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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Verbraucherpreise Trotz hoher Inflation – das ist alles billiger geworden

Für Verbraucher ist das Leben in diesem Jahr deutlich teurer geworden. Das liegt vor allem an einer Gütergruppe. Doch es gibt auch Dienstleistungen und Produkte, deren Preise gesunken sind.
Monat für Monat verkündet das Statistische Bundesamt eine höhere Inflationsrate, im November lag sie gar bei 5,2 Prozent – so hoch wie seit 1992 nicht mehr. Der rasante Anstieg liegt vor allem an den explodierenden Energiekosten, die sich wiederum auf die Preise zahlreicher anderer Güter auswirken. Doch die Inflationsrate ist nur ein Durchschnittswert, einige Waren und Dienstleistungen sind sogar günstiger geworden.
Welche das genau sind, zeigt ein Blick auf den Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamts, der an diesem Freitag aktualisiert wurde. Um den Index – und damit die Inflationsrate – zu berechnen, verwendet die Behörde einen fiktiven Warenkorb, der 650 Güterarten umfasst. Er soll alle Waren und Dienstleistungen repräsentieren, die private Haushalte in Deutschland kaufen.
Folgende Güter sind den Statistikern zufolge billiger geworden:
- Ton-, Bild- und andere bespielte Datenträger: -14,3 Prozent
- Computersoftware: -3,9 Prozent
- Versicherungsdienstleistungen für die Wohnung: -3,3 Prozent
- Gemüse (ohne Kartoffeln), frisch oder gekühlt: -1,9 Prozent
- Andere Empfangs-, Aufnahme- und Wiedergabegeräte: -0,8 Prozent
- Entgelt für Glücksspiele: -0,6 Prozent
- Backmischung für Kuchen: -0,4 Prozent
- Andere Bekleidungsartikel: -0,3 Prozent
Gas, Öl und Sprit treiben Inflation an
Besonders verteuert haben sich hingegen weiter die Energiepreise. Spitzenreiter ist dabei Flüssiggas, dessen Preis seit November 2020 um mehr als 83 Prozent gestiegen ist. Es folgen Heizöl (+59,1 Prozent), Diesel (+48,5 Prozent), Autogas (+46,0 Prozent) und Superbenzin (+41,2 Prozent).
Deutlich mehr Geld mussten Verbraucher auch für die Miete von Fahrzeugen, Garagen und Stellplätzen ausgeben (+27,5 Prozent). Kameras verteuerten sich um 16,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Bei den Lebensmitteln sind die Preise für Eier stark gestiegen (+14,7 Prozent). Gleiches gilt für Trockengemüse und konserviertes Gemüse (+12,7 Prozent) sowie Butter und Margarine (beides +12,3 Prozent).
Ärmere Haushalte tragen die größte Last
Die Folgen der Inflation bekommen vor allem ärmere Haushalte und Rentner zu spüren. Das zeigt eine neue Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Für die einkommensärmsten Deutschen sind die Lebenshaltungskosten demnach seit 1995 um fast 34 Prozent gestiegen, die der einkommensreichsten Haushalte dagegen nur um rund 28 Prozent.
Ein 80-Jähriger mit durchschnittlichem Konsumverhalten zahlt heute knapp 43 Prozent mehr für seinen Lebensstandard als ein vergleichbarer 80-Jähriger im Jahr 1995, junge Erwachsene im Alter von 18 bis 24 dagegen nur rund 19 Prozent mehr.
Die Unterschiede erklären sich die Forscher anhand der verschiedenen Konsumgewohnheiten. Während arme Haushalte einen großen Teil ihres Einkommens für Miete, Gas, Strom und Lebensmittel ausgeben müssen, kaufen reiche Haushalte vergleichsweise viele Elektrogeräte – und die sind mit der Zeit immer günstiger geworden. Jüngere Menschen spüren die Teuerung unter anderem deshalb weniger stark, weil sie im Vergleich zu Älteren in kleineren Wohnungen oder WGs leben.
Ökonom: Spätestens im Januar sinkt die Inflation
Viele Verbraucher sind angesichts der Entwicklung der vergangenen Monate verunsichert: Steigen die Preise jetzt immer weiter?
Entwarnung kommt von Sebastian Dullien, dem wissenschaftlichen Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Er sagt: "Es bestehen gute Chancen, dass wir mit dem aktuellen Anstieg den Höhepunkt der Inflation erreicht haben oder dass dieser spätestens im Dezember erreicht wird."
So lassen sich die hohen Preise erklären
Der hohe Inflationswert sei vor allem durch Sonderfaktoren verursacht worden. Dazu zähle neben den gestiegenen Energiepreisen und den Lieferproblemen bei Rohstoffen auch die zurückgenommene Mehrwertsteuersenkung. Allein diese Rückkehr zum alten Niveau habe die Inflationsrate von Juli bis Dezember um mehr als einen Prozentpunkt in die Höhe getrieben. Dieser Sondereffekt fällt ab Januar weg.
"Auch sind die Ölpreise von ihrem Höchststand wieder gefallen", so Dullien weiter. "Selbst wenn sich die Ölpreise auf dem aktuell hohen Niveau stabilisieren sollten, wird ihr Beitrag zur Inflation schon im Januar deutlich zurückgehen." Erste Indizien deuteten zudem auf eine allmähliche Entspannung bei den Lieferketten hin.
Bis sich all das auf die Preise auswirkt, müssen sich Verbraucher dem Ökonomen zufolge aber wohl noch gedulden. "Es könnte bis in die zweite Jahreshälfte 2022 dauern, bis die Inflationsrate wieder unter die Marke von 2,0 Prozent fällt."
- Eigene Recherche
- Destatis: "Preisentwicklung ausgewählter Waren und Dienstleistungen, November 2021"
- DIW-Studie
- Statement von Sebastian Dullien