"Niemals!"
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Die Rede Joe Bidens in Warschau handelte vom Dank an die Ukrainer, die Polen und den Rest Europas. Weil es aber um mehr als den Krieg geht, erwartet er auch mehr von den Partnern.
Als Joe Biden seine rund zwanzigminΓΌtige Rede vor dem Warschauer Schloss beendet hat, rennen ein paar Kinder auf die BΓΌhne. Sie schwenken polnische, amerikanische und ukrainische Fahnen. Der sonst durchgehend abgeschirmte US-PrΓ€sident nimmt sie in den Arm und lΓ€sst sich von der jubelnden Zuschauermenge mit ihnen fotografieren.
Diese Bilder sind gewollt, und sie sollen das Kernthema von Bidens Rede so nah am Kriegsgeschehen in der Ukraine unterstreichen. Es geht in diesem Abwehrkampf gegen Putin und alle anderen Autokraten dieser Welt um die Zukunft der kommenden Generationen. Ob Peking, Teheran oder Moskau β Biden hat mit seinen Worten die Diktatoren in der ganzen Welt gemeint. Russland ist dafΓΌr nur das aktuellste und das wohl drastischste Beispiel.
"Sie haben Zivilisten mit Tod und ZerstΓΆrung ΓΌberzogen und Vergewaltigung als Kriegswaffe eingesetzt. Sie haben ukrainische Kinder entfΓΌhrt, ein Versuch, die Zukunft der Ukraine zu stehlen", rief Biden. Und er griff die Kongress-Rede des ukrainischen PrΓ€sidenten vom Dezember in Washington auf. Wolodymyr Selenskyj habe darauf hingewiesen, dass es nicht nur um die ukrainischen Kinder gehe, sondern um unser aller Kinder und Kindeskinder, so Biden.
Die gestiegenen Erwartungen der Amerikaner
Die Worte des US-PrΓ€sidenten sind voller Dank, insbesondere an das polnische Volk. Er wΓΌrdigt, dass die Menschen dort eine so gigantische Anzahl von FlΓΌchtlingen aus der Ukraine aufgenommen haben. Auch die EuropΓ€ische Union als Ganzes sei aufgestanden, um sich Putins Krieg entgegenzustellen. "In einer nie dagewesenen Weise", sagte Biden.
Im Dank an die Polen und die EuropΓ€er steckt auch eine amerikanische Erwartung. "Seht euch um, schaut einander an und werdet euch darΓΌber im Klaren, was ihr alles schon geschafft habt", richtete sich Biden an die ZuhΓΆrerinnen und ZuhΓΆrer. Es klingt wie eine Ermutigung: Ihr kΓΆnnt viel mehr selber schaffen, als ihr womΓΆglich denkt. Die Amerikaner haben im Pazifik mit China noch eine andere Baustelle.
Die eigene Verpflichtung bleibt
Zugleich war Bidens Rede eine klare Verpflichtung, die Ukraine auch weiterhin mit groΓen Mitteln zu unterstΓΌtzen. "Die Ukraine wird niemals zu einem Sieg fΓΌr Russland. Niemals", rief der PrΓ€sident und kΓΌndigte fΓΌr die kommenden Tage zugleich neue Sanktionen der USA und ihrer Partner gegen Russland an. Seine Worte waren auch ein klares Bekenntnis zur Nato. Jeder Zentimeter des BΓΌndnis-Territoriums werde verteidigt. Das sei ein "heiliger Eid". Was Putin nach einem Jahr erreicht habe, sei die "Nato-isierung Finnlands und Schwedens", sagte Biden.
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Wer ein Fernduell mit dem russischen PrΓ€sidenten erwartet hatte, wurde allerdings enttΓ€uscht. Einige waren davon ausgegangen, dass Joe Biden auf Wladimir Putins heute verkΓΌndete Aussetzung des Atomwaffensperrvertrages eingehen wΓΌrde. Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan hatte aber schon vor dem Auftritt betont, dass es nicht um einen offenen Schlagabtausch gehen solle.
Nachdem der US-PrΓ€sident im vergangenen Jahr bei seiner Warschauer Rede indirekt zu einem Sturz Putins aufgerufen hatte, richtete sich Biden dieses Mal mit anderen Worten an das russische Volk. "Ich spreche hiermit noch einmal zu den Menschen in Russland. Die Vereinigten Staaten und die Nationen Europas versuchen nicht, Russland zu kontrollieren oder zu zerstΓΆren", so Biden.
Bidens groΓes Ziel
Ein Jahr nach dem Einmarsch Putins in der Ukraine stehe Kiew noch immer, und zwar als freie Stadt. Die Autokraten dieser Welt, sagte Biden, seien jetzt geschwΓ€chter β und nicht etwa stΓ€rker geworden. "Das, was hier auf dem Spiel steht, ist die Freiheit", so der PrΓ€sident. "BrutalitΓ€t wird niemals den Willen der Freien zermalmen."
Vor einem Jahr war noch nicht klar, dass die Nato und ein groΓer Teil der Welt den Krieg in der Ukraine zum Anlass nehmen wΓΌrden, fΓΌr diese Freiheit gemeinsam zu kΓ€mpfen. Ohne die Amerikaner wΓ€re das nicht geschehen. Ohne engagierte EuropΓ€er aber auch nicht. Das klarzumachen, ist Bidens groΓes Anliegen. Es ist FΓΆrdern und Fordern.
- Eigene Recherchen und Beobachtungen
- Livestream der Rede
- Presse-Hintergrund mit Jake Sullivan