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Todesschuss in Idar-Oberstein: Polizei prüft Twitterprofil von Mario N.


Kassierer erschossen
Polizei prüft Twitter-Profil des Todesschützen

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 22.09.2021Lesedauer: 4 Min.
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Blumen und Kerzen sind vor der Aral-Tankstelle in Idar-Oberstein aufgestellt.Vergrößern des Bildes
Blumen und Kerzen sind vor der Aral-Tankstelle in Idar-Oberstein aufgestellt. (Quelle: Birgit Reichert/dpa./dpa)

Ein Mann erschießt einen 20-jährigen Kassierer in einer Tankstelle. Sein Motiv: die Maskenpflicht. t-online hat recherchiert, was der Mörder zuvor in sozialen Netzen gepostet hat.

Der Todesschütze von Idar-Oberstein war offenbar seit Beginn der Corona-Pandemie ein Gegner von Masken und bezweifelte die Gefahr durch das Virus. Das zeigen Einträge des Mannes in einem sozialen Netzwerk. Der 49-jährige Mario N. hat gestanden, einen 20-jährigen Kassierer an einer Tankstelle in Idar-Oberstein erschossen zu haben, weil er keinen anderen Weg gesehen habe, ein Zeichen zu setzen. Der Student an der Kasse hatte darauf gepocht, dass der Mann die Pflicht zum Tragen einer Maske einhält.

Das Opfer kannte der Mann offenbar vorher nicht. Die Ermittler gehen von langwierigen Ermittlungen zu den Hintergründen aus. "Wir müssen uns jetzt erstmal selbst ein klares Bild machen", sagte Oberstaatsanwalt Kai Fuhrmann. Aus Ermittlerkreisen hieß es, der Mann sei in den Theorien der Corona-Leugner "bewandert". Er war aber nicht straffällig geworden oder von Demonstrationen bekannt.

Einen Einblick vermitteln aber die Aktivitäten des Mannes im Netz. Die Polizei erklärte am Dienstag, man gehe Hinweisen auf das Twitter-Profil des Tatverdächtigen nach. Die Ermittler seien von sehr vielen Nutzern auf den Account des mutmaßlichen Täters hingewiesen worden. Der Mann hatte offenbar in diversen Netzwerken Profile.

Einträge im vor allem beruflich geprägten Netzwerk LinkedIn zeigen: Der Informatiker, der unter anderem Apps entwickelte, war zu Beginn der Corona-Krise schon mit der Messenger-App Telegram vertraut. Telegram gilt als Radikalisierungsinstrument, weil dort fast keine Beiträge gelöscht werden und es auch wenig Widerspruch gibt.

"Wir haben kein Virusproblem"

t-online hat bei dem Messenger-Dienst ein Profil von Mario N. mit seinem Namen gefunden. "Ignorance is the most dangerous type of stupidity", Ignoranz ist die gefährlichste Form der Dummheit" steht als Wahlspruch dabei. Der Account findet sich in keiner der gängigen Gruppen der Querdenker-Szene. Das schließt aber nicht aus, das er dazu weitere Profile nutzte.

Bei LinkedIn gab N. schon im April 2020 Hinweise, Videos mit umstrittenen oder falschen medizinischen Aussagen nicht auf gängigen Videoplattformen zu laden. Unter einem Video "SARS + Corona+ 5G + 60hz + Sauerstoff" mit der Beschreibung "Wir haben kein Virusproblem, sondern ein Sauerstoffproblem", kommentierte er entsprechend. Das Video müsse gespiegelt werden.

Als Alltagsmasken empfohlen wurde und das Bundesgesundheitsministerium dazu einen Beitrag postete, meldete er sich kritisch: "Was ich beunruhigender finde ist die eingeschränkte Atmung." Seine Frau arbeite im Einzelhandel und klage wie viele ihrer Kollegen über Kopfschmerzen und Müdigkeit, "seit sie zum Tragen einer Maske verdonnert sind". Den Lockdown zu dieser Zeit nannte er "unsinnig", er biete aber Unternehmen die unfreiwillige Chance, Abläufe zu prüfen.

Er unterstützte Kommentare, die sich gegen Ausgrenzung richteten

Aus seinen Beiträgen spricht viel Misstrauen in staatliche Institutionen: Er likte unter Postings des Bundesgesundheitsministeriums Reaktionen wie "Ist das RKI denn verlässlich?" oder "Die WHO kann mich mal". Dabei ging es um die WHO-Empfehlung, sich vorbeugend die Hände zu waschen. Daumen nach oben bekam auch ein Kommentar: "Die NWO ist fällig." Von der FDP als Opposition zeigte er sich enttäuscht.

Kein Beitrag löste aber bei ihm so viele Reaktionen aus wie einer unter der Überschrift "Abtauchen in Verschwörungstheorien". Er unterstützte dabei Kommentare, die sich gegen Ausgrenzung richteten. Ihm gefielen dabei auch Beiträge, die kritisch mit Verschwörungsideologien umgingen, anmahnten, auf Freiheit und Einhaltung der Rechte zu achten. Sein einziger Kommentar war dort die Frage, ob die Todeszahlen wirklich stimmten.

Viele seiner Likes galten Kommentaren, die Offenheit für Argumente Andersdenkender forderten und einen engen Meinungskorridor beklagten. Er likte dabei aber auch den Beitrag eines Nutzers, der schrieb, man gewöhne sich an den kleineren Freundeskreis und daran, Spinner genannt zu werden. Der Kommentar kommt von einem Nutzer, mit dem er viel interagiert und der die Existenz der Bundesrepublik in Zweifel zieht.

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N.s mutmaßlicher Twitter-Account folgt AfD und Maaßen

Der auf Verschwörungsideologien spezialisierte Thinktank CeMAS stieß früh auf den Twitter-Account, den CeMAS dem Mann zuordnet und den die Polizei nun prüft. Der Account folgt vor allem Accounts der AfD, aber auch Hans-Georg Maaßen. In einem Beitrag schreibt er im September 2019, er freue sich auf den nächsten Krieg. "Wir kommen aus dieser Spirale einfach nicht raus."

Der Twitter-Account ist seit Oktober 2019 inaktiv. Im beruflichen Netzwerk herrschte seit rund vier Monaten Stille.

Sagen solche Erkenntnisse etwas über die Tat aus? Kriminalpsychologin Lydia Benecke mahnt: Psychische Hintergründe würden bei einer forensischen Begutachtung des mutmaßlichen Täters geklärt werden. "Auch wenn viele Menschen sich nun eine schnelle Antwort auf die Frage wünschen, warum eine solche Tat begangen wurde: Diese ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich", sagte Benecke der dpa. "Für eine solche Tat kann es sehr unterschiedliche Hintergründe geben." Es müsse auch untersucht werden, ob eine psychische Störung oder die Wirkung von Alkohol oder Drogen eine Rolle spielten.

Anmerkung der Redaktion: Der Text wurde mit der Information aktualisiert, dass die Polizei den Twitter-Account prüft.

Verwendete Quellen
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