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FC Bayern-Doku bei Amazon: "Behind the Legend" ist wie eine Ballkanone


Hinter den Bayern-Kulissen
"Phonzie, Alter! Leck mich am Arsch!"

  • David Digili
MeinungVon David Digili

Aktualisiert am 20.10.2021Lesedauer: 4 Min.
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Serge Gnabry (l.) und Alphonso Davies: Die beiden Bayern-Stars feiern gemeinsam ein Tor.Vergrößern des Bildes
Serge Gnabry (l.) und Alphonso Davies: Die beiden Bayern-Stars feiern gemeinsam ein Tor. (Quelle: ULMER Pressebildagentur/imago-images-bilder)

"FC Bayern – Behind the Legend" soll den deutschen Rekordmeister so zeigen wie nie zuvor. Das gelingt zwar – aber das Wichtigste fehlt der neuen Dokumentation. Eine Rezension.

"Die hab ich selber gekauft", sagt Hansi Flick ganz stolz über die Ballkanone, die er da gerade auf dem Trainingsplatz des FC Bayern München aufbaut. Eric Maxim Choupo-Moting fällt die Ehre zu, sich als Erster in die Schusslinie des Automaten zu stellen – doch noch hapert es an der Feinjustierung, der Angreifer kommt an keinen Ball ran, mal zu hoch, mal zu tief. "Das müssen wir noch testen", sagt Flick.


Und wie in dieser Szene mangelt es der Dokumentation "FC Bayern – Behind the Legend" ebenfalls an der Feinjustierung. Dies ist zumindest der Eindruck aus den ersten drei Episoden, die t-online für diese Rezension sichten durfte – ganz wichtig: immer mit dem Hinweis gekennzeichnet, dass es sich noch nicht um die finale Version handelt und Änderungen weiter möglich sind.

Bis zum 2. November ist noch Zeit zum Feinschliff, dann ist "FC Bayern – Behind the Legend" auf Amazon Prime verfügbar, sechs Episoden sind angekündigt. Sie sollen "nie dagewesene Einblicke geben in die Abläufe und Geschehnisse an der Säbener Straße sowie in das Leben der Fußballstars des Vereins, auf dem Spielfeld und im privaten Umfeld", heißt es in der Ankündigung. Im Mittelpunkt steht dabei die Saison 2020/21, als Startpunkt haben sich die Regisseure Simon Verhoeven und Nepomuk Fischer den Sieg im Champions-League-Finale 2020 gegen Paris St. Germain ausgesucht, als Schlusspunkt "das emotionale Saisonfinale 2020/21".

Ungewöhnliche Blicke in den Bayern-Alltag

Doch die Dokumentation ist an vielen Stellen unerklärlich steril geraten. Besonders den Spielszenen, an denen entlang erzählt wird, hätten mehr Emotionen gut getan – ob das 4:2 im Topspiel gegen Borussia Dortmund, das 4:0 in Unterzahl gegen den VfB Stuttgart oder das 1:0 bei RB Leipzig. Die vom eigenen Filmteam aufgenommenen Passagen – aus ungewohnten Perspektiven und ohne den gewohnten Kommentar – laufen eher vorbei, als dass sie mitreißen. Ausschnitte aus den TV-Übertragungen mit bekannten Stimmen hätten da eine ganz andere Wirkung, eine ganz andere Wucht entfaltet und noch mal in die spannendsten Momente zurückversetzt.


So aber plätschert zu viel lieblos und ein wenig beliebig zusammengewürfelt dahin. Die Ballkanone "FC Bayern – Behind the Legend" verfeuert, was ihr die Regisseure aus den unzähligen Stunden an Film- und Interviewmaterial einspeisen. Man hat mitunter das Gefühl, in einer mehrteiligen Reihe kurzer Clips wäre diese Dokumentation besser aufgehoben gewesen. Denn die Blicke in den Alltag beim Rekordmeister sind fast erfreulich unprätentiös, sehenswert, auch kurios und tatsächlich intim wie nie zuvor – und werden besonders Fans erfreuen.

"Phonzie, Alter! Leck mich am Arsch!"

Für die unterhaltsamsten Momente sorgt wenig überraschend Thomas Müller. Mal, als er seinen Teamkollegen erzählt, wie er in der häuslichen Corona-Isolation dann doch irgendwie "gemeinsam" mit Frau Lisa essen konnte – er im Keller des Hauses, sie auf der Treppe. Oder, als er versucht, einen leicht anzüglichen Witz zu erzählen, dann aber selbst bemerkt: "Die Pointe hab ich verhauen." Auch, wie er nach der Auslosung der Champions-League-Gruppen 2020/21 in der Kabine an Kingsley Coman vorbeikommt, der gerade mit Verteidiger Presnel Kimpembe vom kommenden Gegner und Coman-Ex-Klub PSG telefoniert. Grüße solle er Kimpembe ausrichten, und als Coman die Nachricht auf Französisch weitergibt, schickt Müller noch in bestem Bayrisch-Französisch hinterher: "Joa, Bonjour!"

Sehenswert ist auch, wie Sportvorstand Hasan Salihamidzic im Spiel gegen Dortmund der Teammanagerin Kathleen Krüger von Erling Haaland vorschwärmt ("Das ist ja eine Maschine!") und scherzt: "Morgen ruf ich den Berater an." Oder wie die Spieler auf eine Liste mit den gemessenen Schnelligkeiten schauen und Serge Gnabry mit Blick auf den Wert des bekanntermaßen nicht gerade langsamen Alphonso Davies nur bemerkt: "Phonzie, Alter! Leck mich am Arsch!"

Die Filmemacher bilden den realen Bayern-Alltag ab

Ansonsten wird viel gesessen. Die Spieler sitzen in der Kabine. Der neue Vorstandschef Oliver Kahn und Salihamidzic sitzen in der Geschäftsstelle. David Alaba sitzt in seinem Auto. Robert Lewandowski sitzt beim Corona-Test. So läuft der Alltag beim deutschen Rekordmeister ab, und irgendwie ehrt es die Filmemacher auch, dass sie eben diesen genau so abbilden und nicht künstlich überhöhen.

Zwar kommen von Franz Beckenbauer über Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und Ex-Bundestrainer Joachim Löw bis zu Lothar Matthäus, Oliver Kahn und Franck Ribéry diverse Granden zu Wort, was sie jedoch sagen, hinterlässt meist keinen nachhaltigen Eindruck, ist oft bereits bekannt oder bleibt nur an der Oberfläche.

Bewegende Momente mit Salihamidzic und Lewandowski

Stark wird es, wenn Salihamidzic von seiner Kindheit in Mostar und den Kriegswirren erzählt, von der Kalaschnikow unter dem Bett und der ständigen Angst und dabei noch immer mit den Tränen kämpfen muss. Robert Lewandowski erinnert sich an seinen Vater, die prägende Figur auf seinem Weg zum Fußballer, und wie er ihn als Teenager verlor und mit seiner Mutter plötzlich alleine wegweisende Entscheidungen treffen musste.

In diesen Momenten ist die Dokumentation am besten, und hier erfüllt sie auch das Versprechen starker Eindrücke und "nie dagewesener Nähe" zu den Spielern. Dass kritische Töne oder die Beleuchtung innerer Konflikte – beispielsweise der Streit zwischen Salihamidzic und Flick – weitgehend fehlen, ist keine neue Schwäche von Filmen, an deren Produktion Fußballklubs beteiligt sind.

Ansonsten bleibt der Eindruck: "FC Bayern – Behind the Legend" ist wie die Ballkanone von Hansi Flick. Gut gemeint, sie feuert ab, was sie kriegen kann, landet dabei auch mal Treffer – aber die Feinjustierung fehlt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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