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Corona: An Jens Spahns Versagen wird man sich erinnern


Tagesanbruch
Eine brutale Wahrheit

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 08.11.2021Lesedauer: 5 Min.
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Behandlung von Corona-Patienten: Lorenz Nowak ist Chefarzt einer Klinik im bayerischen Gauting.Vergrößern des Bildes
Behandlung von Corona-Patienten: Lorenz Nowak ist Chefarzt einer Klinik im bayerischen Gauting. (Quelle: Peter Kneffel/dpa-bilder)

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Jetzt wird es hart

Man mag das eigentlich gar nicht mehr schreiben und am liebsten auch gar nicht mehr denken: Die Lage an der Corona-Front ist wieder verheerend. Seit 20 Monaten plagen wir uns mit diesem Mist herum, wir haben Geduld bewiesen, Verzicht geübt, Ängste ausgestanden, politisches Chaos erduldet, uns über die Impfungen gefreut, auf das baldige Ende der Pandemie gehofft – und nun schlittern wir schon wieder ins Elend hinein. Die meisten Menschen sind geimpft, tragen Maske, verhalten sich umsichtig, doch der Starrsinn einer Minderheit von Impfverweigerern und die Trägheit der Impfkommission bei der Zulassung der Vakzine für Kinder stürzen die gesamte Bevölkerung erneut in eine Notlage. Wir sind wieder da, wo wir vor einem Jahr schon einmal waren.

Diesmal ist das Problem nicht fehlender Impfstoff, sondern allein die Überlastung der Krankenhäuser. Nicht, weil auf den Intensivstationen Platz fehlt, sondern weil es viel zu wenige Pflegerinnen und Pfleger gibt. Wo aufgrund verkorkster Gesundheitspolitik schon seit Jahren Mangel herrschte, haben die Corona-Folgen voll eingeschlagen: Allein zwischen April und Juli 2020 haben 9.000 Pflegekräfte in Kliniken und Seniorenheimen gekündigt, seither sind unzählige weitere hinzugekommen. In einer Abteilung der Uniklinik Marburg hat kürzlich fast die komplette Belegschaft hingeschmissen, nur eine einzige Person wollte noch weitermachen.

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Die Pflegenden haben die Nase voll. Sie haben genug von übergroßer Arbeitslast, permanenten Überstunden, ständigem Infektionsrisiko, schlechter Bezahlung und vor allem der Scheinheiligkeit einer Gesellschaft, die ihnen zwar öffentlich applaudiert, aber sie zugleich wie Handlanger behandelt, wenn es darum geht, Rücksicht zu nehmen, Ansteckungen vorzubeugen, Stundenlöhne zu erhöhen. Man soll mit Superlativen sparsam sein, aber hier passt er: Der größte Fehler, den die Regierenden im Bund und in den Bundesländern, aber auch unsere ganze Gesellschaft in dieser Pandemie gemacht hat, ist es, die Pflegenden im Stich gelassen zu haben.

Das rächt sich nun bitter. In Bayern, Sachsen und Thüringen sind die Intensivbetten bereits zu 90 Prozent ausgelastet. Auch in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen und Brandenburg entwickelt sich die Situation dramatisch. Einige Landkreise melden nur noch ein einziges freies Intensivbett, viele andere haben gar keines mehr (den Überblick finden Sie auf unserer Karte). Kein einziges Bett für Schwerkranke – egal, ob sie unter Covid-19 oder anderen Beschwerden leiden.

Was das bedeutet, dürfen Sie sich ganz plastisch vorstellen: Falls Sie – Gott bewahre! – in einem dieser Landkreise wohnen und morgen einen Herzinfarkt oder einen Autounfall haben, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass der Rettungswagen Sie zunächst einmal viele Kilometer weit an einen anderen Ort karren muss, bevor Sie die beste medizinische Versorgung bekommen. In Momenten, in denen jede Minute zählt, kann das Ihr Todesurteil sein. Und falls Sie die Tortur überstehen, wachen Sie irgendwo auf, wo Sie niemanden kennen und Ihre Angehörigen lange brauchen, um Sie zu besuchen. Verzeihen Sie mir bitte diese drastische Schilderung, aber genau das ist die Übersetzung des Hilferufs von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, der prophezeit, dass wir "in zehn Tagen in manchen Krankenhäusern ein absolutes 'Land unter' haben" werden.

Wir laufen geradewegs in das Drama der vierten Welle hinein, und die gesamte Gesellschaft trägt eine Mitschuld daran. Wir haben monatelang darüber diskutiert, welche Corona-Regeln in Restaurants gelten sollen und welcher Impfstoff vielleicht ein kleines bisschen besser wirkt als andere, aber wir haben das Wichtigste im Kampf gegen das Virus aus den Augen verloren: ein stabiles Gesundheitssystem, das dem Ansturm einer Jahrhundertseuche gewachsen ist. Wenn nachfolgende Generationen auf die Jahre 2020/21 zurückschauen, werden sie über so viel kollektive Inkompetenz und so viel brutale Ignoranz staunen. Die Namen Spahn, Holetschek, Köpping, Werner und wie all die anderen Titelträger in der Gesundheitsministerrunde heißen, wird man dann vergessen haben. Aber an ihr Versagen wird man sich erinnern. Geben Sie bitte auf sich acht. Der Winter wird hart.


USA wieder offen

Hier so, da so: Während die Corona-Regeln hierzulande wieder verschärft werden, gibt es andernorts Lockerungen: Nach anderthalb Jahren Einreisestopp dürfen vollständig Geimpfte von heute an wieder in die USA reisen. Vom Frankfurter Flughafen startet am Vormittag eine ganze Flotte von Passagierjets über den Atlantik.


Neuer Chefgenosse

Das kannte man zuletzt doch eher andersherum: Während die CDU den Nachfolger ihres gescheiterten Vorsitzenden Armin Laschet in einem aufwendigen Verfahren samt Mitgliederbefragung ausknobeln will, scheint bei der SPD gerade alles geschlossen und geräuschlos über die Bühne zu gehen. Nur zehn Tage nach der Ankündigung von Norbert Walter-Borjans, nicht noch einmal anzutreten, will die Parteispitze heute einen Vorschlag für das neue Führungsduo machen. Als Favorit für den Platz neben Saskia Esken, die sich auf dem Parteitag Mitte Dezember erneut zur Wahl stellt, gilt Generalsekretär Lars Klingbeil. Das ist zwar insofern schlüssig, als der 43-Jährige die erfolgreiche Wahlkampagne für Olaf Scholz orchestriert hat und für einen Generationenwechsel steht. Trotzdem überrascht die steile Karriere des Pragmatikers sogar Parteifreunde. Unser Reporter Johannes Bebermeier erklärt Ihnen hier, welchen Qualitäten Herr Klingbeil seinen Aufstieg verdankt.


Plötzlicher Schock

Nach dem Messerangriff in einem ICE in Bayern laufen die Ermittlungen. Noch ist das Motiv des syrischen Täters unklar, aber in Polizeikreisen ist von einer psychischen Störung die Rede. Ein Polizeipräsident aus NRW hat der "Süddeutschen Zeitung" erklärt, wie oft dergleichen in Deutschland vorkommt – und warum es so schwierig ist, Gefährder rechtzeitig zu erkennen.


Grafik des Tages

Sie jetten in Privatjets um die Welt, schippern in Luxusjachten übers Meer, düsen zum Spaß ins All – und verschärfen die Klimakrise damit dramatisch: Amerikanische Tech-Unternehmer, arabische Monarchen, russische Oligarchen, aber auch viele deutsche Superreiche vergnügen sich als ökologische Vandalen auf Kosten der ganzen Menschheit. Klimaaktivisten fordern nun, Vermögenden klare Vorschriften zu machen.

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Was lesen?

Svenja Schulze ist in diesen Tagen sowohl in Glasgow als auch in Berlin gefragt: Auf der Weltklimakonferenz vertritt sie Deutschlands Interessen, bei den Koalitionsverhandlungen stellt sie die Weichen für die Klimarettung. Wie sie das ohne Atomenergie schaffen will, hat sie meiner Kollegin Theresa Crysmann und mir erklärt.


Apropos Klimaschutz: Warum reden wir in Deutschland eigentlich nur über Windkraft und Solarenergie? Die Kollegen der "Welt" haben die unterschätzte Macht grüner Lobbyisten beleuchtet.


Der CDU-Politiker Frank Heinrich saß zwölf Jahre lang im Bundestag. Jetzt wurde er abgewählt – und fühlt sich befreit. Unser Reporter Tim Kummert beschreibt, wie ein Volksvertreter in der Politik fast verloren gegangen wäre.


Was geschieht, wenn ein noch viel tödlicherer Erreger als das Coronavirus vom Tier auf den Menschen überspringt? Die Gefahr ist größer denn je, schreibt der Autor Philipp Kohlhöfer in seinem neuen Buch. Mein Kollege Marc von Lüpke erklärt Ihnen, warum die Erkenntnisse so brisant sind.


Was amüsiert mich?

"Wetten dass…?" am Samstag war ja so lala. Aber wetten, dass ich Ihnen ein paar einfache Alltagsszenen zeigen kann, die Ihnen die Nackenhaare sträuben lassen?

Nehmen Sie's leicht. Ich wünsche Ihnen einen schönen Wochenbeginn. Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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