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"Tatort" Faktencheck: Würde die CIA Morde in Auftrag geben?


Würde die CIA wirklich Morde in Wien in Auftrag geben?

Barbara Schaefer

Aktualisiert am 15.01.2018Lesedauer: 4 Min.
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Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) grübeln: Wo liegen die Gemeinsamkeiten der drei Morde in Wien?Vergrößern des Bildes
Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) grübeln: Wo liegen die Gemeinsamkeiten der drei Morde in Wien? (Quelle: ARD Degeto/ORF/E&A Film/Hubert Mican)

Drei Mordopfer innerhalb weniger Tage in Wien – kann das Zufall sein? Nein, glauben die Wiener Ermittler Fellner und Eisner. Aber was verbindet die Toten, einen Serben, einen Georgier und eine Frau? Haben etwa Geheimdienste die Finger im Spiel? Der Faktencheck.

Der erste Tote ist an die Wand genagelt wie eine Christus-Darstellung. Entdeckt wird der tätowierte Serbe bei einer vielbesuchten Wohnungsbesichtigung, eine Spurensicherung ist also fast aussichtslos. Der zweite Tote, ein Georgier, er hängt auf einer öffentlichen Toilette. Das dritte Mordopfer ist eine Frau, auch sie hängt über der Reling einer Yacht.

Das zumindest eint die drei Fälle: Alle Toten wurden an öffentlichen Plätzen drapiert, mit viel Sinn für Dramatik und mit viel Publikumsverkehr. Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) ermitteln in alle Richtungen. Geht es um Ritualmorde, Sexualdelikte oder doch um ein Geheimdienst-Killerkommando?

Tatsächlich wurden alle drei Opfer ermordert, weil sie ein Buch über ihre Vergangenheit schreiben wollten. Darin sollte es um die Verwicklungen der CIA in die sogenannten Farbenrevolutionen in Osteuropa gehen. Das wollte Nenad Ljubic (Misel Maticevic), ehemals Strippenzieher und nunmehr etablierter Professor, vermeiden. Was ist dran an dem "Tatort"? Würde die CIA wirklich einen Mord in Wien in Auftrag geben?

t-online.de: In der "Tatort"-Folge gibt es eine Revolutionsschule in Belgrad, genannt CFF center for free future. Dort werden – nach der erfolgreichen Revolution in Serbien – Revolutionäre anderer osteuropäischer Länder ausgebildet. Ist es denkbar, dass es so etwas gegeben hat?

Ivan Vejvoda: 1998 wurde in Serbien unter Milosevics Regime (zusammen mit bereits bestehenden Oppositionsparteien, zivilgesellschaftlichen Organisationen und bestimmten unabhängigen Medien) eine Studentenbewegung geboren: OTPOR (was Widerstand bedeutet). Es basierte auf gewaltlosem Widerstand und wuchs zu einer Folge von mehreren tausend Aktivisten. OTPOR war entscheidend dabei, alle oppositionellen Kräfte im Vorfeld der Wahlen im September 2000 zu mobilisieren und zu vereinen, als Milosevic friedlich an der Wahlurne besiegt wurde.

OTPOR-Aktivisten gingen in verschiedene Richtungen - eine davon war die Gründung von CANVAS im Jahr 2003. CANVAS setzt sich für den Einsatz von Gewaltfreiheit zur Förderung von Menschenrechten und Demokratie ein und hat mit pro-demokratischen Aktivisten aus mehr als 50 Ländern zusammengearbeitet, darunter Iran, Georgien, Palästina, Aserbaidschan, Tunesien und Ägypten. CANVAS bietet kostenlose Schulungen für Aktivisten und verbreitet sein Wissen durch eine Vielzahl von Medien. Im Jahr 2006 verfassten CANVAS-Mitglieder ein Buch mit dem Titel "Nonviolent Struggle: 50 Crucial Points, ein Leitfaden für gewaltfreie Kämpfe". Ich vermute mal, dass die Drehbuchautoren des "Tatorts" hier ihre Inspiration gefunden haben.

Laut Drehbuch hat "die CIA diese Bürgerbewegungen unterstützt, durchgesetzt, finanziert und gesteuert". Weiß man darüber etwas?

Dies ist nicht der Fall: OTPOR war eine echte Graswurzelbewegung, eine studentische Bürgerbewegung. Wenn CANVAS, einer von OTPORs Nachfolger, eine Inspiration für den erfundenen CFF war, dann muss klar gesagt werden, dass CANVAS oder OTPOR nicht von der CIA finanziert wurde.

Die CANVAS-Website unterstreicht deutlich: Es betreibt ein Netzwerk von internationalen Trainern und Beratern mit Erfahrung in erfolgreichen demokratischen Bewegungen. CANVAS ist eine gemeinnützige Institution, die sich ausschließlich auf private Finanzierung stützt; Workshops sind kostenlos, und revolutionäres Know-how kann kostenlos im Internet heruntergeladen werden.

Ausgerechnet in Wien sind laut Skript die ehemaligen Revolutionäre unter anderen Namen untergetaucht. Ist das denkbar?

Also nach meiner Kenntnis, so als Zeitungsleser, glaube ich nicht, dass das für Wien zutrifft. Aber vielleicht bin ich schlecht informiert, ich verfolge das nicht so intensiv. Nach meiner Kenntnis ist überhaupt niemand von der ursprünglichen OTPOR-Führungsriege irgendwo untergetaucht.

Warum Wien, lautet eine Frage im Drehbuch. Und die Antwort: Die CIA ist in Wien seit dem kalten Krieg ständig vertreten, in vielen internationalen Organisationen. Ist auch das denkbar?

Historisch gesehen gilt Wien als das "größte Spionagezentrum der Welt", mit tausenden von Diplomaten, die in der UNO, der OSZE und den Botschaften arbeiten. Seit dem Kalten Krieg, als Wien von den vier alliierten Mächten besetzt war: USA, UdSSR, England, Frankreich, und seit dem epischen Film "Der Dritte Mann" wird Wien als Bühne für Spionagegeschichten angesehen. Es stimmt also: Alle Mächte haben ihre Geheimdienste in Wien.

Laut Drehbuch erscheint es am Ende doch unwahrscheinlich, dass die CIA Morde in Wien in Auftrag gegeben hat. Denn "irgendwelche in Wien gestrandete Existenzen sind denen scheißegal". Sehen Sie das auch so?

Ich glaube auch, dass das recht unwahrscheinlich ist. Die Hotspots des aktuellen Weltgeschehens sind weitergezogen, in den Nahen Osten und anderswo.

Die Fragen an Ivan Vejvoda stellte Barbara Schaefer. Ivan Vejvoda, geb. 1949 in Belgrad, Serbien. Seit 2017 Permanent Fellow am Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) in Wien, zuvor als Senior Vice President für Programme des German Marshall Fund of the United States in Washington zuständig sowie Direktor des Balkan Trust for Democracy des GMF, ein Projekt zur Stärkung demokratischer Institutionen in Südosteuropa. In den späten 1980er- und 1990er-Jahren spielte er eine tragende Rolle in der Oppositionsbewegung Jugoslawiens. 1989 war er Mitbegründer des Democratic Forum in Belgrad. Ivan Vejvoda ist Mitglied im serbischen P.E.N.-Club.

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