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Handball-WM 2019: Was der Handball dem Fußball voraus hat


Eine Liebeserklärung
Was der Handball dem Fußball voraus hat

MeinungEin Kommentar von Martin Trotz

Aktualisiert am 24.01.2019Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Halbfinale: Das deutsche Team jubelt nach dem Krimi gegen Kroatien.Vergrößern des Bildes
Halbfinale: Das deutsche Team jubelt nach dem Krimi gegen Kroatien. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)

Die deutschen Handballer werden auf einer Euphoriewelle durch die Heim-WM getragen. Doch es gibt gute Gründe, den Sport auch abseits der großen Events zu lieben.

Jürgen Klopp regte sich zuletzt über ihn auf, bei der WM war er ein Dauerthema: Einen auf dem Boden wälzenden Neymar würde es im Handball nicht geben. Hier geht es zur Sache. Dabei bleibt es aber meistens fair. Wenn Abwehr-Koloss Patrick Wiencek von den blauen Flecken auf seinem Körper spricht, nennt er sie stolz "Körperschmuck".

Rangeleien und Zweikämpfe am Kreis sind an der Tagesordnung und trotz der Ringkämpfe werden sogar Zärtlichkeiten ausgetauscht –wie Uwe Gensheimer und Željko Musa im Spiel Deutschland gegen Kroatien zeigten. Danach geht’s einfach weiter. Ohne Neymar’sche Theatralik oder Andy-Möller-Schwalben.

Doch das ist nur einer der Gründe, warum Handball gerade Millionen Zuschauer in ganz Deutschland begeistert – und mich mehr fesselt als jedes Fußballspiel, sodass ich bei den vielen Dramen auf der Platte gefühlt schon oft nahe am Herzinfarkt war. Der Weltmeister-Torwart von 2007, Johannes Bitter, erzählte mir mal, dass er sich vor Spielen, in denen er sich noch nicht zu 100 Prozent auf der Höhe fühlt, Backpfeifen vor dem Spiegel gibt, um sich zu pushen. Das ist verrückt – und authentisch, so wie der Handball.

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Die Handballer sind viel nahbarer

Der Fußball-Nationalmannschaft rennen (völlig zu Recht) die Zuschauer aus den Stadien weg. Hier spricht DFB-Teammanager Bierhoff beim Werbespruch "Die Mannschaft" von den "Stakeholdern", mit denen man das Problem analysieren müsse. Weniger Fan-Nähe geht nicht. Völlig absurd.

Handballer wie Finn Lemke sind das Gegenbeispiel: Bei der EM-Feier 2016 erzählte er mir freimütig und noch gut beschwipst vom Vorabend von der Feier in Krakau, von einer Irrfahrt im Taxi durch die Stadt und seinen bruchstückhaften Erinnerungen. Die Nahbarkeit eines Handballers stellte Lemke zuletzt nach einem WM-Spiel wieder sehr gut zur Schau.

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Faszination Handball-Torwart

Die verrücktesten Typen stehen aber wohl meistens im Tor. In ein Handball-Tor würde ich mich 60 Minuten lang maximal gegen eine sechsstellige Summe stellen. Ohne Handschuhe einen Strahl, wie die Handballer sagen, abwehren, ist gestört aber geil. Bestes Beispiel ist Islands verrückter Torwart Björgvin Pall Gustavsson:

Außerdem gönnen sich die Torwarte die Paraden gegenseitig. Wenn Andreas Wolff einen Wurf entschärft, indem er mal wieder den Fuß auf Kopfhöhe hochreißt, springt Silvio Heinevetter auf der Bank auf. Und wenn Heinevetter im Eins-gegen-Eins quer in der Luft liegt und den Ball spektakulär hält, reckt Wolff draußen die Faust in die Höhe. So einen Quatsch wie bei Kahn und Lehmann 2006 oder übertriebene Rivalitäten mit persönlicher Antipathie wie bei den DFB-Torhütern Leno und ter Stegen gibt es im Handball nicht.

Mehr Klartext von mündigen Profis

Torwart-Star Wolff geht auch abseits des Platzes voran. Er trägt sein Herz auf der Zunge, macht klare Ansagen in den Interviews. Ein echter Typ, während ich bei jedem Interview von Philipp Lahm damals oder Mesut Özil heute einschlafe. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich kann das Gefasel der auf Medientraining getrimmten Fußballer oft nicht mehr hören. Während der Vorrunde der Handball-WM in Berlin fand ich es beeindruckend, wie offen, klar und ehrlich die DHB-Stars schon Sekunden nach den Spielen die bitteren Unentschieden gegen Russland und Frankreich am t-online.de-Mikrofon analysierten.

Für mich ist das sinnbildlich. Der deutsche Welt-Star Uwe Gensheimer hat BWL studiert, seine eigene Firma für bunte Socken gegründet, und hat so einen Plan für die Karriere danach, wenn es kein Trainerjob werden sollte – und das alles, obwohl er bei den Rhein-Neckar Löwen oder in Paris auch nicht schlecht verdient. Gensheimer statt Goldsteak-Ribéry. Das ist sehr überspitzt formuliert, ich weiß. Und doch beschreibt es ganz gut, warum ich Handball mehr liebe als Fußball.

Es wird nie langweilig

Zumal Langeweile ausgeschlossen ist bei Handball-Spielen: Tor, Zwei-Minuten-Strafe, Glanzparade, Rangelei am Kreis, Siebenmeter – ständig Tor-Szenen, ständig Zweikämpfe, ständig die ganz großen Emotionen. Langeweile kam bisher bei keinem deutschen Spiel während dieser WM auf. Für den einen mögen das zu viele Höhepunkte sein, für mich und meinen Puls ist es genau richtig. Zeit schinden nach einer Führung gibt es nicht, sonst heben die Schiris ratzfatz den Arm und der Gegner bekommt Ballbesitz. Nach der Fußball-WM 2018 sprachen die Fans von drei, vier Spielen insgesamt, die ihnen wirklich in Erinnerung geblieben sind. Bei der Handball-WM 2019 werden wir uns allein schon an alle der zehn Deutschland-Spiele erinnern. So muss Sport sein.


Klar, in der Breite kann der Handball mit Fußball nicht mithalten, weil vielen Zuschauern die Regeln nicht einfach genug sind. Abseits erklären können alle. Beim Handball erkläre ich denen, die mit mir gucken, ständig die Feinheiten und Details in Sachen Regeln. Warum pfeift der Schiedsrichter hier? Warum wechselt der Ballbesitz da? Wer den Handball-Sport wirklich verstehen will, der muss ihn wirklich lesen können und sich damit tiefgründiger beschäftigen. Wenn die deutschen Handballer mit angezeigten oder angesagten Zahlen oder Namen jeden Angriff einleiten, ist jeder Spielzug im Training einstudiert.

Köpfchen statt Kopfball halt.

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