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FC Bayern – Stefan Effenberg: "Hoeneß und Rummenigge sind Alleinherrscher"


Bayern-Krise
"Brazzo weiß offenbar genau, wo er hingehört"

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 27.11.2018Lesedauer: 6 Min.
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t-online.de-Kolumnist Stefan Effenberg. Im Hintergrund: Die Allianz Arena in München. Der FC Bayern ist einer der Schwerpunkte des Ex-Nationalspielers. 2001 führte er den Verein als Kapitän zum Sieg in der Champions League.Vergrößern des Bildes
t-online.de-Kolumnist Stefan Effenberg. Im Hintergrund: Die Allianz Arena in München. Der FC Bayern ist einer der Schwerpunkte des Ex-Nationalspielers. 2001 führte er den Verein als Kapitän zum Sieg in der Champions League. (Quelle: imago-images-bilder)

Der FC Bayern muss sich in der Führung neu aufstellen und den Kader nach Charakter filtern. Das ist aber längst nicht alles.

Der Rückstand auf Tabellenführer Borussia Dortmund wächst und die Situation beim FC Bayern wird immer dramatischer. Die Bundesliga profitiert davon. Das macht wirklich Freude. Die Bayern finden das allerdings weniger prickelnd.

Ich bin gespannt, ob Uli Hoeneß sein Wort hält

Es ist nicht lange her, da haben sich Rudi Völler und Hans-Joachim Watzke in die Richtung geäußert, dass die Bayern auf 100 Jahre nicht einholbar sein werden. Was ist seitdem passiert? Der Fußball hat sich zumindest nicht verändert. Es spielen immer noch Elf gegen Elf, es gibt einen Ball – und auch die Größe des Spielfeldes ist gleich. Aber vielleicht war das die Phase, in der der FC Bayern es verpasst hat, nötige Veränderungen vorzunehmen und einen Umbruch einzuleiten. Sie dachten aufgrund des Vorsprungs in der Liga, dass es ein Selbstläufer wird. Das war ein Fehler. Womöglich hat die vergangene Saison mit Jupp Heynckes da auch drüber hinweggetäuscht.

Ich bin sehr gespannt, ob Uli Hoeneß jetzt sein Wort hält – ob es ehrlich gemeint war, als er sagte, er werde Kovac bis aufs Blut verteidigen. Denn wenn sich der FC Bayern tatsächlich nächste oder übernächste Woche von Kovac trennt, dann hat er anschließend den vierten Trainer in 18 Monaten. Und damit endgültig Gewissheit, dass die negative Entwicklung nicht am Trainer liegt.

Vielleicht sind die Spielerpersönlichkeiten verloren gegangen

Schon jetzt wird immer deutlicher, dass beim FC Bayern endgültig die Spieler hinterfragt werden müssen – und auch die Verantwortlichen. Sie haben offensichtlich gravierende Fehler in der Kaderplanung gemacht.

Ich persönlich sehe keine klare Hierarchie in der Mannschaft. Wenn du deine Führungsspieler hast, dann regeln die vieles in der Kabine von sich aus. Manuel Neuer sagte, sie hätten 5:0 gegen Düsseldorf gewonnen, wenn sie alle Vorgaben von Kovac umgesetzt hätten. Dann frage ich mich: Warum haben die angeblichen Führungsspieler nicht dafür gesorgt, dass sie umgesetzt werden? Warum endet das Spiel 3:3? Vielleicht sind die Spielerpersönlichkeiten schlichtweg in den vergangenen Jahren verloren gegangen. Wenn du eine hättest, hätte sie sich gezeigt. Ich habe keine gesehen.

Der Trainer muss eigentlich der stärkste Mann sein

Das Schlimmste ist aber aus meiner Sicht, wenn es bei Fußballvereinen die Möglichkeit gibt, sich als Spieler beim Manager oder Präsidenten auszuheulen und mit dem Finger auf den Trainer zu zeigen. Bei Bayern hat das Ancelotti erfahren müssen, van Gaal damals, Felix Magath ebenso. Und als nächstes Kovac? Das kann nicht sein. Die Tür mache ich als Chef doch gar nicht auf. Oder ich sage den Spielern: „Stopp! Ihr seid es, die ihr Potenzial nicht abrufen und jetzt gefälligst liefern müssen!“

Der Trainer muss eigentlich der stärkste Mann im Verein sein, weil er der wichtigste ist. Bei Bayern ist das nicht immer der Fall.

Um mit Kovac weiterzumachen, gibt es jetzt eigentlich nur einen Weg: Sie müssen dem Trainer das volle Vertrauen aussprechen – und ihm die Möglichkeit geben, seine Vorstellungen für den Umbau der Mannschaft zu präsentieren. Kovac muss sagen dürfen, wen er verkaufen würde und welche Typen er braucht.

Sie müssen den Kader nach Charakter filtern

Die Bereitschaft für diesen Weg kann nur von den Bossen kommen. Es wäre der richtige Weg, aber ich bezweifle, dass sie diesen gehen.

Und dann müssen sie sich kurzfristig darum kümmern, für den kommenden Sommer eine neue Mannschaft auf den Platz zu bekommen. Sie müssen sich konsequent von fünf, sechs Spielern trennen. Sie müssen den Kader nach Charakter filtern, das ist ganz entscheidend.

Mats Hummels war im Spiel in Dortmund angeblich krank – das kannst du doch nicht ernsthaft nach dem Spiel im Interview erzählen und damit indirekt den Trainer anschießen nach dem Motto: „Ich kann nichts dafür – der Trainer hat mich trotz Krankheit aufgestellt.“ Ich war gestern erst bei der Fußballlehrer-Fortbildung des DFB, habe mich mit vielen Trainern genau darüber unterhalten. Alle waren zu hundert Prozent meiner Meinung. Ich weiß nicht, was Klaus Augenthaler als Mitspieler mit mir früher nach einer solchen Äußerung gemacht hätte.

Zwei Alleinherrscher – das wird langsam zum Problem

Oder nehmen wir Jérôme Boateng. Was wurde vor der Saison alles über einen möglichen Abschied diskutiert. Spätestens jetzt ist klar, dass man ihn zumindest im kommenden Sommer gehen lassen sollte.

Mit diesen Spielern war es total erfolgreich. Genau wie mit Robben und Ribéry – aber irgendwann ist der Tag X gekommen. Irgendwann ist der Tank nicht mehr permanent voll, das merkst du als Spieler auch selbst. Ich habe das bei mir auch selbst gemerkt.

Auf die Verantwortlichen kommt viel Arbeit zu – doch auch sie müssen sich neu aufstellen. Hoeneß und Rummenigge sind bislang die Alleinherrscher – und das wird so langsam in vielerlei Hinsicht ein Problem.

Wo ist eigentlich Brazzo?

Allein Uli Hoeneß wirkt in letzter Zeit wenig souverän. Das fing bei der Pressekonferenz mit der Medienschelte an. Nun verkündete er, dass Kovac am heutigen Dienstag sicher auf der Bank sitzen werde. Das ist eine Aussage, die gar nicht geht – bei allem Respekt. Eine Jobgarantie für ein Spiel hat nicht viel mit Vertrauen zu tun. Ich hätte von Uli erwartet, dass er an sein Bekenntnis von vor wenigen Wochen erinnert. Dann erzählte Hoeneß noch, dass seine Enkel und seine Tochter am restlichen Wochenende aufgrund des Bayern-Remis wenig Freude an ihm haben würden. Da frage ich mich: Was haben die Enkel damit zu tun? Das sieht auch wieder unglücklich aus.

Eine spannende Frage in dem Zusammenhang: Wo ist eigentlich Brazzo (Hasan Salihamidzic, Anm.d.Red.)? Der weiß offenbar genau, wo er hingehört – in die zweite Reihe. Anders ist es nicht zu erklären, dass er sich derzeit nicht öffentlich äußert. Vielleicht ist es so, dass er zwischen Hoeneß und Rummenigge keine Luft zum Atmen bekommt.

Oliver Kahn würde extrem weiterhelfen

Der FC Bayern muss sich in der Führung neu aufstellen. Und kann sich dabei ausgerechnet an Borussia Dortmund ein Beispiel nehmen. Der BVB hat sich neben Manager Michael Zorc und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke mit Matthias Sammer als Berater und Sebastian Kehl als Leiter der Lizenzspieler weitere absolute Fachkompetenz dazu geholt. Favre ist ein toller Trainer mit einem klaren Konzept und einer klaren Spielanlage. Dann hat er aber noch Sammer und Kehl im Rücken, die ihm helfen. So ein Konstrukt wird sicherlich in der gesamten Bundesliga Schule machen. In drei Jahren wird jeder Bundesligist so aufgestellt sein. Die Verantwortlichen in einem Klub werden immer davon profitieren, wenn sie sich so viel Kompetenz wie möglich holen.

Bei Bayern ist dagegen durch den Abgang von Sammer eindeutig Fachkompetenz verloren gegangen. Und die müssen sie sich wieder in den Verein holen. Ich will die Brazzo nicht absprechen, aber Oliver Kahn würde da natürlich extrem weiterhelfen. Neben einem Bayern-Urgestein brauchst du aber auch neue Impulse von außen. Und da gibt es hervorragende Leute in der Bundesliga, die weiterhelfen würden.

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Bayern sollten ihre Strukturen ändern

Max Eberl macht es genau richtig, wenn er die Situation bei Bayern erstmal aus der Ferne betrachtet. Aber es gibt auch noch Top-Kandidaten wie Fredi Bobic in Frankfurt. Was er dort macht, hat alles Hand und Fuß. Er hat Ruhe in den Verein bekommen – und Ruhe bewahrt, als es zum Saisonstart schwierig war.

Fakt ist, dass es heutzutage nicht mehr funktioniert, wenn du in einem Fußballverein oder auch in einem Unternehmen ein, zwei Leute an der Spitze hast, die alles vorgeben und sagen: „Was ich mache, ist richtig.“ Neben Dortmund hat das übrigens auch Leverkusen erkannt und jetzt nach Stefan Kießling auch Simon Rolfes dazu geholt. Bei Bayern sollten sie das auch erkennen und ihre Strukturen ändern.


Ein ganz entscheidender Punkt ist dabei auch die Menschenführung. Führen heißt Zuhören, Vertrauen geben, Kommunizieren, Begründen. Etwas populistisch rausposaunen bringt niemandem etwas und ist sicher nicht mehr zeitgemäß. Ich kenne Uli ja auch ein wenig. Ich weiß nicht, ob er es hören will, er braucht diese Kolumne ja auch nicht lesen: Aber auch im etwas höheren Alter kann man noch dazulernen.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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