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München: Dieser 18-jährige Aktivist startete die "Großdemo gegen rechts"


Klima, Feminismus und Antifaschismus
"Ich lese kein Marx und Engels": Wer ist Luca Barakat?

Von Sara Guglielmino

02.02.2024Lesedauer: 4 Min.
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Der 18-jährige Aktivist Luca Barakat.Vergrößern des Bildes
Der 18-jährige Aktivist Luca Barakat. (Quelle: Luis Schmidt Eisenlohr)

Er war Strippenzieher bei der "Großdemo gegen rechts" und einer der ersten Münchner Fridays for Future-Aktivisten. Im Netz wird er dafür angefeindet.

Luca Barakat liest oft Zeitung. Die gedruckte, am liebsten diejenigen, die er an der U-Bahnstation aus dem Ausstellkasten mitnehmen kann. Zwei davon liegen am Mittwoch Mittag auf seinem Tisch, er war gerade dabei, sie durchzublättern. Barakat sitzt im MHDS, dem "Münchner Haus der Schüler*innen", wo auch Teile der Münchner Klimabewegung organisiert sind. An einer Pinnwand lehnen Pappschilder. "Lieber solidarisch als solide arisch" steht da. Oder "Fck AfD".

Barakat ist 18 Jahre alt und ein politischer Mensch. Mit 13 Jahren trat er der SPD und ihrer Jugendorganisation, den Jusos, bei. Ein großer Fehler, wie er heute sagt. Inzwischen sei er bei den Grünen, "aber nur noch als kritisches Mitglied", betont Barakat. Abitur wollte er nie machen, dafür sei er zu faul und zu schlecht, so seine eigene Aussage. "Ich lese auch kein Marx oder Engels", sagt er. Stattdessen tue er, was getan werden muss. Als Aktivist.

Barakat war Strippenzieher bei der "Großdemo gegen rechts"

Er war einer der Strippenzieher bei der Münchner "Großdemo gegen rechts", die Ende Januar Hunderttausende Menschen auf die Straße brachte und ihren Protest gegen die in Teilen rechtsextreme AfD einte. Aber Barakats Engagement begann nicht im Antifaschismus, sondern in der Klimabewegung.

Er war bei der allerersten Fridays For Future-Demonstration in München dabei, erzählt er. Das sei 2018 gewesen, nur kurz nachdem Klimaikone Greta Thunberg aus Schweden weltweit zum Schulstreik für das Klima aufgerufen hatte. Schnell wurde Barakat Mitorganisator. Es sollte nicht nur beim Klimaaktivismus bleiben.

Als früherer Rammsteinfan stellt er sich auf die Seite der Opfer

Sein Engagement schwappte über auf andere Bereiche: Heute setzt er sich auch für Feminismus ein. Erst recht, wenn es um Missbrauch geht. "Ich will, dass Opfern geglaubt wird", sagt er. Als die Band Rammstein im Juni ihr großes Konzert in München gab, organisierte Barakat eine Demonstration vor dem Olympiastadion. Wenige Tage zuvor wurde der Vorwurf laut, dass Frontsänger Till Lindemann auf seinen Konzerten systematisch Frauen ausgesucht, sie teilweise unter Drogen gesetzt und zum Sex mit ihm genötigt haben soll.

Luca Barakat war selbst großer Rammstein-Fan, sagt er, doch wer Täter schütze, sei Mitschuld. Letztendlich war sein Sinn für Gerechtigkeit größer als die Liebe zur Band. Am Konzertabend Anfang Juni brachte er Dutzende Menschen vor das Stadion. "Ich glaube diesen Frauen", sagt er.

Im Netz bekommt Barakat Anfeindungen und Drohungen

Nicht alle mögen, was Barakat macht. Oft wird er angefeindet, vor allem im Netz. Der 18-Jährige scrollt durch sein Instagram-Profil. Unter seinen Posts von Demoplakaten sammeln sich Tausende Kommentare. Auf Twitter sieht es nicht anders aus. Seine Gegner setzen dann meistens dort an, wo sie ihn am empfindlichsten glauben: an seinem Alter. Dem 18-Jährigen macht das wenig aus, Engagement habe nichts mit Alter zu tun, sagt er. In München lebt Barakat erst seit vergangenem August, dort macht er ein Freiwilliges ökologisches Jahr (FÖJ) beim Netzwerk Klimaherbst, eine Veranstaltungsreihe zum Thema Klimagerechtigkeit.

Aufgewachsen ist Barakat aber im Landkreis Traunstein, in der 4.000-Seelen-Gemeinde Marquartstein. In München schütze ihn die Masse, die Anonymität, sagt er. Doch zu Hause kenne ihn jeder. Erst kürzlich habe ihn dort ein Mann bedroht und an den Schultern geschubst, der in Traunstein als Rechtsextremer bekannt ist. Barakat versucht, sich die Schwere des Hasses nicht anmerken zu lassen. "Inhaltliche Kritik macht viel mehr mit mir als Hass", sagt er. "Das bedeutet ja, dass mein Gegenüber tatsächlich einen Punkt haben könnte."

Luca Barakat: "Rechtsruck muss man erklären"

Kritik gab es auch nach der "Großdemo gegen rechts". Die Veranstalter, unter anderem Barakat, luden die als links bekannte Berliner Band "Kafvka" Ende Januar mit auf die Bühne. "Zeigt der Ampel den Mittelfinger", forderte die Band die Menge unter anderem zwischen den Liedern auf. Viele im Publikum reagierten mit Kopfschütteln und betretenem Schweigen, für Regierungsbashing waren sie nicht gekommen.

Auch Barakat wurde für den Eklat zur Rechenschaft gezogen. "Es war nicht abgesprochen, dass sich Kafvka inhaltlich äußert", sagt er später im Gespräch. Hinter der Kritik an der Ampel stehe allerdings auch er. "Der Rechtsruck ist unumstritten", sagt Barakat, "in der Politik und der Presse werden Dinge gesagt, die vor fünf Jahren noch nicht möglich gewesen wären." Barakat meint unter anderem ein Cover des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" vom vergangenen Dezember, auf dem Bundeskanzler Olaf Scholz forderte: "Wir müssen endlich im großen Stil abschieben". Zugegebenermaßen ungewöhnlich für einen Sozialdemokraten.

Dennoch müsse man Aussagen wie der von "Kafvka" mehr Kontext beilegen. Das weiß auch Barakat. "Die Menschen auf Demos sind weitaus nicht so politisch wie die Veranstalter", sagt Barakat, "gewisse Aussagen muss man dann einfach mehr erklären."

Barakat für AfD-Verbot: "Es schafft Zeit"

Barakat will Aktivismus auf der Mittelstufe machen, von allem Extremen bleibt er entfernt. Die umstrittene Klimabewegung "Letzte Generation" habe er beispielsweise unterstützt. "Es ist wichtig, dass wir untereinander solidarisch sind", sagt er. "Fürs Festkleben fehlt mir allerdings der Mumm."

Die einzige extreme Maßnahme, für die Barakat steht: ein AfD-Verbot. Damit löst sich der Rechtsruck zwar nicht in Luft auf, auch das weiß Barakat. Es schaffe aber Zeit, um Maßnahmen dagegen zu finden, noch bevor AfDler wichtige Positionen in der Politik übernehmen könnten, sagt er. Barakats wohl größte Sorge bei dem Ganzen? Die Personen, die das Vertrauen in die Demokratie bereits verloren haben. "Wenn Menschen sich erst vergewissern müssen, dass Deutschland eine Demokratie ist, dann sind das schon jetzt keine Demokraten mehr."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Luca Barakat
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