürger genieße: Davon ist man im Kanzleramt überzeugt und zählt im nächsten Atemzug die Bundesrepublik natürlich dazu. Das diktatorische China, das restriktive Singapur, das konsensgetriebene Schweden, das hierarchische Österreich und das föderale Deutschland hätten dieser Logik zufolge also etwas gemeinsam: eine Bevölkerung, die der Regierung zutraut, sie so gut wie eben möglich durch den Virensturm zu lotsen. Bürger, die den politischen Kurs im Großen und Ganzen mittragen, selbst wenn sie nicht für jede Entscheidung einen Orden verleihen würden.

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Es ist eine selbstbewusste und vielleicht auch ein wenig selbstgefällige Analyse. Man mag sie bezweifeln, wenn man in die Jauchegruben des Internets blickt, wo die Hassprediger und Verschwörungstheoretiker ihre trübe Suppe kochen; und auch beim Zappen durch das allabendliche Talkshow-Theater gewinnt man gelegentlich den Eindruck, dass der Herrgott dringend mal wieder Hirn vom Himmel werfen müsste. Doch sollten wir uns den Blick nicht vernebeln lassen: Das sind nur Schlaglichter, oft ebenso schnell gesendet wie anschließend vergessen. Ein Blick in die Demoskopie dagegen bestätigt den Eindruck der Stabilität: Selten zuvor hat die Große Koalition in der Bevölkerung so große Zustimmung genossen wie jetzt, meldete uns Anfang April der ARD-Deutschlandtrend: 63 Prozent der Befragten waren zufrieden oder sogar sehr zufrieden mit der Arbeit der Regierung. Drei Wochen später sind es bei den Kollegen vom ZDF-"Politbarometer" sogar schon 90 Prozent der Befragten, die den Krisenkurs der Regierung begrüßen. Und auch die Forschungsgruppe Wahlen bestätigt den Trend:

Eine beeindruckende Entwicklung. Man muss weder Anhänger der Regierung noch sonst wie parteiisch sein, um an dieser Stelle festzustellen: Es ist sicher nicht verkehrt, wenn in der größten Krise seit Jahrzehnten die Mehrheit der Bevölkerung hinter den Entscheidungsträgern steht. Beschlüsse lassen sich dann schneller umsetzen, Kompromisse eher akzeptieren, Härten leichter erdulden. Und am Ende kommt man mit vereinten Kräften womöglich auch schneller aus der Krise heraus.

Um die Kraft dieses Arguments zu ermessen, müssen wir nur einen Blick über den großen Teich gen Westen werfen, wo die Gesundheitskrise das ohnehin gespaltene Amerika zu zerreißen droht und die einen ihren Präsidenten als Inkarnation des Messias vergöttern, während die anderen tausendmal lieber Donald Duck zum Staatschef hätten als diese Witzfigur. Schon 26 Millionen Amerikaner haben ihren Job verloren, Hunderttausende sind auf Lebensmittelspenden angewiesen, ein Viertel aller Kinder ist von Hunger bedroht, meldete soeben die Hilfsorganisation Feeding America. Hunger in den reichen USA: So absurd das klingt, es ist kein neues Phänomen, wie uns diese Karte zeigt. Aber das miserable Management der Corona-Krise durch den Donald (den echten) und seine Truppe (die rechten) hat die Lage drastisch verschärft: Sie haben das Problem erst ignoriert, dann herunterspielt und schließlich ihre Kraft darauf verwendet, durch Schuldzuweisungen vom eigenen Versagen abzulenken. Kein Wunder, dass so viele Menschen einer solchen Regierung keinen Zentimeter über den Weg trauen. Missmanagement + Massenmisere = Misstrauen: Hätte es noch eines Beweises für diese Gleichung bedurft, dann haben ihn die USA in diesen tragischen Tagen erbracht.

Zurück in heimische Gefilde. Nicht nur die Regierenden, auch die Forscher genießen hierzulande große Anerkennung: Das Vertrauen der Deutschen in Wissenschaft und Forschung sei während der Corona-Pandemie deutlich gewachsen, meldet die Initiative Wissenschaft im Dialog. Drei von vier Bürgern geben in der jüngsten Erhebung an, dass sie Wissenschaft und Forschung vertrauen (in den vergangenen Jahren war es nur die Hälfte). Auch darin dürfen wir ein Zeichen der Stabilität sehen. Selbst wenn man beim Bäcker, vor dem Fernseher oder beim Blick ins Smartphone gelegentlich einen gegenteiligen Eindruck bekommen mag: Die meisten Menschen lassen sich weder von profilierungssüchtigen Politikern noch von vielbeschäftigten Verschwörungsraunern oder von zweifelhaften Zeitungen mit großen Buchstaben ins Bockshorn jagen, sondern behalten einen kühlen Kopf. "Wir sind, was wir denken", hat ein weises Wesen gesagt. Ob es nun Konfuzius, Buddha oder Donald Duck hieß, da ist in jedem Fall was dran.


WAS STEHT AN?

In Corona-Zeiten wird jede Einzelheit entscheidend. Fragen, für die sich normalerweise nur Wissenschaftler und Fachärzte interessieren, entscheiden über Wohl und Wehe der Gesellschaft – und manchmal auch über die familiäre Nestwärme. Gerade läuft der Schulbetrieb wieder an, über die Öffnung von Kitas wird heftig diskutiert, und in der Schweiz wagt sich der Delegierte der Gesundheitsbehörde sogar so weit vor, dass er Großeltern gestattet: "Mal den Enkel in den Arm nehmen, das dürfen sie." Denn man könne "mit recht großer Sicherheit davon ausgehen, dass Kinder nicht die großen Überträger sind" – jedenfalls die im Vor- und Grundschulalter. Moment! Bevor Sie jetzt zum Telefon greifen und einen Besuch bei ihren Enkeln/Neffen/Freunden ankündigen, lesen Sie bitte erst noch die folgenden Zeilen.

Mit der "recht großen Sicherheit" ist es nämlich so eine Sache. Die Briten zum Beispiel treibt gerade das Gegenteil um: Auf der Insel schlagen immer mehr Ärzte Alarm, weil Kinder mit schwersten Entzündungssymptomen auf die Intensivstationen kommen. Auch Todesfälle gab es schon. Die schwerkranken Kinder sind zum Teil positiv auf Covid-19 getestet worden, andere weisen Blutwerte auf, die auf eine vorangegangene Infektion hindeuten. Ein Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ist nicht bewiesen und die Entzündungen sind selten – doch die Beobachtungen und auch das plötzliche Auftreten der Fälle schüren den Verdacht.

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Hier die entspannten Schweizer, dort die alarmierten Briten: Wie passt das zusammen? Zunächst einmal liegt darin kein Widerspruch. Selbst wenn die rätselhaften britischen Beobachtungen auf Covid-19 zurückzuführen sind, bedeutet das nicht automatisch, dass die Kinder das Virus im Rachen oder in der Lunge mit sich tragen und per Atmung, Spucke oder Husten infektiös für andere sein müssen. Trotzdem haben sich die Schweizer Behörden mit ihrer These, Kinder seien nicht ansteckend, weit aus dem Fenster gelehnt – und den Boden der gegenwärtig gesicherten Erkenntnisse verlassen. Sie haben sich dabei auf eine Studie bezogen, die bei Kindern nach Rezeptoren gesucht hat: Anheftungsstellen in der Zellwand, an denen das Virus andocken und in die Zelle eindringen kann. Kinder hätten diese Rezeptoren nicht oder zumindest kaum welche, befanden die Schweizer, deren Studie man allerdings bisher nur vom Hörensagen kennt. Also würden Kinder auch nicht infiziert und steckten erst recht niemanden an.

Wenn das denn bloß so sicher wäre. Eine Untersuchung von mehr als 2.000 mit Covid-19 diagnostizierten Kindern, die aus China stammt und nun in der renommierten US-Fachzeitschrift "Pediatrics" veröffentlicht wird, belegt 731 dieser Infektionen per Labortest. Die Autoren kommen zu dem naheliegenden Schluss, dass Kinder sich sehr wohl anstecken. Ansonsten bestätigen sie, worüber inzwischen Einigkeit besteht: dass Kinder in der Regel nur einen symptomfreien, milden oder bestenfalls mäßig schweren Krankheitsverlauf durchmachen. Auf die Gretchenfrage allerdings, ob Kinder das Virus an die älteren Generationen weitergeben und es von Spielplatz, Kita oder Schule in ihre Familien einschleppen, gibt es noch immer keine befriedigende Antwort. Die ist zurzeit auch nicht einfach zu bekommen, da diese Form der Übertragung während der weltweiten Kontaktsperren seltener stattfinden kann. Angesichts der Erkenntnisse über andere Coronaviren, die schon lange zirkulieren und nur eine leichte Erkältung hervorrufen, ist eine Verbreitung durch Kinder aber alles andere als ausgeschlossen.

Anders gesagt: In der Schweiz hat man sich dafür entschieden, mit der Gesundheit der Großeltern Russisch Roulette zu spielen, anstatt zunächst auf wirklich belastbare Ergebnisse zu warten. In Deutschland debattieren wir derweil noch über die Öffnung von Grundschulen und Kitas – und fragen uns voller Ungeduld, ob wir beim Roulette noch schnell mitmachen wollen. Bei allem Verständnis für die berechtigte Ungeduld von Kindern und Eltern, die es zu Hause nicht mehr aushalten: Das ist ziemlich riskant.


Angela Merkel bittet heute ihre wichtigsten Minister und die Ministerpräsidenten zur Videokonferenz, um über die nächsten Schritte in der Corona-Krise zu beraten. Über deutliche Lockerungen der Kontaktsperre wird aber wohl erst am 6. Mai entschieden, erst dann sind die Folgen der bisherigen Erleichterungen absehbar. Einige Beschlüsse könnte es trotzdem geben: ob die Bundesliga-Klubs Geisterspiele veranstalten dürfen, ob Gottesdienste ab kommender Woche wieder erlaubt werden (ohne Gesang) und ob Großveranstaltungen und Urlaubsreisen ins Ausland ab September wieder möglich sind.


WAS LESEN?

Während CDU und CSU vom Corona-Krisenmanagement profitieren, dümpelt die SPD immer noch im Umfragekeller herum – warum eigentlich? Mein Kollege Patrick Diekmann nennt vier Gründe für die Misere der Genossen, sieht aber auch eine Chance.


Gibt es in besonders vom Coronavirus betroffenen Gegenden mehr Todesfälle als im langjährigen Vergleich? Um die Frage toben im Internet heftige Debatten. Nach rund 100 Anfragen an Gemeinden, Städte, Landkreise und Behörden können unsere Rechercheure Jonas Mueller-Töwe, Laura Stresing und Lars Wienand nun belegen, wo und wie Covid-19 wütet.


Popstars oder Reizfiguren: Virologen können dieser Tage beides sein. Jonas Schmidt-Chanasit ist einer von Deutschlands Top-Virologen und sagt: "Wissenschaft braucht einen geschützten Raum", ein Forscher müsse sich zurückziehen können, um effektiv zu arbeiten. In unserem Podcast "Tonspur Wissen" erntet er aber auch Widerspruch: Die Psychologin Cornelia Betsch sagt, um Wissenschaftler wie Christian Drosten entstehe zwar "eine Art Popkult" – so wachse aber auch das Wissen. Professor Matthias Kleiner von der Leibniz-Gemeinschaft wiederum stellt klar, warum Wissenschaftler die Politik nur beraten, aber nicht selbst entscheiden können. Ursula Weidenfeld hat das Gespräch der drei Koryphäen moderiert.


Weltweit fahnden Forscher nach einem Impfstoff gegen Covid-19. Die Universität Oxford testet nun einen Wirkstoff an Menschen, bis September sollen Millionen Dosen bereitstehen. Wie genau die Substanz im Körper wirkt, erklären Ihnen meine Kollegen Saskia Leidinger, Nicole Sagener und Arno Wölk.


Sind Stoffmasken etwa Virenschleudern? Sollten Senioren länger isoliert werden? Wann kann Deutschland in den Normalzustand zurückkehren? Schwierige Fragen haben Leserinnen und Leser von t-online.de dem Mediziner Dr. Marc Hanefeld gestellt. Seine Antworten sehen Sie in unserem Videoformat "Frag mich", das Nicole Sagener, Lara Schlick und Jerome Baldowski produziert haben.


WAS AMÜSIERT MICH?

Diese Krise beschert uns ja ganz neue Probleme.

Ich wünsche Ihnen einen problemfreien Tag. Wenn Sie den Tagesanbruch per E-Mail abonniert haben, bekommen Sie morgen früh die Feiertagsausgabe geschickt.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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