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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Peter I. verliert sein Reich Dobrindt holt den "König" vom Thron

Ein Fantasiestaat in Deutschland, der Gesetze der Bundesrepublik vermeintlich für sich außer Kraft setzt: Jahrelang hat das "Königreich Deutschland" dreist seine eigenen Regeln befolgt. Ein Verbot macht dem ein Ende.
Es las sich im November 2023 so trotzig wie bitter: "Bereits seit vielen Jahren geht die Bafin gegen den hinter dem 'Königreich Deutschland' stehenden Hauptbeschuldigten mit Nachdruck vor", teilte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) im November 2023 mit. Da war die Behörde wieder mal tätig wegen des "Königreichs Deutschland" (KRD). Es hatte eine Razzia gegeben. bei der kiloweise Gold und ein fünfstelliger Bargeldbetrag sichergestellt, Munition gefunden und Bankkonten gepfändet wurden. Schon damals dürfte den Experten aber klar gewesen sein: Es wird weitergehen beim "Königreich Deutschland". Die größte Vereinigung der sogenannten Reichsbürger- und Selbstverwalterszene in Deutschland wuchs, trotz Razzien, Kontoschließungen und Urteilen wegen unerlaubter Versicherungsgeschäfte.
Seit Jahren tanzte Peter Fitzek Behörden auf der Nase herum. Der ehemalige Koch tritt charismatisch auf und nennt sich selbst "Peter l., König von Deutschland, Menschensohn des Horst und der Erika aus dem Hause Fitzek". Mit seinem angeblichen "Gemeinwohlstaat" errichtete er ein Parallelsystem, das sich bewusst abgrenzt: Gesetze der Bundesrepublik sollten dort nicht gelten. Stattdessen, so die komplizierte Selbstbeschreibung, sei man "eine völkerrechtliche Weltanschauungsgemeinschaft im Staat 'Königreich Deutschland' als Völkerrechtssubjekt".
- Nach Verbot: Was ist das "Königreich Deutschland"?
Der Fantasiestaat mit Hauptsitz auf dem Gelände einer ehemaligen Klinik in der Lutherstadt Wittenberg war bislang aber auch ein Modell dafür, um Steuern und Sozialabgaben zu umgehen – denn schließlich fühlte man sich der Bundesrepublik nicht verpflichtet. Zugleich wurden dem "Staatsgebiet" immer neue Immobilien hinzugefügt: Die Landnahme schritt voran, ob verlassene Schlösser im Osten und verfallende Luxushotels im Westen. Die Übernahme der ehemaligen Goebbels-Villa in Wandlitz hatten Recherchen von t-online verhindert.
Peter Fitzek und drei "Königreich"-Mitstreiter festgenommen
Doch jetzt könnte es wirklich vorbei sein mit dem "Königreich" – und der König endgültig entmachtet sein. An der Seite der Bafin-Ermittler sind nun mächtige Verbündete aufgetaucht.
Am Dienstag schwärmten in sieben Bundesländern Hunderte Polizisten zu Razzien aus. Dahinter steckten der Generalbundesanwalt mit strafrechtlichen Ermittlungen wegen der mutmaßlichen Bildung einer kriminellen Vereinigung und der Bundesinnenminister mit einem Vereinsverbot. Gegen den "Obersten Souverän" Fitzek lag ein offener Haftbefehl vor, er wurde ebenso festgenommen wie drei seiner Mitstreiter. Das Königreich wird aufgelöst, sämtliche Teilorganisationen des Vereins geschlossen. 6.000 Anhänger soll er insgesamt haben,.
Quer durch die Republik dürften nun zahlreiche Behörden aufatmen, die sich über Jahre mit der absurden Argumentation herumschlagen mussten, sie seien bloß Firmen, die den sogenannten Reichsbürgern nichts zu sagen hätten.
Der neue Minister Alexander Dobrindt (CSU) begründete das Verbot noch während die Durchsuchungen liefen: Zweck und Tätigkeit des Vereins liefen den Strafgesetzen zuwider und richteten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung. Dobrindt sprach von "wirtschaftskriminellen Strukturen" und davon, dass beharrlich die Rechtsordnung und das Gewaltmonopol der Bundesrepublik untergraben werde.
Von dieser Beharrlichkeit kann die Bafin ein Lied singen. Im Jahr 2023 hatte sie die verschiedenen Stellen aus Ländern und Bund für eine bundesweite "Taskforce Königreich" zusammengebracht. Die Bafin hatte bis dato Konten sperren lassen und untersagt, Kunden für Einlagen- und Versicherungsgeschäfte anzuwerben, die ohne Erlaubnis betrieben wurden. Sie hatte Verfahren gegen "Peter I." in Gang gesetzt, weil er ohne Genehmigung eine Krankenkasse betrieben hatte. Fitzek saß eine Haftstrafe ab. Und machte unbeeindruckt weiter. So wie er auch weiter Auto fuhr, obwohl er den amtlichen Führerschein zurückgegeben hatte. Auch deshalb wurde er verurteilt. Zuletzt hatte er seinen Wohnsitz in Halsbrück in Sachsen, wo er festgenommen wurde.
Argument: Keine Steuern zahlen
Wenn einzelne Kommunen Mitstreiter ausbremsten, wurde das Gros der Unterstützer vom Oberhaupt und dessen Umfeld beruhigt: Die "Gerechtigkeitsabteilung" des Königreichs werde das schon regeln. Dass Verfahren lange dauern, helfe dem König und seinem Hofstaat. Verwaltungen waren oft überfordert, wenn bei ihnen das "Königreich" Wurzeln schlug und mit juristischen Winkelzügen ankam.
Das "Königreich" hatte für Untertanen starke Argumente: Einerseits sollten die Mitstreiter sich als idealistische Vorkämpfer einer besseren Welt sehen – und andererseits schnöde Steuerzahlungen sparen können. Das Modell war vor allem ein Versprechen, Geschäfte machen zu können abseits der bundesdeutschen Regelungen. Es gibt Hunderte Selbstständige, die im Laufe der vergangenen Jahre den Weg gingen und sich zu Betrieben im "Königreich" erklärten: Gewerbeordnung, Arbeitnehmerschutz, Verbraucherschutz – alles nicht bindend für Mitglieder des KRD.
Die Begründung: Geschäfte würden ja nur im "Königreich" getätigt, mit anderen Zugehörigen oder Angehörigen desselben. Tausende Kunden dieser Shops und Dienstleister dürften sich, oftmals nichtsahnend, in Geschäften und bei Dienstleistern bereiterklärt haben, für einen Geschäftsabschluss vorübergehend Zugehöriger des "Königreichs" zu sein. Shop, Heiler oder Handwerksunternehmen sahen sich nur als "innergemeinschaftlicher Zweckbetrieb" des "Königreichs", der nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sei.
Unmittelbar schwierig konnte das vor allem für Anbieter werden, die für normale Firmen tätig waren und Rechnungen erstellen wollten. Der Weg trieb auch einige in den Ruin. Die Argumentation angeschlossener Betriebe funktioniert zwar oft sehr lange, aber kaum auf Dauer.
"Finanzamt hat uns handlungsunfähig gemacht"
Das lässt sich auf Telegram in einer internen Gruppe "KRD Freie Betriebe" im Bereich Steuern nachlesen. Telegram war nach der Razzia im November 2023 zeitweise das wichtigste Kommunikationsmittel der Bewegung. In der Gruppe klagt ein Nutzer: "Das Finanzamt hat uns gerade handlungsunfähig gemacht." Er zählt auf: "Konten gepfändet, Forderungen in sechsstelliger Höhe, Autos sind gestern abgeholt worden, Finanzierungen platzen gerade alle, Maschinen werden abgeholt, ohne Möglichkeit durch Verkauf noch was zu retten und habe nur Ärger mit gleichzeitiger Insolvenz."
Ein Rechtsbeistandspaket sollte Staatsangehörigen des KRD Sicherheit geben "in Bezug auf Aktivitäten, die noch auf dem Gebiet der Bundesrepublik geschehen", heißt es in der Beschreibung. Fitzek habe "durch Einlassung auf die BRD-Gerichtsbarkeit und Verfahren Urteile und Beschlüsse erwirkt", die dazu dienten. Er ist sehr streitbar, "eine Frau hat mir mal gesagt, dass ich öfter ins Gericht gehe, als sie Schlüpfer wechselt", erzählte er mal. Sein Credo: "Unser Rechtskreis ist höherrangig als das aufgedrückte Grundgesetz."
Erhältlich war das Paket für 1.007 "E-Mark". Dieses Zahlungsmittel präsentierte das "Königreich" als "zinsfreie gesetzliche Währung", sie sei vor Inflation geschützt. Wenn Fitzek vom Geldsystem spricht, dann kommt er auf die jüdische Bankiersfamilie Rothschild zu sprechen und spricht von Versklavung "Antisemitisch konnotierte verschwörungstheoretische Verächtlichmachung von Institutionen", wirft auch das Innenministerium dem Königreich vor. Durch ständige Wiederholung solcher Behauptungen werde die Menschenwürde von Juden verletzt und staatliche Institutionen würden in verfassungswidriger Weise delegitimiert.
Wie viele andere Dienstleistungen und Waren wurde es im eigenen Shop "KaDaRi" (Kauf da richtig) vertrieben. Diese Plattform firmiert als "Gemeinwohlmarktplatz", auf dem Peter I. auch Spiritualitätsseminare für 525 E-Mark, Gewebe zur Abschirmung hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung von "Seelenrausch" für 99,90 E-Mark und Montagearbeiten von "Sebastians Bauhütte" für 300 E-Mark am Tag anbietet. 1.117 Angebote waren es am Dienstag auf dem "Staatlichen Handelskontor" KaDaRi, die Seite war noch online.
Während das "Königreich" bei vielen Angeboten vor allem im Kleingedruckten auftaucht, warben Fitzek und die Seinen auch ganz offen mit Infoabenden und Tagen der offenen Tür für das "Königreich" und kassierten kräftig für Seminare.
Goebbels Villa stand auf dem Wunschzettel
An anderer Stelle ging die Gruppierung sehr verdeckt vor: So arbeitete in Wandlitz vor den Toren Berlins ein Verein daran, vom Land Berlin langfristig die Villa von Hitlers Propaganda-Minister Joseph Goebbels mit später errichteten Gebäuden einer SED-Kaderschmiede zu übernehmen.
Viele Vereinsmitglieder ahnten nicht, dass der Verein fest in der Hand von Mitgliedern des "Königreichs" war. Eine t-online-Recherche durchkreuzte die konkreten Pläne, dort unter anderem ein alternatives Gesundheitszentrum mit Hotel- und Seminarbetrieb einzurichten. Was "König Peter I." mit der brisanten Immobilie Goebbels-Villa vorhatte, blieb unklar.
Wenig später konnte das KRD ein über 50.000 Quadratmeter großes Gelände mit Schlösschen in Eibenstock-Wolfsgrün im Erzgebirge für 2,3 Millionen Euro erwerben. Auch dort und bei weiteren großen Immobiliengeschäften zeigte sich, dass zur Verschleierung des eigentlichen Käufers weniger bekannte Anhänger des KRD auftraten. Kommunen erfuhren vom Besitzer oft erst, wenn es zu spät war.
Es sind Beispiele für das ehrgeizige Expansionsstreben auf vielen Ebenen. Eine zentrale Idee des "Königreichs" ist es, selbst immer mehr zu wachsen und das Staatsgebiet der Bundesrepublik zu schrumpfen. Zustiftungen von Liegenschaften aus dem Kreis der Anhänger und Sympathisanten sollten den immer größeren Gegenstaat aufbauen. Sogar eine "Wehrverfassung" hatte das KRD bereits. Sie sah bislang vor, dass jedem Deutschen grundlegendes Wissen über Selbstverteidigung mit und ohne Waffen sowie das erforderliche Rechtswissen um diese Kenntnisse vermittelt werden solle.
Polizei platzte in Kooperationstreffen mit "Querdenken"
Bei seinen Wachstumsbemühungen stand Peter I. in der Corona-Zeit vor einem Coup, der in der Öffentlichkeit kaum bekannt wurde: Mit Michael Ballweg, dem Gründer von "Querdenken-711", stand eine Zusammenarbeit im Raum. Regionale Ableger von "Querdenken", die es in vielen Teilen der Republik gab, sollten mögliche Standorte der KRD-"Gemeinwohlkasse" oder der KRD-"Krankenkasse" namens "Deutsche Heilfürsorge" werden oder dafür Kunden akquirieren.
Auf einen Schlag hätte sich die Reichweite des "Königreichs" enorm vergrößert, wenn Ballweg seine Anhänger für den "König" begeistert hätte. Menschen, die frustriert von den Corona-Maßnahmen "Selbstbestimmung" suchten, waren damals besonders offen für alternative Konzepte.
Doch es kam nicht zur Kooperation mit Ballwegs Organisation, der einer Mail zufolge bereits als "ordentlicher Staatszugehöriger beim Königreich Deutschland" registriert war. In Saalfeld in Thüringen sollte es bei einem Treffen im November 2020 dazu kommen: Formulare "Kapital-Überlassungs-Vertrag" an die Königliche "Gemeinwohlkasse", Antrag auf Eröffnung eines "E-Mark Kontos" bei der "Königlichen Reichsbank" und Staatszugehörigkeitserklärung für das "Königreich Deutschlands" lagen auf den Tischen, als die Polizei in das Treffen in der Gaststätte "Hacienda Mexicana" platzte, in der keine Corona-Beschränkungen galten.
In Ballwegs Bewegung führte sein Vorgehen unmittelbar zu Unmut und Absetzbewegungen bei Teilnehmern des Treffens, die sich überrumpelt fühlten. Der damals in der Querdenker-Szene vernetzte Journalist Martin Lejeune hatte das Treffen öffentlich gemacht und hat nun auch eine Sprachaufzeichnung davon online gestellt. "Querdenken"-Kopf Ballweg versuchte noch, Fitzek reinzuwaschen. Er werde "fälschlicherweise der Reichsbürgerszene zugerechnet". Tatsächlich suche Fitzek "auf dem Boden des Grundgesetzes nach Gesetzeslücken (..), die eine weitgehende Autonomie von staatlichen Strukturen – wie zum Beispiel dem Finanz- und Gesundheitssystem – ermöglichen".
Ballwegs "Demokratiebewegung" hatte sich mit dem "König" einlassen wollen, der nach eigenen Erklärungen das Deutsche Reich "wieder handlungsfähig machen" und in den Grenzen von 1937 "wiederherstellen" wollte. Jemand, der in der Bundesrepublik "nur ein Verwaltungskonstrukt einer Firma" sah und die Demokratie "wider der Natur, also unnatürlich" nannte. Sie habe "keinen dauerhaften Bestand".
Die "Gerechtigkeitsabteilung", das "Justizministerium" des "Königreichs", wird nach der Verbotsverfügung Anwälte losschicken. Aber die Aussichten stehen schlecht, dass das Königreich noch lange Bestand hat.
- Eigene Recherchen
- bmi.bund.de: Bundesinnenminister Dobrindt verbietet den Verein "Königreich Deutschland"
- verfassungsschutz.de: Das "Königreich Deutschland" – Staatssimulation von "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern"
- martinlejeune.de: Ballweg schießt quer
- twitter.com: Tweet Martin Lejeune mit Tonaufzeichnung