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VfB Stuttgart: Thomas Hitzlsperger äußert sich zu altem Verein – "Wahnsinn"


Thomas Hitzlsperger
"Die Befürchtungen sollten nicht Realität werden"

  • Noah Platschko
InterviewVon Noah Platschko

Aktualisiert am 25.12.2023Lesedauer: 7 Min.
Interview
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Thomas Hitzlsperger: Der Ex-Nationalspieler ist begeistert von der aktuellen Entwicklung des VfB. (Quelle: Kevin Quigley/Daily Mail/dmg media Licensing/dpa)

Im März 2022 endete die Zeit von Thomas Hitzlsperger beim VfB. Die aktuelle Entwicklung der Schwaben bereitet dem Ex-Nationalspieler große Freude. Und auch der Blick nach England sorgt bei Hitzlsperger für Begeisterung.

Ende Juli schaute Thomas Hitzlsperger mal wieder beim VfB vorbei. Der Ex-Vorstand der Schwaben besuchte das Testspiel der Stuttgarter gegen Borussia Mönchengladbach in Heimstetten. Endergebnis: 1:5 aus Sicht des VfB.

Dieses schwache Testspielergebnis, wenige Wochen vor Saisonstart, ließ die Anhänger der Schwaben erneut vor einer Saison voller Abstiegssorgen zittern. Nach zwei schwachen Spielzeiten am Stück (Platz 15 und Platz 16) konnte niemand ahnen, wozu der Traditionsklub in den darauffolgenden fünf Monaten in der Lage sein würde. Auch Hitzlsperger nicht.

Nach der Hinrunde steht der VfB auf einem sensationellen dritten Tabellenplatz. 34 Punkte, elf Siege, sieben Zähler Vorsprung auf den BVB. Und schon jetzt einen Punkt mehr als in der kompletten vergangenen Saison. Mit t-online spricht der langjährige VfBler und aktuelle Sky-Experte über den Höhenflug der Schwaben und blickt auf die Insel nach Großbritannien, wo ein anderer seiner Ex-Klubs für ähnliche Furore sorgt wie die Stuttgarter hierzulande.

t-online: Herr Hitzlsperger, der VfB Stuttgart steht nach 16 Spieltagen auf Platz drei. Wie oft haben Sie in dieser Hinrunde bislang schon "Konfetti gekotzt"?

Thomas Hitzlsperger: Ich habe viele Spiele in dieser Hinrunde sehr genossen, den Ausdruck benutze ich so aber nicht mehr (lacht). Es ist Wahnsinn, was der VfB bislang in dieser Saison geleistet hat. Die Anzahl der Siege und die Art und Weise waren sehr beeindruckend. Es macht einfach Spaß, zuzuschauen.

Den Ausdruck "Konfetti kotzen" benutzten Sie nach einem furiosen 5:1 in Dortmund in der Saison 2020/2021. In den beiden Saisons danach holte der VfB nur 33 Zähler, entging knapp dem Abstieg. Der derzeitige Höhenflug der Schwaben kommt für fast alle Beobachter der Szene überraschend. Auch für Sie?

Alles andere wäre gelogen. Ich kenne den Verein logischerweise schon sehr gut und sehr lange. Dass der Plan der Verantwortlichen nach zwei schwierigen Saisons, in denen man erst auf der Ziellinie den Klassenerhalt sichern konnte, dermaßen gut aufgeht, ist bemerkenswert. Alle Beteiligten können sich auf die Schulter klopfen für diese historisch gute Hinrunde – die ja noch nicht mal beendet ist.

Der Erfolg ist stark mit dem Namen Sebastian Hoeneß verbunden, dabei hat der VfB auf dem Papier mit Dinos Mavropanos, Borna Sosa und Kapitän Wataru Endo drei der wichtigsten Spieler der vergangenen Saison verloren.

Sebastian Hoeneß ist der Erste, der genannt werden muss. Alles, was ich über ihn mitbekomme, ist positiv. Seine Art, wie er mit den Mitarbeitern umgeht. Er strahlt viel Ruhe aus, beweist gleichzeitig eine große fachliche Kompetenz. Er tut dem VfB sehr gut. Dazu muss man natürlich auch ein paar Spieler herausheben. Wie Serhou Guirassy und Deniz Undav: Erst getrennt voneinander und dann gemeinsam in der Offensive brillieren, das ist schon außergewöhnlich.

Der Vorsprung auf Platz fünf und den BVB beträgt zurzeit sieben Punkte. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass der VfB einen Platz, der fürs internationale Geschäft berechtigt, behaupten kann?

Dass der VfB im kommenden Jahr international spielt, habe ich bereits vor dem Augsburg-Spiel geglaubt. Natürlich muss man ein wenig die Konsequenzen des Afrika- und Asien-Cups abwarten, aber die Mannschaft hat so einen Lauf und eine spielerische Qualität, dass es für einen Platz in den Top 5 reichen wird. Die Mannschaft strotzt vor Selbstbewusstsein und ich hoffe, dass sie von Verletzungen verschont bleibt.

Vor gut eineinhalb Jahren wurde Ihr Vertrag beim VfB auf Ihren Wunsch hin aufgelöst, konkrete Gründe nannten Sie damals nicht. Können Sie heute ausführlicher über Ihr Ausscheiden sprechen?

Im Grunde ist es überhaupt nichts Schlimmes. Mein Vertrag lief aus, ich hatte so viel beim VfB erlebt, in verschiedenen Positionen, dass ich eben für mich gemerkt habe, dass ich in der Intensität nicht mehr weitermachen kann und es besser ist, dass jemand Neues kommt und Vollgas gibt. Dass die Stimmung ein Jahr zuvor nicht gut war, brauche ich nicht zu verheimlichen. Aber der Abschied war toll und hat mir sehr viel gegeben, weil ich gespürt habe, dass ich den Verein und viele Leute vermissen werde. Es ist viel wert, wenn man einen Klub verlässt, sich aber immer noch in die Augen schauen kann. Entsprechend leicht fällt es mir, den aktuellen Erfolg des Klubs zu genießen und mich mit den VfBlern zu freuen.

Kontrovers diskutiert wurde vor gut drei Jahren auch Ihre in einem offenen Brief geäußerte Kritik an dem damaligen und heutigen Vereinspräsidenten Claus Vogt. Für Ihren Tonfall entschuldigten Sie sich im Nachhinein. Wie ist Ihr Verhältnis zu Vogt und dem Präsidium heute?

Ich bin nach wie vor mit vielen Leuten in Kontakt, weil ich so eng mit dem Klub verbunden bin und mich eben auch interessiert, wie es beim VfB weitergeht. Ich von meiner Seite bin sehr entspannt. Als ich gegangen bin, war es sicher wichtig, ein wenig Abstand zu gewinnen. Wenn du sechs Jahre in unterschiedlichen Positionen in einem Klub bist, ist eine Pause enorm wichtig. Ich spüre nach wie vor, dass viele Leute an eine gute gemeinsame Zeit zurückdenken, und bevorzuge es, eine kritische Phase, die es zweifelsohne auch gab, nicht zu sehr in den Vordergrund zu rücken. Wir haben uns wieder gefangen und die Kurve gekriegt. Das zählt.

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Für die Schwaben hat nun der kurze Winterurlaub begonnen, in England hingegen wird wie gewohnt durchgespielt. Sie kennen diese Form der Belastung noch aus Ihrer Zeit bei Aston Villa, dieses Jahr wird sogar an Heiligabend gespielt.

Er spiegelt ein wenig die Entwicklung des gesamten Fußballs. Die Spiele werden immer mehr, dazu soll im Sommer 2025 noch die aufgeblähte Klub-WM stattfinden. Die Belastung und der Druck für die Spieler sind schon enorm. Einige Spieler spielen bis zu 70 Spiele pro Saison und das jedes Jahr. Das ist hart an der Grenze. Ich bin aber auch erstaunt, dass die Nachfrage immer noch ungebrochen ist. Man kann fast jeden Tag ein Spiel gucken und viele machen das auch.

Welche Erinnerungen haben Sie an das Fußballspielen zur Weihnachtszeit?

Aus meiner Zeit bei Aston Villa kann ich zunächst einmal nur Positives berichten, weil ich sehr gerne um die Weihnachtszeit gespielt habe. Freunde und die Familie wollten immer zu Besuch kommen und zwischen den Jahren zum Fußballschauen auf die Insel reisen. Es war eine besondere Stimmung, das war immer ein Highlight für mich.

Ihr Ex-Klub Aston Villa mischt gerade die Premier League auf. Auch hier ist der Erfolg, ähnlich wie beim VfB, sehr stark mit Trainer Unai Emery verknüpft, der die Mannschaft auf einen sensationellen dritten Platz geführt hat.

Ich verfolge das Team sehr ausführlich und bin schwer beeindruckt, wie Emery das Team nach seiner Übernahme von Steven Gerard in die Erfolgsspur geführt hat. Auch international vertreten zu sein (Villa spielt in der Europa Conference League, Anm. d. Red.) sorgt bei den Fans für Begeisterung. Möglicherweise winkt in der kommenden Spielzeit sogar die Champions League. Ich gönne dem Klub jedmöglichen Erfolg und hoffe, dass ich bald mal wieder persönlich in Birmingham vorbeischauen kann. Emotional bin ich dem Verein noch sehr eng verbunden.

Aktuell, so zeigt es zumindest das Tabellenbild, ist der Titelkampf in der Premier League so spannend wie selten. Was macht Sie optimistisch, dass, im Gegensatz zu den vergangenen Jahren, ein anderes Team als Man City den Titel holt?

Bis vor kurzem hätte ich auch gesagt, dass City den Titel klar verteidigt. Aber wenn man auf die aktuelle Konstellation blickt, dann habe ich große Hoffnungen, dass wir einen spannenden Meisterschaftskampf bis zum Ende erleben. City kämpft momentan. Die Rückkehr von Kevin de Bruyne wird der Mannschaft einen Push geben. Trotzdem sehe ich keine Mannschaft, die davonprescht, sondern ein sehr ausgeglichenes, spannendes Feld. Das ist für die Fans und die Spannung in der Liga natürlich überragend.

In England lässt sich bekanntlich das größte Geld verdienen. Die Premier League erhält im neuen TV-Vertrag für die vier Spielzeiten von 2025 bis 2029 allein auf dem Heimatmarkt insgesamt 6,7 Milliarden Pfund (7,75 Milliarden Euro). Das ist fast das Doppelte, was die DFL über den Medienvertrag generiert. Die englische Liga scheint finanziell immer mehr zu enteilen.

Die Premier League ist die Topliga schlechthin, global gesehen die Liga Nummer eins. Die Gehälter, die verdient werden, sind natürlich besonders hoch. Die Liga ist aber auch deshalb so attraktiv, weil du eben nicht vor Saisonstart sagen kannst, wer am Ende den Titel gewinnt und es jede Woche absolute Spitzenspiele von höchster Qualität gibt. In Deutschland haben wir das Dilemma, dass Bayern elfmal in Folge Meister wurde. Aktuell sehe ich nicht, dass sich am Status der Premier League als das fußballerische Maß aller Dinge in den kommenden Jahren irgendetwas ändern wird.

Die DFL hat nun vor wenigen Tagen den bei vielen Fans umstrittenen Einstieg eines Investors beschlossen. Der neue Plan der DFL sieht vor, sechs bis neun Prozent der Anteile einer DFL-Tochtergesellschaft, in welche die kompletten Medienrechte ausgelagert werden, für 20 Jahre zu verkaufen. Dafür soll es zwischen 800 Millionen und einer Milliarde Euro geben. Ist dieser Deal eine Wette auf die Zukunft?

Ich kenne die Details der Gespräche nicht und bin zurückhaltend mit Äußerungen. Ich hoffe jedoch, dass der zukünftige Partner der DFL am Ende einen positiven Einfluss auf die Entwicklung der Bundesliga hat und die Befürchtungen der Fans nicht Realität werden. Man hat gespürt, wie stark der Protest war. Das Spannungsfeld rund um den Fußball ist enorm. Natürlich ist das für Vereinsvertreter nicht immer einfach, aber der Dialog muss aufrechterhalten werden.

Kritiker mahnen, die von der DFL-Spitze immer wieder betonten "Roten Linien" könnten schon bald aufgelöst werden. Anstatt der Premier League nachzueifern, solle man sich auf das besinnen, was die Bundesliga ausmacht: erschwingliche Preise, volle Stadien, fantastische Stimmung. Steht die Bundesliga vor einer Zerreißprobe?

Einigkeit ist kaum zu erreichen. 36 Klubs vereinigen sich mit individuellen Interessen. Klar stehen alle unter dem Dach der DFL, aber während es den einen Klubs wichtig ist, die Position innerhalb der ersten oder zweiten Liga zu stärken, wollen andere wiederum nicht den Anschluss an die internationalen Topklubs verlieren. Gerade bei der Verteilung der TV-Gelder war dies deutlich zu spüren.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Gespräch mit Thomas Hitzlsperger
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