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Charles' Staatsbesuch: Humor können die Deutschen von den Briten lernen


Tagesanbruch
Heute ein König

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 29.03.2023Lesedauer: 7 Min.
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Eric Idle in der Komödie "Und ewig schleichen die Erben" aus dem Jahr 1993.Vergrößern des Bildes
Eric Idle in der Komödie "Und ewig schleichen die Erben" aus dem Jahr 1993. (Quelle: Imago Images)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

die deutsche Geschichte hat es so gefügt, dass wir kein königliches Oberhaupt mehr haben. Das ist angesichts des Schlamassels, den der letzte gesamtdeutsche Monarch anrichtete, einerseits ein Segen. Andererseits können wir uns gelegentlich neidische Blicke nicht verkneifen, wenn wir zu den Briten aufblicken: Royaler Glanz hat unbestreitbar etwas für sich, und der Unterhaltungswert all der Skandale ist ohnehin nicht zu toppen. Erst recht, wenn ein exzentrischer Zeitgenosse wie Charles Philip Arthur George aus dem Hause Windsor auf dem Thron sitzt.

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Heute kommt er also nach Deutschland, dieser Charles. Weil die Franzosen gerade Rabatz auf den Straßen machen, musste seine Antrittsvisite in Paris verschoben werden – so werden also wir "Krauts" mit dem ersten Staatsbesuch des neuen Königs beehrt. Das Programm ist penibel vorbereitet worden und berücksichtigt sowohl protokollarische Verpflichtungen und Tribute an die Historie als auch persönliche Interessen des Gastes:

  • Am frühen Nachmittag landet Charles III. nebst Gattin Camilla auf dem Hauptstadtflughafen in Berlin. Dann Fahrt im Bentley zur britischen Botschaft in der Innenstadt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Gattin Elke Büdenbender empfangen das Königspaar mit militärischen Ehren vor dem Brandenburger Tor. Es folgt eine Runde zum Thema "Energiewende und Nachhaltigkeit" im Schloss Bellevue. Am Abend festliches Staatsbankett (die Herren tragen Frack). Dann Übernachtung im Hotel Adlon (hier Bilder der Suite).
  • Morgen erweist Bundeskanzler Olaf Scholz dem König die Ehre, bevor dieser mit Noch-Bürgermeisterin Franziska Giffey über einen Bio-Wochenmarkt schlendert (er ist ein großer Umweltfreund). Anschließend hält Charles als erster Monarch eine Rede im Bundestag. Dann Treffen mit ukrainischen Flüchtlingen. Nachmittags weiter nach Brandenburg, wo Soldaten des deutsch-britischen Pionierbrückenbataillons eine Übung vorführen. Anschließend Besichtigung eines Bauernhofs (wieder Bio).
  • Am Freitagmorgen gondelt das Königspaar in Begleitung des Bundespräsidenten mit der Bahn nach Hamburg, wo es am Kindertransportdenkmal Blumen niederlegt. Die Skulptur erinnert an eine der spektakulärsten Rettungsaktionen vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs: Mehr als zehntausend jüdische Kinder wurden per Zug und Schiff nach England gebracht. Dann noch ein Kranz am Mahnmal St. Nikolai: Die Kirche fiel den Luftangriffen der Alliierten zum Opfer. Schließlich eine Hafenrundfahrt mit Hamburger Unternehmern und zu guter Letzt ein Empfang im britischen Konsulat.

Großer Rummel also. Medien werden livetickern, auf Twitter wird geschnattert, auf Instagram Geknipstes in die Welt gejagt. Und dann rauscht der Monarch wieder ab, und alles ist wie vorher: Wir Deutschen sind aus Sicht der Briten etwas zu steif und etwas zu mächtig, die Briten sind in unseren Augen ein wenig wunderlich mit ihrem Brexit-Chaos und ihren Schrullen. Muss aber nicht weiter stören, man kommt ja auch nebeneinander klar. So viel verbindet uns dann eben doch nicht.

Moment, so viel verbindet uns nicht? Welch ein Quatsch! Ohne die Briten wäre unser Leben ärmer, und das liegt tatsächlich an den Königen. Allerdings nicht an denen im Buckingham Palace, sondern an denen auf der Leinwand und der Flimmerscheibe: Die Briten sind die unangefochtenen Könige des schwarzen Humors – und einer der größten Quatschmacher hat heute ebenfalls einen großen Tag: Eric Idle feiert seinen 80. Geburtstag.

Wie, den kennen Sie nicht? Da wäre ich nicht so sicher. Ich sage nur: "Die wunderbare Welt der Schwerkraft." Na, klingelt es? Okay: "Der Sinn des Lebens." Immer noch nichts? "Die Ritter der Kokosnuss." Na gut, nun aber: "Das Leben des Brian." Und natürlich die TV-Sketche im "Flying Circus". In all diesen Klassikern der britischen Komikertruppe Monty Pythons hat Mister Idle in den Siebziger- und Achtzigerjahren brilliert.

Schon sein Gesicht ist ein Witz, dafür muss er noch nicht mal eine Fratze ziehen. Der Hundeblick, der binnen einer Sekunde von deppert auf empört umschalten kann. Die Nase, die viel mehr als nur eine Nase ist. Der beleidigt geschürzte Mund, aus dem Laute kommen, die andere Leute noch nicht einmal denken können. Schauen Sie nur mal hier und hier.

Gemeinsam mit seinen Kumpanen brachte Eric Idle den schwarzen Humor zur Blüte: mal respektlos und bitterböse, mal klamaukig und absurd, aber fast immer schreiend komisch. Ihre Sätze werden weltweit zitiert, "Knick-knack, Sie wissen schon!" Dutzende Szenen sind ins popkulturelle Gedächtnis eingegangen – vom feilschenden Barthändler in Jerusalem über Ritter Feigling bis hin zum Ministerium für alberne Gangarten. Und stets war Eric Idle mittendrin: als Schauspieler, Szenenschreiber, Filmproduzent, Regisseur, Romanautor, Komponist. Natürlich hat er auch den größten Monty-Python-Hit komponiert, in dem er uns mit fröhlichem Sarkasmus daran erinnert, dass selbst die misslichste Lage (in diesem Fall ein Kreuz) noch Lichtblicke bietet. Das ist so herrlich anmaßend und absurd, dass es gar nicht blasphemisch sein kann.

Woher er seinen Humor habe, wurde der Komiker mal gefragt. Da erzählte er von seiner Kindheit in einem Internat in Wolverhampton, in dem Schikanen und Gewalt an der Tagesordnung gewesen seien: "Ich gewöhnte mich daran, mit Jungsgruppen umzugehen, mit dem Leben unter unangenehmen Umständen zurechtzukommen und schlau und witzig und subversiv auf Kosten der Autorität zu sein. Perfektes Training für Python!"

Aus dem Elend kann der größte Spaß entstehen: Das ist doch mal eine königliche Botschaft!


Der Ohrenschmaus …

kommt heute natürlich von seiner Majestät Sir Eric himself. Drehen Sie also die Lautstärke auf und freuen Sie sich über die hellen Seiten des Lebens!


Schluss mit lustig

Eine neue Kultur des Miteinanders wollten SPD, Grüne und FDP begründen. Politik sollte sich nicht mehr wie in Merkels Großen Koalitionen auf die kleinsten gemeinsamen Nenner beschränken, sondern eine Erzählung zur Fortentwicklung der Gesellschaft entwerfen: So traten die Ampelparteien im Dezember 2021 an. 15 Monate später sind von der konstruktiven Kultur nur noch Scherben übrig, quälen sich die Koalitionäre durch den politischen Alltag. Die Koalitionsausschusssitzungen ziehen sich Tage hin, zwischen Ministern herrscht Missgunst statt Vertrauen, während das halbe Land verärgert zuschaut. In den Umfragen sind die Ampelparteien abgeschmiert.

Keine Frage: Die politischen Herausforderungen sind immens, auch weil die vergangenen Regierungen so viel liegen ließen. Das ist eine Erklärung für die Komplexität der Probleme, aber keine Entschuldigung für das Theater, das die Ampelparteien seit Wochen aufführen. Die Grünen-Vorkämpfer Habeck und Baerbock einerseits sowie die FDP-Siegelbewahrer Lindner und Wissing andererseits haben offensichtlich keinen guten Draht mehr zueinander, von Miteinander ist nur noch wenig zu sehen. Der Kanzler versucht den Dauerzwist mit Kindergartensprache schönzureden, indem er ständig die "sehr, sehr guten Gespräche" und die "vielen, vielen Gemeinsamkeiten" beschwört, die jedoch außer ihm kaum noch jemand wahrnimmt. Auch mit unangemessener Sprache kann man Autorität verspielen.

Nach fast 30-stündigen Verhandlungen sind die Chefs von SPD, Grünen und FDP gestern Abend vor die Presse getreten. Mit Ringen unter den Augen erklärten sie ihren Kompromiss zur "klimafreundlichen Transformation der Wirtschaft": Die Lkw-Maut soll im kommenden Jahr steigen, um mehr Geld für den Ausbau der Bahn zu haben. Schnellere Planungsverfahren bei Verkehr und Windkraft werden angestrebt und 144 Autobahnprojekte durchgezogen. Auch eine Änderung des Klimaschutzgesetzes ist geplant: Die Ampelregierung will die Emissionsvorgaben für einzelne Wirtschaftssektoren aufgegeben. Das von Robert Habeck vorgeschlagene Verbot von Öl- und Gasheizungen wird entschärft. (Mehr in der Analyse meiner Kollegen Johannes Bebermeier und Sven Böll.)

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Und dafür brauchten die nun das wochenlange Gezeter in Talkshows und eine bis zur Erschöpfung reichende Marathonsitzung? "Von Harmonie ist in der Koalition kaum noch etwas zu spüren, das Ampel-Märchenland ist abgebrannt", kommentiert unser Reporter Tim Kummert. Eher sehen wir ein paar gesichtswahrende Kompromisse, viele Absichtserklärungen und eine Rettung in letzter Minute: Der Koalitionsbruch ist gerade noch mal abgewendet worden. Nicht ausgeschlossen, dass er nur aufgeschoben ist. Die nächsten Koalitionsausschüsse kommen bestimmt.


Offensive in Aussicht

Die ersten 18 deutschen Leopard-2-Panzer sind an der ukrainischen Grenze übergeben worden, ebenso rund 40 Marder-Schützenpanzer. Auch die ersten britischen Kampfpanzer vom Typ Challenger hat der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow begeistert in Empfang genommen.

Aber reicht das schon, um den in Bachmut bedrängten und unter Drohnenbeschuss leidenden Ukrainern die erhoffte Frühjahrsoffensive zu ermöglichen? Der Vorstoß könnte in Richtung der besetzten Stadt Melitopol gehen. Strategisch wichtig wäre nicht nur die Befreiung des Kernkraftwerks Saporischschja, sondern auch die Möglichkeit, russische Versorgungslinien zu kappen und von dort aus Druck auf die Krim auszuüben. Experten mahnen allerdings zur Vorsicht: Russland hat umfangreiche Befestigungen errichtet und dank der Teilmobilisierung wesentlich mehr Soldaten in der Ukraine stehen als im Vorjahr.


Brisante Klimaklage

Einen weiten Weg haben die Schweizer Klimaseniorinnen schon hinter sich: Mehr als 2.000 Frauen, im Durchschnitt 73 Jahre alt, haben sich zusammengeschlossen, um ihre Regierung zu verklagen, weil diese sie nicht genügend vor den Folgen der Klimakrise schütze. Ihr Argument: Hitzewellen sind für ältere Menschen besonders gefährlich, für Frauen in noch stärkerem Maße als für Männer. Doch an Schweizer Gerichten blitzten sie mit ihrer von Greenpeace initiierten Klage über mehrere Jahre hinweg ab, weswegen sie im Herbst 2020 vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nach Straßburg zogen. Wenn dort heute Morgen öffentlich darüber verhandelt wird, ob Staaten ihre Bürger besser vor dem Klimawandel schützen müssen, ist dies die erste Klimaklage vor einem Gericht, das fast für einen ganzen Kontinent zuständig ist. Zudem geht es um die Grundsatzfrage, ob Klimaschutz ein Menschenrecht ist. Für die Damen ist allein das schon ein Erfolg.


Lesetipps

Wo bekommt man trotz Inflation zu fairen Preisen gute Lebensmittel? Meine Kollegin Christiane Braunsdorf hat den Verbraucherschützer Thilo Bode gefragt. Seine Antwort ist eindeutig.




Wie lief das erste Training von Thomas Tuchel beim FC Bayern ab? Unser Fußballreporter Julian Buhl war dabei.


Zum Schluss

Ach ja, die Ampel …

Ich wünsche Ihnen einen gut orientierten Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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