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Hamas-Angriff in Israel | China entscheidet sich für Terror: "Moralischer Bankrott"


Reaktion empört Israel
China entscheidet sich für den Terror

Von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 13.10.2023Lesedauer: 5 Min.
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Xi Jinping bei den 19. Asian Games in in Hangzhou: Der chinesische Präsident reagiert sehr zurückhaltend auf den Angriff der Hamas auf Israel. (Quelle: IMAGO/Huang Jingwen)

Die Welt blickt entsetzt nach Israel – und verurteilt mehrheitlich die Gräuel der Hamas-Terroristen. Die große Ausnahme: China. Auch jetzt gilt: Peking verfolgt knallhart seine eigenen Interessen.

Nach dem Großangriff der radikalislamischen Hamas auf Israel werden immer mehr Verbrechen der Terroristen bekannt. Hamas-Kämpfer schossen wahllos auf Zivilisten, Männer, Frauen, Kinder; haben sie in ihren Wohnungen und Häusern überfallen und getötet. Nicht einmal vor Kleinkindern und Säuglingen machten sie Halt.

Video | Grausame Szenen von Massakers in Kibbuz erschüttern
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Quelle: t-online

All diese schrecklichen Verbrechen sorgen in Israel zunehmend für ein Staatstrauma. Schon jetzt steht fest: Es war der tödlichste Tag für Juden seit dem Holocaust. Umso wichtiger ist für das Land die breite internationale Solidarität, die im Angesicht des Terrorismus in der Vergangenheit zumeist selbstverständlich war.

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Diesmal allerdings nicht. Der Schatten der geopolitischen Kämpfe von Russland und China gegen die westlich dominierte Ordnung legt sich auch über den Nahostkonflikt. Die chinesische Führung stellt sich nach dem Hamas-Terror nicht hinter Israel und sorgt damit für Empörung, nicht nur in der israelischen Politik.

Einmal mehr wird auch in diesem Konflikt deutlich, dass Peking knallhart seine Eigeninteressen verfolgt. So sehr China immer wieder versucht, das Selbstbild einer verantwortungsvollen Supermacht abzugeben, die Krisen und Kriege durch Diplomatie stoppen will –, wenn es wie jetzt Knall auf Fall kommt, bricht es in sich zusammen.

China verärgert Israel

Besonders deutlich wurde das am Montag, als Mao Ning, die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums auf Nachfrage von Journalisten folgende dünne Worte aneinanderreihte: "Die Volksrepublik China lehnt Gewalt und Anschläge mit zivilen Opfern ab und verurteilt diese." Auf weitere Nachfrage forderte sie zudem eine Zwei-Staaten-Lösung für Israel und Palästina – Chinas bekannte Position in dem Konflikt.

So ein allgemeiner Aufruf zum Ende der Kämpfe heißt in Diplomatensprache: China gibt der radikalislamischen Hamas nicht die Schuld für die Eskalation – trotz der Ermordung von israelischen Zivilisten. Die chinesische Verurteilung von zivilen Opfern kann jede Seite so lesen, wie sie möchte. Israel kann es auf den Angriff der Terroristen beziehen, die Palästinenser auf die israelischen Luftangriffe auf den Gaza-Streifen.

China verfolgt also bewusst eine strategische Doppeldeutigkeit.

Doch die Taten der Hamas waren dermaßen martialisch, dass die chinesische Strategie nicht aufgeht. Das israelische Außenamt reagiert empört und verärgert. Yuval Waks, ein hochrangiger Mitarbeiter der israelischen Botschaft in Peking, erklärte, er habe sich eine "stärkere Verurteilung" der Hamas gewünscht. Und: "Wenn Menschen auf den Straßen ermordet und abgeschlachtet werden, ist dies nicht der richtige Zeitpunkt, um eine Zwei-Staaten-Lösung zu fordern."

Deutlicher werden Israelis in den sozialen Netzwerken. "Chinas moralischer Bankrott ist vergleichbar mit seiner Reaktion auf die Ukraine", schrieb Tuvia Gering, ein israelischer Experte für chinesische Außenpolitik, auf der Plattform X (ehemals Twitter). "Ist Neutralität das Beste, was Peking zu bieten hat? Dann ist der moralische Kompass Chinas zerbrochen."

Xi sieht eigene Interessen in Gefahr

Schon im Ukraine-Krieg ist China mit seinem Zögern und Zaudern politisch auf die Nase gefallen. Es wird als Unterstützer von Wladimir Putins Angriffskrieg wahrgenommen und eben nicht als neutrale Supermacht. Es gibt keine Neutralität im Angesicht des Terrors.

Aber ist Chinas Zögern wirklich eine Überraschung? Es gibt in jedem Fall mehrere Gründe, warum sich der chinesische Präsident Xi Jinping auch nach dem Hamas-Angriff nicht klar positioniert:

1. Chinas Angst vor dem Terror

China verfolgte international unter Xi stets eine zurückhaltende Position gegenüber dem islamistischen Terrorismus. Schon beim Aufkommen des Islamischen Staats (IS) in Syrien und im Irak ab 2013 machte Peking keine Anstalten, sich an dem Kampf gegen die Terrormiliz zu beteiligen.

Auch dabei geht es um Eigeninteressen. "Es ist für Peking klar, dass die Herangehensweise der USA in Syrien und dem Nahen Osten nicht funktioniert", sagte Li Guofu vom staatlichen Chinesischen Institut für Internationale Studien der US-Agentur Bloomberg. Die Syrien-Politik der USA habe zur Eskalation geführt: "Man sieht das Phänomen: Je härter sie zuschlagen, desto größer der Terrorismus."

In China selbst leben 20 Millionen Muslime, besonders der turkstämmige Teil der chinesischen Bevölkerung wird von der chinesischen Regierung gewaltsam unterdrückt. Wenn sich Peking nun international in diesen Kampf werfen würde – so die chinesische Lesart –, könnte es auch in China zu Anschlägen kommen.

2. Achse mit Russland und dem Iran

Außerdem steht für die chinesische Führung vor allem der Kampf gegen die USA im Zentrum ihrer Geostrategie. Dafür hat China die Partnerschaft mit Putin und dem iranischen Mullah-Regime gestärkt. Israel wird dagegen als enger Partner der Amerikaner wahrgenommen.

Das hinderte Peking nicht daran, gute Beziehungen zur israelischen Regierung zu pflegen. Die chinesischen Investitionen in israelische Infrastruktur und im Technologiesektor sind dermaßen gestiegen, dass die USA vor einer zu starken Abhängigkeit von China warnten. Doch nun muss sich China entscheiden und strategisch wichtiger sind für Xi offenbar die Beziehungen zum Iran, der mutmaßlich die Hamas im Gaza-Streifen bewaffnet.

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Auch das hat mehrere Gründe. Einerseits läuft die wichtigste Landroute der chinesischen Neuen Seidenstraße nach Europa durch den Iran. Andererseits versucht China zunehmend seine diplomatischen Beziehungen in den Nahen und Mittleren Osten auszubauen, weil es das Machtvakuum nutzen möchte, das die USA in der Region mit ihren Truppenabzügen zurückgelassen haben.

3. Strategische Ziele in der Region

Dementsprechend spielt China in der Region sein eigenes diplomatisches Spiel. Zuletzt hat Xi direkte Gespräche zwischen den Erzfeinden Iran und Saudi-Arabien orchestriert. Wenn es nun um das Schicksal der Palästinenser geht, bringt das diese beiden Staaten enger zusammen und das ist im Interesse Pekings.

Sollte China eine Annäherung zwischen den beiden Regionalmächten gelingen, würde das gleichzeitig den Einfluss der USA im Nahen und Mittleren Osten zurückdrängen. Das ist das übergeordnete Interesse Chinas, Russlands und des Iran. Das würde China auch Zugang zum Erdöl der Region sichern, um seine Wirtschaft langfristig zu stabilisieren.

Chinesische Propaganda gegen den Westen

Zur Stärkung der eigenen Wirtschaft setzt China also auch auf Beziehungen zu Ländern im Nahen und Mittleren Osten. Schon früh hat Peking deshalb gute Beziehungen zu den Palästinensern aufgebaut. China gehörte 1988 zu den ersten Ländern weltweit, die Palästina symbolisch als souveränen Staat anerkannten – im Gegensatz zu Deutschland.

Diese Position versteckt die chinesische Führung aktuell hinter einer diplomatischen Zurückhaltung. Aber wenn man erkennen möchte, welche Haltung China wirklich vertritt, kann man immer darauf schauen, welche Meinungen das autoritäre Regime aktuell in Medien und sozialen Netzwerken zulässt.

Das Resultat ist eindeutig: Die chinesische Zeitung "Global Times" sieht die israelischen Angriffe auf den Gaza-Streifen als "Vergeltungsmaßnahme", die zu einer Eskalation führen wird. Auch die Schuldigen sind schon ausgemacht: Es sind die USA. "Die Voreingenommenheit und Einmischung westlicher Länder, allen voran der USA, in die israelisch-palästinensische Frage ist seit Langem offensichtlich", heißt es in dem Propagandablatt.

Verwendete Quellen
  • reuters.com: Middle East crisis tests limits of China's diplomatic push (engl.)
  • bloomberg.com Schumer Rips China Response to Israel-Hamas War on Visit (engl.)
  • time.com: China Calls for Ceasefire, ‘Two-State Solution’ Amid Conflict Between Hamas, Israel (engl.)
  • scmp.com: China Calls for Ceasefire, ‘Two-State Solution’ Amid Conflict Between Hamas, Israel (engl.)
  • mena-watch.com: Hamas: Müssen uns Russland und China zuwenden
  • bloomberg.com: Xi’s Reply to Hamas Attack Shows China’s Limit as Peacemaker (engl.)
  • cnbc.com: China responds to Israel-Hamas conflict with a call to ‘end the hostilities’ (engl.)
  • dw.com: Görlach Global: China, Russland und die Hamas
  • wiwo.de: "Israel erwartet von China eine schärfere Verurteilung der Hamas"
  • derstandard.de: Hamas-Attacken machen neue Gräben zwischen China und Israel sichtbar
  • weibo.com: Beiträge von chinesischen Nutzern
  • businessinsider.com: In China, social media is bursting with support for Palestine — and blame for Washington (engl.)
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