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DFB | Nationalmannschaft hat neuen Türsteher: Robert Andrich


Der "eklige" Robert Andrich
Gegen ihn will keiner spielen


Aktualisiert am 26.03.2024Lesedauer: 5 Min.
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Robert Andrich: Der deutsche Nationalspieler behauptete sich gegen Frankreich bei seinem Startelf-Debüt. (Quelle: IMAGO/H. Langer)

In der Nationalmannschaft ist einiges neu. Auch die Besetzung des defensiven Mittelfelds. Mit dabei ist Robert Andrich, der dem Team eine wichtige Eigenschaft mitgibt.

Manch ein deutscher Spieler machte sich am Samstagabend in Lyon beliebt. Thomas Müller bekam schon bei seiner Einwechslung von französischen Fans vereinzelt Applaus, Toni Kroos wurde sogar noch lauter beklatscht, als er den Platz verließ. Die Belohnung für zwei Fußballer, die aufgrund ihrer Verdienste und Leistungen auch außerhalb Deutschlands gefeiert werden.

Robert Andrich aber bekam keinen Applaus. Robert Andrich bekam Pfiffe. Denn Robert Andrich hatte sich mit Frankreichs Superstar Kylian Mbappé angelegt. In der 69. Minute brachte der deutsche Nationalspieler den Kapitän der "Équipe Tricolore" mit einem Foul zu Boden. Ein Unding für die französischen Fans. Andrich war das völlig egal, er beugte sich über seinen Gegenspieler und schickte ihm noch ein paar Worte hinterher.

Mbappé ging zu Boden und streckte beide Beine in Richtung Andrich aus. Eine Aktion, die manch Schiedsrichter als Tätlichkeit bewerten würde. Am Ende gab es die Gelbe Karte für beide Spieler. Nach dem Spiel erklärte Andrich: "Das war eine Situation, wo ich ihm ein kleines Zeichen mitgeben wollte." Er fügte dann noch an: "Ich glaube schon, dass man da definitiv über Rot nachdenken kann. Wenn er die bekommt, habe ich alles richtig gemacht."

Nagelsmanns zweiter "Aggresive Leader"

Kylian Mbappé ist nicht Andrichs erstes Opfer. Schon seit Jahren bezeichnen Gegenspieler in der Bundesliga Robert Andrich als "eklig". "Das ist ein Kompliment", sagte er einst als Spieler von Union Berlin (2019 bis 2021). Andrich, defensiver Mittelfeldspieler, foult, provoziert, treibt seine Kontrahenten zur Weißglut. Alles für das eine Ziel: den Sieg.

In der Saison 2019/2020 führte er die Bundesliga mit den meisten Fouls an (66), ein Jahr später war er immerhin noch Sechster. In seiner rund zehnjährigen Profikarriere ist Andrich bereits neunmal vom Platz geflogen, die Anzahl der Gelben Karten geht auf die 100 zu. Zahlen, die eine klare Sprache sprechen.

Der deutschen Nationalmannschaft tut Andrich mit seiner Art einen Gefallen. Viel zu oft war die DFB-Elf zu brav und nicht hartnäckig genug. Mit einem Spielertypen wie Andrich ändert sich das. Er ist der Türsteher des deutschen Teams, der niemanden vorbeilässt.

Neben Antonio Rüdiger hat Bundestrainer Julian Nagelsmann mit Andrich nun also einen zweiten sogenannten "Aggressive Leader" auf dem Platz, der besonders in der Defensivarbeit hilft. Dabei sah es lange nicht danach aus, dass dieser eines Tages für die A-Nationalmannschaft auflaufen würde.

Acht Jahre warten bis zur Bundesliga

Ausgebildet wurde Andrich bei Hertha BSC. Der in Potsdam geborene Mittelfeldmann war Teil nahezu jeder Jugendmannschaft der Berliner Stammkraft, lief auch für die deutsche U18, U19 und U20 auf. 2013 erhielt er einen Profivertrag über zwei Jahre, ein Profispiel sollte er in Blau-Weiß aber nicht bestreiten. Andrich verließ Berlin Anfang 2015 Richtung Dresden.

Bei Drittligist Dynamo ging es für ihn gut los, doch in der Folgesaison war er außen vor und wechselte anschließend nach Hessen. Beim SV Wehen Wiesbaden, ebenfalls Drittligist, war er zwei Jahre (2016 bis 2018) aktiv und spielte sich ins Blickfeld des 1. FC Heidenheim, der ihn unter Vertrag nahm. Unter Trainer Frank Schmidt schaffte er den Sprung in die 2. Liga und bestätigte seine Qualitäten, eroberte sich einen Stammplatz. Doch nur ein Jahr später war er wieder weg. Der frisch in die Bundesliga aufgestiegene 1. FC Union Berlin bot mehr als drei Millionen Euro – eine Rekordsumme für die Heidenheimer. Nach zwei Jahren in der Heimat ging es dann nach Leverkusen, wo Andrich bis heute spielt.

Die Nationalmannschaft trauten ihm Weggefährten schon weit vor seiner ersten Nominierung im Herbst letzten Jahres zu. Ex-Trainer Urs Fischer sagte beispielsweise im Januar 2022: "Wenn er weiterhin bereit ist, an sich zu arbeiten, sich nicht ausruht und Gas gibt, glaube ich schon, dass Rob dazu die Qualität hat." Doch für die große Chance musste sich Andrich, wie so oft, gedulden. "Ich kann die Frage leider nicht mehr hören", sagte er noch vergangenes Jahr im April in der Sport-Talkshow "At Broski". "Ich versuche, meine Leistung zu bringen (...) und mehr kann ich nicht machen. Ich hätte mich gefreut, ich hätte es mir auch gewünscht. Ändern kann ich es aber leider nicht." Erst nach dem Aus von Hansi Flick und der Anstellung Julian Nagelsmanns kam die Erlösung.

Mehr als nur der "Kämpfertyp"

Geduld brauchte Robert Andrich auch in der laufenden Saison. Denn in der Bundesliga blieb ihm in Leverkusen in der Hinrunde meist nur die Jokerrolle. Im zentralen Mittelfeld setzte Xabi Alonso auf Granit Xhaka und Weltmeister Exequiel Palacios. Nur wenn Alonso rotierte, in der Europa League und im DFB-Pokal zum Beispiel, stand Andrich in der Startelf.

Als sich Palacios jedoch Ende Januar verletzte, rutschte der deutsche Nationalspieler in die Startelf – und nutzte seine Chance. Ex-Nationalspieler und t-online-Experte Stefan Effenberg gefällt Andrichs Einstellung. "Bei ihm sieht man, dass sich Beharrlichkeit auszahlt. Bei Bayer Leverkusen auf der Bank gesessen, unzufrieden gewesen, aber nie aufgegeben, immer weiter gemacht", hob Effenberg im Sport1-"Doppelpass" am Sonntag hervor und ergänzte: "Das ist ein Spielertyp, den jede Mannschaft auf der Sechser-Position braucht. Weil er ist unfassbar zweikampfstark, sucht den Abschluss aber auch. Er füllt nicht nur die defensive Rolle aus, sondern setzt auch Akzente nach vorne."

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Tatsächlich ist Andrich mehr als nur der "Kämpfertyp". Der 29-Jährige ist sehr sicher im Passspiel, hat im Klub eine Passquote von knapp 89 Prozent. Damit ist er laut dem Daten-Anbieter Opta präziser als 85 Prozent aller Mittelfeldspieler der besten fünf europäischen Ligen. Auch im DFB-Dress stellte er das gegen Frankreich am Samstag unter Beweis, brachte 92 seiner 102 Passversuche an den Mitspieler (circa 90 Prozent). Zwar überspielt er nicht so viele Gegenspieler wie beispielsweise Toni Kroos oder Florian Wirtz, dennoch bringt er die nötige Sicherheit am Ball mit, die das auf Ballbesitz ausgelegte System Julian Nagelsmanns braucht.

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Und seine Schüsse aus der Distanz sind bei seinen Gegnern gefürchtet. Andrich schließt gerne aus der zweiten Reihe ab, traf so zum Beispiel gegen Mainz 05 in der Bundesliga oder gegen den VfB Stuttgart im DFB-Pokal-Viertelfinale. Auch gegen Frankreich versuchte er sein Glück, wenn auch ohne Erfolg.

Ausbremsen wird ihn das nicht. Robert Andrich wird es weiter versuchen. Denn seine Beharrlichkeit ist bekanntlich seine Stärke. Nicht nur im Zweikampf.

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