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Christiania: Polizei gegen Drogenbanden – Ende des Kopenhagener Hippietraums?


Der Staat greift durch
Ende eines Hippietraums?

Von t-online, mtt

Aktualisiert am 11.01.2024Lesedauer: 3 Min.
Polizisten in Christiania: Schon länger streben die Bewohner eine Kooperation mit den Behörden wegen der Gewalt in der Pusher Street an.Vergrößern des BildesPolizisten in Christiania, Kopenhagen (Archivbild): Schon länger streben die Bewohner eine Kooperation mit den Behörden wegen der dort herrschenden Gewalt an. (Quelle: Kristian Tuxen Ladegaard Berg/imago-images-bilder)

Das Gebiet in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen umfasst 34 Hektar und ist berühmt, die Einwohner betrachten ihre Gemeinschaft als freie Stadt. Die Polizei war eigentlich nie gerne gesehen.

Die ersten Bewohner von Christiania strömten 1971 durch ein Loch im Zaun, die Hausbesetzer errichteten in Kopenhagen auf einem ehemaligen Militärgelände eine eigene Kommune. Christiania wurde zum Sehnsuchtsort europäischer Linker und zur Touristenattraktion gleichermaßen. Entscheidungen treffen die rund 1.000 Einwohner im Plenum, es gibt eine eigene Post, eine eigene Währung, aber kein Wohneigentum, keine Mietverträge und keine Polizei. Gegen alle Widerstände ist es ihnen bis heute gelungen, sich in der autonomen Stadt zu behaupten.

Kamen in den vergangenen 50 Jahren Beamte auf das 34 Hektar große Gelände, bedeutete das meist Ärger. 2007 versuchte ein Großaufgebot, in Christiania einzudringen – und scheiterte: Die Polizisten wurden so lange mit Steinen und Molotowcocktails angegriffen, bis sie aufgaben und sich zurückzogen.

Banden und Rocker terrorisieren Christiania

Doch die Zeiten haben sich geändert: Jetzt haben die Bewohner die Beamten wegen eines drängenden Problems selbst gerufen. Denn in einem Teil Christianias, der sogenannten Pusher Street, werden sie der Gewalt nicht mehr Herr.

Kriminelle Banden und Rocker haben den Handel mit dem in Christiania traditionell geduldeten Cannabis an sich gerissen. Hells Angels kämpfen gegen die dänische Straßengang Loyal to Familia, ständig fließt Blut.

Gewalt in der Pusher Street: "Wir fühlen uns machtlos, haben Angst"

Im vergangenen Sommer unternahmen die Bewohner von Christiania den Versuch, die Pusher Street zu verbarrikadieren. In einer Erklärung prangerten sie die "Tyrannei der Gangs und Hardcore-Kriminellen" an. Die Dealer auf der Pusher Street würden die Regeln von Christiania nicht respektieren, hieß es. "Das organisierte Verbrechen saugt die Energie aus all den positiven Dingen, die wir für Christiania wollen. (...) Wir fühlen uns machtlos und haben Angst. Wir sind ganz normale Menschen, die arbeiten und ihren Kindern Lunchpakete packen. Die Banden sind bereit, Gewalt anzuwenden und Menschen zu töten, um ihr Einkommen zu schützen."

Schon am selben Tag waren die Barrikaden in der Pusher Street wieder beiseite geschafft. Keine drei Wochen später fielen Schüsse. Ein 30-Jähriger starb, vier Menschen wurden verletzt. Auch Touristen und andere Unbeteiligte seien getroffen worden, erklärten die Bewohner von Christiania: "Wieder hat ein junger Mensch durch den Bandenkrieg sein Leben verloren. Das hier kann nicht weitergehen. Das darf nicht weitergehen. Das sollte nicht noch mehr Leben zerstören."

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Plenum beschließt: Die Polizei muss helfen

Auch 2021 und 2022 war es schon zu tödlichen Schießereien gekommen, nach dem Blutvergießen 2023 forderten die Bewohner von Christiania geeint die Schließung der Drogenmeile. Es liege in den Händen der Behörden, wie dies ablaufen solle, erklärten sie.

Und die Behörden blieben nicht untätig: Seit diesem Mittwochmittag gilt jetzt zunächst für sechs Monate bis zum 10. Juli eine sogenannte verschärfte Strafzone in und um die alternative Siedlung Christiania. Drogenkäufer und -verkäufer müssen mit deutlich härteren Strafen rechnen, wie die Polizei mitteilte. "Mit der verschärften Strafzone unternehmen wir einen weiteren Schritt in Richtung einer dauerhaften Schließung des Haschischhandels in Christiania", sagte Polizeidirektorin Anne Tønnes.

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Verschärfte Strafzone: "Politik langsam, Banden schnell und brutal"

Die auf einer Gesetzesänderung zum Jahreswechsel beruhende Regelung bedeutet unter anderem, dass Käufer illegaler Drogen bereits beim zweiten Verstoß in der Strafzone mit Gefängnis bestraft werden können. Wer das erste Mal erwischt wird, dem winkt auch bei kleinen Mengen ein Bußgeld in Höhe von 4.000 Kronen (540 Euro) – das ist doppelt so viel wie bislang.

Gelingt es der Polizei, den Handel der Gangs zu unterbinden, wäre das ein historischer Schritt – die Bewohner von Christiania sprechen selbst davon: Seit mehr als 50 Jahren wird schließlich in ihrer Kommune relativ frei sichtbar Cannabis verkauft.

Indes bleiben sie dabei: Es gebe viele Menschen, die Cannabis verantwortungsbewusst konsumieren würden. Das große Problem sei, dass das Rauschmittel in Dänemark illegal sei. "Nehmen wir den Banden die Macht und das Geld weg und verhindern wir die Gewalt, die mit ihrem Kampf um den illegalen Markt einhergeht", fordern die Bewohner, die schon länger mit dem Gedanken gespielt hatten, die Drogengasse dem dänischen Staat zurückzugeben.

Langfristig gelte es aber, Cannabis wie in den USA, Portugal oder Kanada zu entkriminalisieren. Ein staatlich geregelter Markt könne helfen: "Darauf können wir allerdings nicht warten. Die politischen Prozesse sind langsam, während die Banden schnell und brutal handeln."

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