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Uniter: Spezialkräfte-Verein bildete Polizei auf Philippinen aus


Mission im Duterte-Land
Spezialkräfte-Verein Uniter schulte Polizei auf den Philippinen

  • Jonas Mueller-Töwe
  • Lars Wienand
Von Jonas Mueller-Töwe, Lars Wienand

Aktualisiert am 27.02.2020Lesedauer: 6 Min.
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Rechtsextremismus, Tag X, Schattenarmee? Uniter-Aktive stellen sich einem Exklusiv-Interview. (Quelle: t-online)

Eine Hybrid-Einheit deutscher Spezialkräfte ist in einen politisch brisanten Einsatz verwickelt. Recherchen belegen vorhergehende Trainings mit scharfer Munition.

Der vielfach in die Kritik geratene Spezialkräfte-Verein Uniter hat auf den autoritär regierten Philippinen Polizei ausgebildet. Anders als dargestellt könnte es dabei um mehr als medizinische Weiterbildungen gegangen sein. Das geht aus gemeinsamen Recherchen von t-online.de und dem ARD-Politikmagazin "Kontraste" hervor. Ein Polizeichef sagte, seines Wissens habe es bereits bei der Auftaktveranstaltung um "Terrorismus" gehen sollen. Vereinsinterne Unterlagen belegen vorhergehende Übungen mit scharfer Munition.

Zehntausende Tote im "Drogenkrieg"

Den Recherchen zufolge nahmen an den Trainings Kräfte der philippinischen Nationalpolizei (PNP) teil. Die PNP wird in Zusammenhang mit schweren Menschenrechtsverletzungen gebracht. Von Uniter selbst veröffentlichte Bilder zeigen Vereinsmitglieder in einer Polizeistation im Laguna-Distrikt südlich der Hauptstadt Manila. Ein beteiligter Ausbilder des Vereins bestätigte Erste-Hilfe-Schulungen dort.

"Wir sind dahin geflogen, um zu helfen – das hatte mit Politik nichts zu tun", sagte der Soldat, der nur "Alex" genannt werden will. Es sei traurig, dass nun zwei Nachmittage bei der Polizei Thema seien, aber nicht die Kurse für den Katastrophenschutz oder für Kinder in einer Schule. Der Einsatz sei ehrenamtlich und humanitär gewesen.

Doch der Einsatz deutscher Spezialkräfte in dem südostasiatischen Inselstaat ist brisant. Menschenrechtsgruppen werfen der philippinischen Nationalpolizei weit mehr als 20.000 rechtswidrige Exekutionen vor, seit Staatschef Rodrigo Duterte den sogenannten "Krieg gegen die Drogen" angeordnet hat. Selbst laut offiziellen Regierungsangaben wurden mehr als 5.000 angebliche Drogenkonsumenten oder -verkäufer von Einsatzkräften erschossen. Der Internationale Strafgerichtshof hat Vorermittlungen eingeleitet, der UN-Menschenrechtsrat eine eigene Untersuchung angeordnet. In dieser Situation schulten deutsche Spezialkräfte dort Polizisten.

Expertin sieht Einsatz kritisch

"Das passt nicht in die außenpolitischen Richtlinien", sagte dazu Nicole Deitelhoff, Leiterin des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. Sie berät das Verteidigungsministerium zu Fragen der Inneren Führung in der Bundeswehr. "Die Bundesrepublik verurteilt die Menschenrechtsverletzungen im Kampf gegen die Drogen auf den Philippinen. Eine Unterstützung des Regimes ist da nicht angebracht."

Hintergrund: Uniter ist ein von Spezialkräften gegründeter Verein, der vor allem wegen Gründer "Hannibal" mit rechtsextremen Netzwerken in Verbindung gebracht wird. Er stand mit dem Terrorverdächtigen Franco A. in Kontakt, der auch ein (frei verkäufliches) Patch von Uniter hatte. Auch die Gruppe "Nordkreuz" bildete sich aus einem von "Hannibal" administrierten Chat heraus. Sie soll für einen Tag X nach einem Zusammenbruch der staatlichen Ordnung "Todeslisten" mit politischen Gegnern geführt haben. Der Verfassungsschutz durchleuchtet Uniter auf mögliche verfassungsfeindliche Bestrebungen.

Zwar betont Uniter, es sei bei der Auslandsmission um Erste-Hilfe-Kurse gegangen: Die im Juli 2019 auf die Philippinen entsandte Einheit besitzt laut Eigendarstellung allerdings eine Expertise, die für Militär- und Polizeieinheiten erhebliche Vorteile mit sich bringt. Eigentlich ist sie für sehr viel mehr als einfache Erste-Hilfe-Kurse vorgesehen.

Denn bei der vereinseigenen "Medical Response Unit" (MRU) handelt sich um eine sogenannte Hybrid-Einheit aus Polizisten, Soldaten, Medizinern und Rettungskräften. Mitglieder wurden laut Vereinsangaben bereits in ihrem Beruf in "Taktischer Medizin" ausgebildet. Ihre Expertise liegt also nicht allein in der Notfallmedizin, sondern birgt eine erhebliche taktische Komponente, von der kämpfende Einheiten profitieren können. Die sogenannte "Tactical Combat Casualty Care" (TCCC) gilt als Notfallmedizin unter Bedingungen des Gefechtsfeldes.

Das Ziel: eine bewaffnete Einheit

Neben der Versorgung der Verwundeten ist ein primäres Ziel die Absicherung der Versorgung – um weitere Verwundete zu vermeiden, muss laut internationalen Standards deswegen auch Feuerhoheit hergestellt werden. Vereinsausbilder "Alex", der taktische Leiter der Einheit, bestätigte t-online.de und "Kontraste": Langfristig soll tatsächlich eine Einheit gebildet werden, die ihre Sanitäter im Einsatz auch aktiv mit Schusswaffen verteidigen kann. Das sei aber nicht aktueller Stand der gemeinsamen Ausbildung und stehe "noch in den Sternen". Außerdem müsse man Rücksicht auf die Gesetzeslage nehmen. Derzeit kämpfe man eher mit dem zunehmenden Mitgliederschwund, sagten mehrere Funktionäre des Vereins.

Bislang hielt sich Uniter hinsichtlich der langfristigen Pläne für die Einheit weithin bedeckt. In Pressemitteilungen hieß es zwar, mit der "Medical Response Unit" sei eine Einheit entstanden, die zur "aktiven Selbstverteidigung innerhalb von bewaffneten Konflikten" befähigt werden soll "und dazu, sich eigenständig gesichert fortzubewegen". Sie fülle damit eine "Lücke zwischen zivilen Rettungskräften und den vor Ort tätigen Sicherheitskräften, wie der Polizei". Vom Schusswaffeneinsatz war aber bislang nicht die Rede. Ein Uniter-Insider berichtete allerdings ebenfalls von der Zielsetzung.

"Wir trainieren unter scharfem Schuss"

In Deutschland übten Mitglieder dafür mit scharfer Munition. Das geht aus einer vereinsinternen Einladung aus dem Jahr 2018 hervor, die t-online.de und "Kontraste" vorliegt. "Wir trainieren", ist in dem Schreiben an die Uniter-Mitglieder zu lesen, "unter scharfem Schuss im Trupprahmen. Grundvoraussetzung: Sicherer Umgang mit der Kurzwaffe." Der Teilnahmebeitrag solle vorab an den Verein überwiesen werden. Auch der taktische Leiter der MRU bestätigte t-online.de und "Kontraste" solche gemeinsamen Trainings. Die Übungen seien aber in gesetzlichem Rahmen und "an der Schwelle zum Hobby".

Hintergrund:Bislang hatte der Verein einen Zusammenhang zwischen Waffenübungen und der "Medical Response Unit" stets bestritten. Das ARD-Magazin "Monitor" hatte zuletzt ein Video einer paramilitärisch anmutenden Übung 2018 in Mosbach veröffentlicht. Die zuständige Staatsanwaltschaft ließ Wohnungen durchsuchen und mehrere Softairwaffen sicherstellen.

"Eine klassische militärische Dienstleistung" nennt hingegen Expertin Deitelhoff das, worauf Uniter ihre Einheit offenbar langfristig trainieren möchte. Sie sieht deswegen eine Regulierungslücke im deutschen Recht: Sollten solche Fähigkeiten bei Einsätzen wie auf den Philippinen weitergegeben werden, unterliege das bislang nicht der Rüstungsexportkontrolle. Das Verteidigungsministerium bestätigte auf Anfrage von t-online.de und "Kontraste" diese Einschätzung.

Worum ging es dem Verein also bei seinem Auslandseinsatz? Wieso schulte man die philippinische Nationalpolizei? Wieso nicht nur Rettungskräfte, wie ursprünglich in Pressemeldungen angekündigt?

"Das ist über meiner Sicherheitsstufe"

Mehrfach verweisen Uniter-Verantwortliche bei solchen Fragen auf andere Vereinsmitglieder. Konkret angesprochen auf die Mission in Übersee winkt auch ein Distriktleiter zunächst ab – denn in dem Verein weiß längst nicht jedes Mitglied, was der Vorstand plant oder tut. Informationen werden vorsichtig geteilt. "Das ist über meiner Sicherheitsstufe", sagt der Mann, der sich selbst "Duke" nennt. "Reden Sie mit 'Hannibal'." Also mit André S., dem Vereinsgründer, langjährigen Vereinsvorsitzenden und heutigen Deutschland-Chef, der kürzlich wegen eines Sprengstoffvergehens zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.

Der ehemalige Elite-Soldat "Hannibal" räumt im Anschluss allerdings lediglich ein, dass philippinische Polizeikräfte ausgebildet worden seien. Ein Problem sieht er darin nicht. Anders als der heutige Vereinsvorsitzende "Michael": "Ich will das gar nicht schönreden, das war zumindest nicht so geplant", sagt er t-online.de und "Kontraste". Derzeit scheine es so, als könne der Verein es niemandem recht machen. "Wir sind aber nicht verantwortlich für die Situation in den Philippinen." Ähnlich wie andere Vereinsvertreter sagt er: Die Kooperation mit der Polizei habe sich spontan vor Ort ergeben.

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Ein Treffen in Manila

Klar ist allerdings: Bereits Monate vor den Schulungen, im Februar 2019, trafen Uniter-Mitglieder laut eigener Pressemitteilung bei einer Auftaktveranstaltung "hochrangige Vertreter der Polizei, von Heer, Luftwaffe und der Navy" in einem Hotel nahe der Hauptstadt Manila. Fotos, über die die "taz" damals zuerst berichtete, zeigen Männer der philippinischen Nationalpolizei unter den Teilnehmern. Sie wurden zu dem Vortrag offenbar eingeladen. "Mir wurde gesagt, dass eine deutsche Gruppe einen Vortrag über Terrorismus hält", sagte dazu Eleazar Matta, der verantwortliche Polizeichef der Provinz Laguna.

Das philippinische Nachrichtenportal "Rappler", das die Recherchen von t-online.de und "Kontraste" unterstützte, hatte ihn bereits im April um eine Stellungnahme gebeten. Er sei von einem befreundeten Sicherheitsunternehmer dazu eingeladen worden und habe Untergebene dorthin geschickt, sagte Matta damals. Konkrete Pläne zur Zusammenarbeit seien nicht vereinbart worden. Auf weitere Anfragen reagierte Matta zuletzt nicht mehr.

Über den Vortrag im Februar wisse er nichts, sagt dazu der später auf den Philippinen eingesetzte Uniter-Ausbilder "Alex". Man könne sich nicht aussuchen, wer an solchen Veranstaltungen teilnehme, sagt "Hannibal". Um Terrorismus sei es jedenfalls nicht gegangen. Und worum ging es bei den anschließenden Schulungen im Juli?

Schilderungen klingen harmlos

Taktische Ausbildung habe Uniter nicht durchgeführt, sagt der beteiligte Ausbilder t-online.de und "Kontraste" im Beisein seines Distriktleiters. Es habe sich um ganz normale Erste-Hilfe-Kurse für die etwa 40 Teilnehmer gehandelt: stabile Seitenlage, Wunden versorgen, Blutungen stillen. "Die hatten ja so gut wie keine Grundlagen. Für taktische Elemente hatten wir überhaupt keine Zeit." Es habe sich lediglich um zwei Nachmittage gehandelt. t-online.de und "Kontraste" konnten diese Schilderungen nicht unabhängig überprüfen.

Laut Unterlagen eines anderen deutschen TCCC-Anbieters sind drei Tage eine ausreichende Zeitspanne für Trainings, die unter anderem Außenübungen, die Simulation von Versorgung unter Feuer und das Durchspielen taktischer Szenarien umfassen. Für eine solche Ausbildung von bis zu drei Dutzend Teilnehmern werden 24.000 Euro in Rechnung gestellt. Laut Uniter-Angaben waren die Schulungen auf den Philippinen wesentlich kürzer. Auch die Anti-Drogen-Kampagne der Regierung sei nicht thematisiert worden.

Ein weiteres Foto der Schulungen auf den Philippinen wirft allerdings Fragen auf: Zu sehen sind zwei Uniter-Mitglieder an einer Trainingspuppe. Links im Bild, direkt neben ihnen, ist eine Tafel abgebildet. Auf ihr sind Statistiken aufgeführt – Gesamtzahl der Insassen, weiblich, männlich, Kinder in Haft, davon "drogenbezogen": 757. Wurde Dutertes Feldzug gegen die Drogen also doch thematisiert, seine Bedingungen für Einsatzkräfte berücksichtigt? Die Tafel sei ihm nicht erinnerlich, sagt der beteiligte Ausbilder dazu. Der "Krieg gegen die Drogen" sei nicht zur Sprache gekommen.

Dabei hätte es guten Grund gegeben, darüber zu sprechen. Seit Staatschef Duterte den Drogenkrieg erklärt hat, ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen in Gewahrsam des Staates drastisch angestiegen. Laut philippinischen Medienberichten trauen sich viele nicht mehr, den Gewahrsam zu verlassen, weil zu viele Jugendliche von Sicherheitskräften erschossen werden.

"Unsere Intention war nicht, die Polizei dort dazu auszubilden, diese widerwärtige Arbeit noch besser ausführen können", sagt der heutige Vereinsvorsitzende "Michael" dazu. "Deswegen sind wir nicht dorthin." Auf Anfrage des Nachrichtenportals "Rappler" schreibt der Verein sogar davon, die Aktivitäten auf den Philippinen vorerst zurückgestellt zu haben. Ein weiteres Engagement des Vereins sei erst möglich, sollte sich die politische Lage auf den Philippinen ändern. Der Grund: schlechte Presse.

Das ARD-Politikmagazin "Kontraste" zeigt am heutigen Donnerstag, den 27. Februar 2020, um 21.45 Uhr einen Beitrag über die gemeinsamen Recherchen zur Auslandsmission von Uniter.

Verwendete Quellen
  • eigene Recherchen
  • US-Justizministerium: "Philippinies 2018 Human Rights Report" (engl.)
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