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Ukrainekrieg: Es gibt Menschen, die haben dringendere Sorgen


Ab 17 Uhr schwiegen die Waffen


Aktualisiert am 22.02.2023Lesedauer: 5 Min.
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung ΓΌbernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Berlin nach Kriegsende 1945.
Berlin nach Kriegsende 1945. (Quelle: via www.imago-images.de)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

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Manche historische ZΓ€suren werden nicht von jedem sofort erkannt. Es kommt auf die Perspektive an. FΓΌr einen Ukrainer ist die Welt seit fast einem Jahr eine vollkommen andere als zuvor; Putins Angriffskrieg erschΓΌttert tΓ€glich das Leben von Millionen Menschen, fordert erbarmungslos seine Opfer. Aus Sicht einer Kiewerin wie Natalia Komarowa ist es vollkommen unverstΓ€ndlich, dass schon Hunderttausende Deutsche das beschwichtigende Manifest von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer unterschrieben haben. In einem Gastbeitrag begrΓΌndet die Dolmetscherin ihr Entsetzen ΓΌber den Aufruf.

Die meisten Bürger im Nachbarland Polen haben ebenso wenig VerstÀndnis für das Relativieren der russischen Bedrohung. Joe Bidens Rede gestern Abend in Warschau werden sie mit Erleichterung gehârt haben: "Jedes Mitglied der Nato weiß es, und Russland weiß es auch: Ein Angriff gegen einen ist ein Angriff gegen alle. Es ist ein heiliger Eid, jeden Zoll Nato-Gebiet zu verteidigen", stellte der US-PrÀsident klar. "Das, was hier auf dem Spiel steht, ist die Freiheit. BrutalitÀt wird niemals den Willen der Freien zermalmen."

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Viele Russen wiederum sehen den Krieg ganz anders, was auch der Propaganda des Kremls geschuldet ist: Seit Jahren trichtern Putins Handlanger den Menschen zwischen Moskau und Wladiwostok ein, dass sie vom "bΓΆsen", "schwulen", "verdorbenen" Westen attackiert wΓΌrden und sich deshalb in einem "Überlebenskampf" befΓ€nden. In den sozialen Medien finden sich zahlreiche Videos von Russen, die Putins "Spezialoperation" gegen die angeblich abtrΓΌnnigen Ukrainer gutheißen und dem Kremlchef die Treue halten, obwohl er so viel Grauen anrichtet. Nur langsam scheint sich die Stimmung zu verdΓΌstern – immer mehr SΓ€rge kommen von den ukrainischen Schlachtfeldern zurΓΌck, immer mehr sanktionierte Waren fehlen in den GeschΓ€ften. Mit seiner mΓΌden "Rede an die Nation" konnte Putin gestern noch nicht einmal mehr seine AnhΓ€nger begeistern; einige ZuhΓΆrer nickten sogar ein. "Dieser PrΓ€sident hat nichts mehr zu bieten", kommentiert meine Kollegin Clara Lipkowski.

Ein durchschnittlicher Einwohner Mumbais, Johannesburgs oder Rio de Janeiros wiederum mag ebenfalls seine Sorgen haben. Der Krieg in der Ukraine gehârt eher nicht dazu. Zigtausende Kilometer entfernt in Europa schlagen sich zwei Vâlker die Kâpfe ein? Mag sein, aber der tÀgliche Dauerstau auf den Straßen und die Bandengewalt in den Townships und Favelas sind dann doch dringendere Probleme.

Auch wer in Tel Aviv lebt, denkt gerade wohl an anderes als den Donbass. Der dreiste Angriff der Netanjahu-Regierung auf die UnabhΓ€ngigkeit der Gerichte erschΓΌttert Israel und vertieft die GrΓ€ben in dem gespaltenen Land. So kΓΆnnte man weitermachen und auch noch in die Hungergebiete Ostafrikas, die FlΓΌchtlingslager in Bangladesch oder die Elendsviertel in Mexiko schauen: Vielerorts haben die Menschen gerade dringendere Sorgen als wir hier in Europa mit dem Krieg.

Trotzdem ist der Krieg in der Ukraine eine historische ZΓ€sur mit weltweiten Folgen. Sein Ausgang wird darΓΌber entscheiden, ob in der internationalen Politik die Regeln des zivilisierten Umgangs kΓΌnftig noch eine Chance haben – oder nur noch das Recht des StΓ€rkeren gilt. Setzt Putin sich durch, werden sich Despoten von Belarus ΓΌber Teheran bis Peking ermuntert fΓΌhlen, dem Kremlherrscher nachzueifern und ihre EroberungsgelΓΌste rΓΌcksichtslos auszuleben. Man mag es sich eigentlich gar nicht ausmalen, was fΓΌr eine Welt das wΓ€re, aber wir sollten der Gefahr ins Auge sehen: Es wΓ€re eine Welt, in der fortwΓ€hrend mit Angriffskriegen, mit noch mehr Tod, noch mehr ZerstΓΆrung, noch mehr FlΓΌchtlingen zu rechnen wΓ€re. Das kann niemand wollen, der klar bei Verstand ist. Auch deshalb muss der Aggressor zurΓΌckgedrΓ€ngt werden, deshalb muss die ganze Welt sehen, dass er nicht gewinnt.

Nicht jeder will das heute schon so sehen – auch, weil eben anderes wichtiger erscheint. Aber jeder sollte wissen, dass sich die Dimension historischer ZΓ€suren manchmal erst in der RΓΌckschau erschließt. Es kann helfen, nicht nur im Hier und Heute zu verharren, sondern sich einiger dieser ZΓ€suren zu erinnern. Zum Beispiel jener in Berlin vor 78 Jahren.

Es ist allgemein bekannt, dass das Nazi-Reich im FrΓΌhjahr 1945 kurz vor dem Fall stand. Viele wissen auch, dass der "FΓΌhrer" noch kurz vor seinem Selbstmord Hitlerjungen ins letzte Gefecht schickte. Manche wissen auch, dass die letzten deutschen Soldaten in Berlin gegen 17 Uhr am 2. Mai die Waffen streckten und tags darauf SowjetgenerΓ€le durch die zerschossene Hauptstadt schlenderten, vorbei am ausgebrannten Reichstag, ausgebombten Familien und TrΓΌmmerbergen. Man kann das wissen oder zumindest eine ungefΓ€hre Ahnung davon haben, was damals geschah. Doch es ist etwas vollkommen anderes, diese Szenen in bewegten Bildern und teils sogar in Farbe zu sehen. Deshalb tun Sie mir bitte einen Gefallen, egal, wo auf der Welt Sie sich gerade aufhalten. Nehmen Sie sich heute ein paar Minuten und schauen Sie sich das an:


Termine des Tages

Joe Biden hΓ€lt die demokratische Welt gegen Diktatoren zusammen.
Joe Biden hΓ€lt die demokratische Welt gegen Diktatoren zusammen. (Quelle: Evan Vucci/AP)

Am zweiten Tag seines Polen-Besuchs trifft US-PrΓ€sident Joe Biden Vertreter osteuropΓ€ischer Nato-Staaten. Zu der Gruppe im "Bukarest 9"-Format gehΓΆren neben Polen auch RumΓ€nien, Bulgarien, Ungarn, Tschechien, die Slowakei sowie die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen. Auch Nato-GeneralsekretΓ€r Jens Stoltenberg kommt dazu. Ein starkes Signal.

Chinas Diktatoren schwanken zwischen unverhohlener UnterstΓΌtzung des Moskauer Despoten und vagen Friedensbekundungen, um die westlichen Handelspartner nicht zu verprellen. Spitzendiplomat Wang Yi hat eine Initiative angekΓΌndigt und macht heute dem Kremlchef seine Aufwartung. Wir sollten jedes seiner Worte auf die Goldwaage legen.

Die Vereinten Nationen widmen ihre Vollversammlung dem Jahrestag des russischen Einmarschs in die Ukraine. Außenminister aus zahlreichen LÀndern sprechen in New York, am Ende wollen sie eine Resolution verabschieden. Auch da sollte man Chinas Verhalten genau beobachten.

Der Internationale Gerichtshof in Den Haag entscheidet ΓΌber den Konflikt um Berg-Karabach. Sowohl Armenien als auch Aserbaidschan haben das Gericht angerufen.

Das Bundesverfassungsgericht verkΓΌndet sein Urteil zur AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Die Extremistenpartei verlangt fΓΌr ihre Hetze auch noch Staatsgelder.

Die anderen Parteien widmen sich heiteren Dingen: Beim politischen Aschermittwoch kreuzen SΓΆder, Lindner, Klingbeil, Lang und Co. rhetorisch die Klingen.

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Was lesen?

"Dann ruinieren wir unser Land", warnt Christian Lindner.
"Dann ruinieren wir unser Land", warnt Christian Lindner. (Quelle: dpa)

Gut 100 Leser haben sich nach unserer Berichterstattung ΓΌber die ungleiche Behandlung von Betriebsrentnern gemeldet: Alle sind sauer. Mein Kollege Carsten Janz hat die Geschichte eines Lehrers aufgeschrieben, der bis zu 1.000 Euro weniger Rente bekommt als sein verbeamteter Kollege.


Bei Instagram behauptet eine junge Frau, die verschwundene Maddie McCann zu sein. Was lΓΆst das bei den Eltern aus, die ihr Kind seit fast 16 Jahren vermissen? Meine Kollegin Camille Haldner hat einen Trauma-Experten gefragt.


Trainer Nagelsmann rastet aus, Angreifer SanΓ© kommt zu spΓ€t, Torwart Neuer rechnet mit dem Klub ab: Beim FC Bayern brodelt es. Entgleitet den Bossen der Verein? Meine Kollegen Robert Hiersemann und Florian Wichert haken nach.


Was amΓΌsiert mich?

Der eine so, die andere so.

(Quelle: Mario Lars)

Wie auch immer Sie denken, ich wΓΌnsche Ihnen einen schΓΆnen Tag. Morgen schreibt Steven Sowa den Tagesanbruch, von mir lesen Sie am Freitag wieder.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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Von Florian Harms
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