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Lungenkrebs: "Wer Beschwerden hat, bei dem ist es meist schon zu spät."


Lungenkrebs
"Wer Beschwerden hat, bei dem ist es meist schon zu spät"


Aktualisiert am 20.11.2019Lesedauer: 6 Min.
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Rauchen: Die Schadstoffe in Zigaretten verursachen jährlich bei tausenden Menschen Lungenkrebs, vor allem Männer sind betroffen. (Quelle: Klubovy/getty-images-bilder)

Lungenkrebs ist eine der häufigsten Krebsarten in Deutschland. Bei Männern ist es die zweithäufigste Krebserkrankung und bei Frauen rangieren bösartige Geschwülste in der Lunge an dritter Stelle der Statistik. t-online.de hat einen Lungenspezialisten vom Berufsverband der Pneumologen befragt, was Warnsignale für Lungenkrebs sind und wie man sein Risiko senkt.

Dr. Michael Barczok ist niedergelassener Lungenfacharzt in Ulm und Sprecher des Berufsverbands der Pneumologen.

Herr Dr. Barczok, der Auswanderer und bekannt gewordene Schlagersänger Jens Büchner ist für die Öffentlichkeit überraschend an Lungenkrebs gestorben. Wie ist es möglich, dass er noch vor wenigen Wochen singend auf der Bühne stand?

Dr. Michael Barczok: Er wird schon längere Zeit Lungenkrebs gehabt und es irgendwann auch gewusst haben. Aber die Leistungsfähigkeit der Lunge ist zunächst einmal durch einen Tumor nicht unbedingt behindert. Sie können damit Singen. Bei Lungenkrebs wächst zwar ein Fremdkörper heran, aber das Gewebe drum herum ist noch weiterhin funktionsfähig.

Wie kündigt sich Lungenkrebs an?

Die Krankheit kündigt sich leider nicht so eindeutig an. Erstens dauert es sehr lange, bis ein Tumor so ausgeprägt in der Lunge vorhanden ist, dass er tatsächlich Beschwerden macht und wenn, dann löst er Husten aus. Und das ist natürlich ein Symptom, dass viele nicht wirklich ernst nehmen, vor allem, wenn sie rauchen. Lungenkrebs verursacht zudem Verschleimungen und je nachdem, wo er sitzt auch Atemnot. Und was dann dazu kommt, ist, dass der Körper verfällt, dass man Gewicht verliert, dass die Gesichtszüge sich verändern. Es wird körperlich sichtbar, dass etwas nicht mehr funktioniert.

Ist der Husten vergleichbar mit Husten, den man von Erkältungsinfekten kennt oder den Raucher ohnehin kennen, weil er immer mal auftritt?

Lungenkrebs wird bei fast allen Menschen durchs Rauchen ausgelöst. Durch die Schadstoffe wird die Müllabfuhr der Lunge behindert. Wenn man eine Zigarette raucht, dann bleibt die Müllabfuhr etwa acht Stunden stehen. Wir haben Flimmerhärchen in den Bronchien die bringen Schleim und Dreck und alles, was wir so einatmen, nach oben. Das funktioniert wie ein Förderband. Die Lunge muss dafür sorgen, dass der Dreck kontinuierlich immer wieder aus der Lunge herausgeschafft wird. Und das macht sie mit Husten.

Das heißt die körpereigenen Reinigungsmechanismen der Lunge werden bei Rauchern überfordert?

Genau. Das funktioniert bei Rauchern nicht mehr richtig, weil sie mit jeder Zigarette für acht Stunden die Müllabfuhr ausschalten. Deshalb husten viele Raucher morgens Schleim ab. Die letzte Zigarette liegt lange genug zurück, sodass sich die Flimmerhärchen wieder erholt haben. Und dann husten sie häufig den Schleim ab. Durchs Rauchen werden die Flimmerhärchen erst gelähmt und mit der Zeit zerstört. Der Dreck bleibt irgendwann liegen. Husten vor allem am Morgen kennen Raucher über viele Jahre und nehmen das dann nicht mehr ernst. Und die Beschwerden beim Lungenkrebs ähneln dem gewohnten Raucherhusten sehr.

Wann sollte man in jedem Fall zum Arzt gehen?

Wenn jemand, der sonst keinen Husten hat, plötzlich welchen bekommt, der nicht weggeht oder sich verschlimmert, ist das in jedem Fall ein guter Grund, zum Arzt zu gehen. Angehörige von Rauchern sind für mich als niedergelassener Arzt eine wichtige Zielgruppe. Wenn die zu ihren rauchenden Familienmitgliedern sagen, „Du hustest dauernd.“, sollten sie sich nicht abspeisen lassen mit Antworten wie „Ja, ich rauche ja auch.“ Sie sollten stattdessen versuchen, sie zu überzeugen, dass sie sich röntgen lassen, um zu schauen, ob nicht doch etwas da ist.

Wie lange kann Lungenkrebs unentdeckt bleiben?

Zwischen der Entstehung einer einzelnen Lungenkrebszelle und dem ersten Sichtbarwerden zum Beispiel im Röntgenbild oder ersten Beschwerden, können Jahre vergehen. Lungenkrebs entsteht nicht innerhalb von wenigen Wochen. Erst entsteht eine Krebszelle, die muss sich verdoppeln, dann leben zwei Zellen ein paar Wochen, dann verdoppeln die sich wieder und so weiter. Das heißt, ein Lungenkrebs, den wir heute sehen, ist möglicherweise schon vor vielen Monaten oder sogar Jahren entstanden und wächst langsam vor sich hin. Die Zeit zwischen der Entstehung und dem Erkennen der Erkrankung kann daher Jahre betragen.

Gibt es indirekte Hinweise auf Lungenkrebs?

Leider nicht. Jedenfalls nicht, was Lungenkrebs betrifft. Aber bei Rauchern geht Lungenkrebs oft einher mit einer sogenannten COPD, im Volksmund auch als Raucherlunge bezeichnet. Die kann man bei der Messung der Lungenfunktion nachvollziehen. Ein Tumor von zwei oder drei Zentimetern in der Lunge macht keine Probleme. Die Lungenfunktion wird davon nicht eingeschränkt. Lungenkrebs kann man deshalb durch Lungenfunktionsmessungen nicht erkennen. Man sieht den Tumor erst auf dem Röntgenbild. Das ist die einzige Untersuchungsmethode, die eine Krebsgeschwulst in der Lunge sichtbar macht.

In welchem Stadium wird Lungenkrebs in der Praxis meist entdeckt?

Wenn die Symptome von Lungenkrebs Anlass sind, zum Arzt zu gehen, dann ist dieser meist schon in einem weit fortgeschrittenen Stadium. Manchmal kommen aber Patienten wegen anhaltendem Husten oder einer Lungenentzündung oder weil sie turnusmäßig einen Checkup machen lassen oder weil sie bereits COPD haben und deshalb eine Röntgenuntersuchung gemacht wird. Dann wird Lungenkrebs manchmal zufällig entdeckt, noch bevor er Beschwerden ausgelöst hat. Diese Patienten hatten dann Glück. Wenn aber der Tumor selbst der Anlass für einen Arztbesuch ist, dann ist es in der Regel schon zu spät.

Wie ist dann die Prognose eines solchen Patienten?

Häufig leider schlecht.

Wie sieht das in Zahlen aus?

Es gibt verschiedene Typen von Lungentumoren. Deshalb ist es ganz wichtig, dass man klärt, um welche Art es sich handelt. Es gibt Tumoren, die sehr schnell wachsen und auch schnell Metastasen in andere Organe, das Gehirn oder Knochen bilden. Da kann man dann versuchen, durch Maßnahmen wie Chemotherapie oder Bestrahlung das Tumorwachstum zu verlangsamen, aber man kann den Tumor nicht heilen. Es gibt Bronchialkarzinome, die wenn sie eine gewisse Größe noch nicht überschritten haben, herausoperiert werden können. Die große Mehrheit der Lungenkrebspatienten, nämlich 90 bis 95 Prozent, stirbt aber innerhalb von fünf Jahren nach der Diagnose.

Erholt sich die Lunge eines Rauchers, wenn er aufhört wieder, oder ist das ein Mythos?

Es gibt bestimmte Dinge, die sich durchs Aufhören verbessern. Zum Beispiel die Sauerstoffversorgung im Blut, das Kohlenmonoxyd, das man beim Rauchen einatmet, kann den Körper nicht mehr belasten. Das Herzinfarktrisiko sinkt wieder, vor allem wenn man zusätzlich Sport treibt. Das Krebsrisiko verringert sich aber eigentlich nicht. Wer mit dem Rauchen aufhört und fünf Jahre danach noch kein Lungenkrebs hat, kann hoffen, dass er durch das frühere Rauchen auch keinen bekommen wird. Denn die Zellen, die durchs Rauchen entstanden sein könnten, müssten inzwischen so groß geworden sein, dass man sie sehen kann.

Und was ist mit dem Lungengewebe passiert?

Die Schäden am Organ durch den Rauch, die zur Raucherlunge (COPD) führen können, verringern sich durch den Rauchstopp nicht. Da sterben Zellen ab, Lungenbläschen gehen kaputt. Diese Schäden bleiben. Menschen, die zu spät aufhören zu rauchen, werden leider in puncto Lebensqualität und Lebenserwartung nur wenig profitieren. Man sollte das Rauchen deshalb so früh sein lassen, solange noch keine irreversiblen Schäden entstanden sind. Sobald die Lungenfunktion durch Rauchen geschädigt ist, erholt sie sich nicht mehr. Sie wird nur nicht so schnell schlechter, wie es gewesen wäre, wenn man weiter geraucht hätte.

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Was kann man präventiv tun, außer mit dem Rauchen aufzuhören?

Wenig. Wir haben keine gute Vorsorgeuntersuchung für Lungenkrebs. Es wird nicht einfach aus Verdacht geröntgt, weil die Röntgenstrahlen ihrerseits schädlich sind. Wir können sagen, wenn man Nichtraucher ist, hat man ein sehr geringes Risiko an Lungenkrebs zu erkranken. Und wenn man raucht, hat man ein sehr hohes.

Mit dem Rauchen aufhören

Wer mit dem Rauchen aufhören möchte, wird von verschiedensten Institutionen unterstützt. So bietet der Bundesverband der Pneumologen ein Nichtraucherprogramm an. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) verfügt ebenfalls über ein Ausstiegsprogramm für Raucher. Auch Ihre Krankenkasse finanziert in der Regel einen Entwöhnungskurs.

Welches Risiko tragen Passivraucher?

Beim Passivrauchen bekommt man zwar weniger Dreck ab, aber es bleiben immer noch genügend Schadstoffe in der Luft erhalten. Passivraucher haben deshalb ein rund 30 Prozent erhöhtes Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken als Nichtraucher.

Wie ist die Abstufung des Lungenkrebsrisikos zwischen Gelegenheitsrauchern und „richtigen“ Rauchern?

Es gibt leider keine Unbedenklichkeitsschwelle. Es gibt keine Studien, die zum Beispiel sagen, unterhalb von fünf Zigaretten ist das Lungenkrebsrisiko null. Nach oben hin kann man aber in jedem Fall sagen, je mehr Gift man in die Lunge hineinbringt, desto größer ist das Erkrankungsrisiko. Es wird einen Unterschied machen, ob man ein paar Zigaretten oder zwei Schachteln am Tag raucht. Wir wissen bei der COPD, dass man als Frau bei einer Schachtel täglich über einen Zeitraum von 20 Jahren und bei Männern von einer Schachtel täglich über einen Zeitraum von 30 Jahren dran ist. Man bekommt eine Raucherlunge. Raucht man täglich drei Schachteln, dauert es nicht 20 sondern nur sechs Jahre, bis es zur chronischen Lungenerkrankung COPD kommt. Ob das für den Lungenkrebs auch gilt, wissen wir so genau nicht. Man kann nur eines sagen: So lange man in einem Umfang raucht, der die Müllabfuhr der Lunge nicht komplett über Tage hinweg lahmlegt und die normalen Entsorgungsmechanismen noch funktionieren, ist das Lungenkrebsrisiko vermutlich überschaubar.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
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