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DFB, DF und Co.: Der deutsche Fußball demontiert sich selbst


Profis gegen Amateure
Der deutsche Fußball demontiert sich selbst

Von t-online
Aktualisiert am 20.11.2015Lesedauer: 5 Min.
Bis Weihnachten, aber spätestens bis Januar, soll die Korruptionsaffäre um die Vergabe der WM 2006 aufgeklärt sein.Vergrößern des BildesBis Weihnachten, aber spätestens bis Januar, soll die Korruptionsaffäre um die Vergabe der WM 2006 aufgeklärt sein. (Quelle: Ralph Peters/imago-images-bilder)
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Von Thomas Tamberg

Millionen Amateurkicker schütteln nur noch mit dem Kopf. Das Bild, das der deutsche Fußball im Zuge des Korruptionsskandals um die Vergabe der WM 2006 seit Wochen abgibt, ist erschütternd. Machtspiele, Profilneurosen, Lügen und verschwundene Millionenbeträge bestimmen die Diskussion. Der normale Fußball-Fan erhält Einblick in eine bizarre, ihm fremde Welt. Um den Sport geht es hier schon lange nicht mehr. Und ein Ende scheint nicht in Sicht.

Denn nach dem Skandal ist vor dem Zerwürfnis. Der deutsche Fußball ist drauf und dran, sich selbst zu zerfleischen. Das zeigt die Nachfolge-Diskussion um den zurückgetretenen DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach immer deutlicher. Gegenüber stehen sich Amateure und Profis. Auf der einen Seite diejenigen, die das Ehrenamt verteidigen. Auf der anderen Seite die Hauptamtlichen.

Vorurteile auf beiden Seiten

Dabei sind die Grenzen zwischen dem DFB und der Deutschen Fußball-Liga (DFL) fließend. Beim DFB gibt es Hauptamtliche, die eher der DFL zugeneigt sind. Schon immer begegneten sich beide Seiten mit Argwohn. Reformunfähiges, verstaubtes Denken einerseits, Arroganz und Turbo-Kapitalismus andererseits: So lauten seit Jahren die mal stillen, mal etwas lauter formulierten Vorurteile beider Fraktionen.

Das eine Lager fürchtet den wachsenden Einfluss des anderen wie der Teufel das Weihwasser. In diesem Spannungsfeld schafften es die obersten Fußball-Vertreter bisher immerhin, sich irgendwie doch noch zusammenzuraufen. Schließlich ist man ja auch aufeinander angewiesen. Vorerst bis 2017. So lange läuft der Grundlagenvertrag zwischen den beiden Organisationen.

Der Grundlagenvertrag

Er regelt die Zuständigkeiten und den Zahlungsaustausch. Die DFL organisiert und vermarktet eigenständig die Bundesliga und 2. Bundesliga. Beim DFB liegt die Zuständigkeit für die Nationalmannschaften, den DFB-Pokal, die Sportgerichtsbarkeit und das Schiedsrichterwesen sowie Jugend-, Amateur- und Frauenfußball.

Bei der Suche nach einem Niersbach-Nachfolger versucht jedes Lager nun möglichst, einen Repräsentanten aus den eigenen Reihen ins Amt zu heben. Ein legitimes Unterfangen. Der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger war ein Mann der Amateure. Niersbach indes war dem Lager der Profis verbunden. Der kleine Fußball war nicht seine Welt.

DFL bekommt die Quittung

Doch es scheint, als habe der Bestechungsskandal und der Umgang mit der Aufarbeitung das Fass zum Überlaufen gebracht. Anstatt miteinander zu reden und die Ressentiments abzubauen, um eine gemeinsame Lösung zu finden, wird aneinander vorbei agiert. Machtspiele eben. Besonders amateurhaft haben sich dabei die Profis aus der DFL verhalten. Jetzt erhalten sie die Quittung.

So sorgte die Aussage von Karl-Heinz Rummenigge bei den 21 Vorsitzenden der Regional- und Landesverbände des DFB für ungläubiges Kopfschütteln. Der Vorstandsboss des FC Bayern sprach sich nach dem Niersbach-Rücktritt öffentlich gegen eine interimsmäßige Doppelspitze aus und machte sich für Rauball als alleinigen Interimspräsidenten stark.

Bestehende Regeln einfach missachtet

Der Bayern-Boss ignorierte dabei völlig die Tatsache, dass die Besetzung des höchsten Amtes beim DFB kein Wunschkonzert, sondern in der Satzung festgeschrieben ist. Dr. Rainer Koch, 1. DFB-Vizepräsident Amateure, Recht und Satzungsfragen und Dr. Reinhard Rauball, 1. DFB-Vizepräsident und Präsident des Ligaverbandes, übernahmen folgerichtig die Geschäfte.

Darüber hinaus formulierte die DFL im Zuge der Affäre um die Vergabe der WM 2006 immer wieder Forderungen nach Reformen. "Es reicht nicht aus, wenn wir einen Kopf durch einen anderen ersetzen", sagte Rauball der "FAZ". "Es ist wichtig, dass die Veränderung von Strukturen zu einem Thema wird."

DFL will Reformen durchdrücken

Auch das stieß den Landesfürsten auf. Der Korruptionsskandal lässt den DFB ohnehin schon in schlechtem Licht erscheinen und damit auch alle Amateurvertreter. Dabei wurden die Fehler von Personen begangen, die mit dem Amateurfußball wenig am Hut haben. Jetzt sollen damit auch noch Reformen im Sinne der DFL durchgedrückt werden.

Peter Frymuth, DFB-Vizepräsident Spielbetrieb und Fußball-Entwicklung, fand daher deutliche Worte. "Es kann nicht sein, dass Millionen von Fußballspielern, Fußballspielerinnen und Hunderttausende von Ehrenamtlichen darunter leiden, wenn eine Handvoll von Menschen vor vielen, vielen Jahren Dinge gemacht hat, die jetzt den DFB zurecht kritisch betrachten lassen", sagte Frymuth in Richtung von Niersbach, Franz Beckenbauer und anderen damaligen Verantwortlichen.

Landesfürsten reagieren prompt

Vor diesem Hintergrund ist der Reflex der 21 Vorsitzenden der Landesverbände nachvollziehbar. Sie fühlten sich von der DFL brüskiert und präsentierten - vordergründig überraschend - kurzum am Dienstag ihren Kandidaten für das Präsidentenamt. Der jetzige DFB-Schatzmeister und CDU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Grindel soll Niersbach nachfolgen.

Mit Nachdruck wurde dabei die Einstimmigkeit des Entschlusses kommuniziert. "Ich unterstütze die Kandidatur von Reinhard Grindel persönlich", sagte Koch, dem zuvor ebenfalls Ambitionen auf das höchste Amt beim DFB nachgesagt wurden. "Die Profis dürfen auch einen Vorschlag machen", fügte Koch an. Wohlwissend, dass das Amateurlager zwei Drittel der Stimmen stellt. Bei einem Außerordentlichen Bundestag, der aus Sicht großer teile des Amateurlagers so schnell wie möglich stattfinden soll, reicht die einfache Mehrheit. Grindels Aufstieg zum Präsidenten gilt also damit als beschlossene Sache.

Grindel meint es ernst

"Sollte ich zum Präsidenten gewählt werden, werde ich meine Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter aufgeben", sagte Grindel, der den Präsidenten-Job anders als Niersbach wieder als klassisches Ehrenamt ausführen möchte. Wie ernst es Grindel meint, zeigt die Tatsache, dass der 54-Jährige seinen Sitz im Sportausschuss des Deutschen Bundestages bereits niedergelegt hat. In dieser Funktion hätte er in der WM-Affäre gegen sich selbst ermitteln müssen. Eine Interessenüberschneidung, die ihm bereits jede Menge Kritik eingebracht hat.

Nach diesem Manöver fühlt sich wiederum die DFL auf den Schlips getreten. "Wir fühlen uns brüskiert. Für den gesamten Fußball ist das eine sehr unschöne Geschichte", sagte Hans-Joachim Watzke im "kicker". Der Geschäftsführer von Borussia Dortmund wolle zwar "nicht mit den Säbeln rasseln", tat aber genau dies. Der 59-Jährige wies darauf hin, dass "am Ende des Tages die Musik letztendlich in der Bundesliga" spiele. "Man sollte die Möglichkeiten des Profifußballs nicht unterschätzen. Wenn man meint, man müsste uns vor vollendete Tatsachen stellen, muss man sich im Klaren sein, dass der größte Wert des DFB, die Nationalmannschaft, von Spielern gebildet wird, die wir bezahlen. Das sollte man auch einmal berücksichtigen."

Die Fronten sind abgesteckt

Die Situation ist verfahren. Beide Seiten reden derzeit nicht miteinander, sondern via Medien übereinander. DFL-Vize-Präsident Harald Strutz mahnte an, dass es wichtig für den DFB und die Liga sei, an einem Strang zu ziehen. "Und an einem Strang ziehen heißt auch, den gleichen Ausgangspunkt zu haben", sagte der Präsident des FSV Mainz 05. Der Ligavorstand habe betont, dass "es nicht um den Austausch von Köpfen geht, sondern generell erst eine Strukturdiskussion geführt werden muss".

Der DFB könnte in vielen Bereichen eine moderne Struktur sehr gut gebrauchen. Denkt man zum Beispiel nur an das verstaubte, undurchsichtige und nach Gutsherrenart geführte Schiedsrichterwesen. Aber eine Diskussion darüber kann nur in einem Klima des Vertrauens zielführend geführt werden. So fürchtet das Amateurlager, dass die DFL lediglich ihren Einfluss auf Kosten des kleinen Fußballs weiter ausbauen möchte.

Trübe Aussichten für den Fußball

Am Ende stehen sich DFL und DFB zerstritten gegenüber, es gibt einen neuen Präsidenten, der bei den Profiklubs keinerlei Akzeptanz genießt und der DFB hat die Chance, sich in seiner Struktur neu aufzustellen, verpasst.

Am Freitag trifft sich das DFB-Präsidium, in dem auch Vertreter der DFL sitzen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Dass dabei die Weichen für eine positive Zukunft gestellt werden, ist derzeit kaum vorstellbar.

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