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Tschechen wählen neuen Präsidenten direkt


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Tschechen wählen neuen Präsidenten direkt

Von dpa
Aktualisiert am 11.01.2013Lesedauer: 3 Min.
Präsidentenwahl in TschechienVergrößern des BildesDer Künstler Vladimir Franz: Sein Markenzeichen ist eine dunkelblaue Tätowierung von oben bis unten (Quelle: dapd)
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Es ist eine bunte Truppe, die da in Tschechien um die Wählergunst kämpft: Karel Schwarzenberg, ein Fürst aus dem europäischen Hochadel, trifft auf den ganzkörper-tätowierten Komponisten Vladimir Franz. Der Statistik-Experte Jan Fischer wetteifert mit dem linken Vollblut-Politiker Milos Zeman. Sie alle fühlen sich für das Amt des Staatspräsidenten berufen. Erstmals dürfen die Bürger ihren Präsidenten direkt wählen.

Im Rennen sind auch eine Schauspielerin, eine Ärztin und eine EU-kritische TV-Moderatorin. "Bei einigen Kandidaten habe ich das Gefühl, dass ich nach ihrer Wahl auswandern müsste", hatte der neoliberale Amtsinhaber Vaclav Klaus zum Besten gegeben, der nach fast zehn Jahren im Amt nicht mehr antreten kann.

Entscheidung per Stichwahl wahrscheinlich

Die Wahllokale sind am Freitag und Samstag offen. Eine Stichwahl gilt als wahrscheinlich und würde zwei Wochen später stattfinden.

Die Wahl kann für das EU-Land politisch richtungsweisend sein. Der Präsident ernennt die Regierung. "Ich lehne das ab", sagte Kandidat Fischer in einem Fernsehduell auf die Frage, ob er ein Bündnis aus Sozialdemokraten und Kommunisten absegnen würde. Sein linker Kontrahent Zeman empfindet keine solchen Skrupel. Fischer (62) und Zeman (68) sind die Favoriten der Meinungsforscher. Die Agentur ppm factum sieht Zeman bei 25,1 und Fischer bei 20,1 Prozent.

Gefangenenamnestie zum Abschied

Mit einem Paukenschlag hat der scheidende Präsident Klaus wenige Tage vor der Wahl demonstriert, welche Machtfülle der Mann auf der Prager Burg hat. In einer Amnestie zum 20. Staatsjubiläum begnadigte er fast jeden dritten Häftling des Landes. Bei seinen möglichen Nachfolgern stieß das "Zeichen der Versöhnung" im Wahlkampf auf bitteren Widerstand. "Es war ein grober Fehler", bemängelte Fischer.

Fischer steht selbst wegen seiner kommunistischen Vergangenheit in der Kritik. "Nur die Besten waren in der KSC", prangt es dem Wähler auf Plakatwänden entgegen. Er hatte 1980 das rote Parteibuch der Kommunistischen Partei (KSC) angenommen.

Fischer propagiert den Kampf gegen die Korruption

Nun verlangt der unabhängige Kandidat die Rückkehr zu "Anständigkeit, Professionalität und mehr Achtung der Bürger" in der Politik. Das kommt bei vielen Tschechen gut an, die nach Korruptionsaffären von den großen Parteien enttäuscht sind.

Der 62 Jahre alte Wirtschaftsexperte leitete das tschechische Statistikamt, als er als Parteiloser 2009 überraschend zum Chef einer Übergangsregierung berufen wurde. Nach einem Jahr wechselte er zur Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London. Von 1980 bis zur demokratischen Wende von 1989 war Fischer Mitglied der kommunistischen Partei. Sein jüdischer Vater überlebte die Konzentrationslager Theresienstadt und Auschwitz.

Außenminister Karel Schwarzenberg (75) ist Kopf einer böhmisch-fränkischen Adelsfamilie. Die Jahre des Kommunismus verbrachte Schwarzenberg in Wien, wo er sich für osteuropäische Dissidenten einsetzte. Nach der Wende wurde er Büroleiter des Prager "Dichterpräsidenten" Vaclav Havel. In Tschechien nennt man den konservativen Politiker oft einfach "den Fürsten".

Trinkfester Provokateur in Umfragen vorn

Während für ihn die unbeliebte Sparpolitik seiner Regierung zu einer großen Belastung geworden ist, feiert mit Milos Zeman ein alter Hase ein Comeback. Der linke Vollblut-Politiker und Liebhaber des Kräuterlikörs Becherovka nimmt selten ein Blatt vor den Mund. Als "fünfte Kolonne Hitlers" diffamierte der Linkspolitiker einst die Sudetendeutschen. "In der tschechischen Politik bewegen sich nur Amateure", urteilt der Provokateur nun und will sich einmischen.

1998 führte er die tschechischen Sozialdemokraten (CSSD) zum Wahlsieg und stand vier Jahre lang eine Minderheitsregierung vor. 2003 kandidierte er erfolglos für die Präsidentschaft. Später verließ er die CSSD im Streit.

Alle neun Kandidaten eint das Versprechen, gegen die Korruption anzukämpfen. Doch nicht jeder geht mit gutem Beispiel voran. Die Organisation Transparency International (TI) hat die Finanzierung der Wahlkampagnen bewertet. Die beste Note für Transparenz erhält Fischer. Auf einem hinteren Platz landet Zeman, dem Prager Medien undurchsichtige Verbindungen zu russischen Firmen nachsagen.

Die Jugend steht auf den exzentrischen Franz

Favorit der Jugend ist der 53 Jahre alte Komponist und Theaterprofessor Vladimir Franz, der für seine Ganzkörper-Tätowierung bekannt ist. Er folgte dem Ruf einer Unterstützer-Gruppe auf Facebook. Als promovierter Jurist bringt Franz Sachkenntnisse mit.

Meinungsforscher trauen dem Intellektuellen den dritten Platz zu. In einer Umfrage unter Schülern erreichte er sogar eine Beliebtheit von 41 Prozent.

Ihren Präsidenten kennen die Schüler vom Porträt an der Wand. Aus Hunderten Klassenzimmern verschwand das Bild von Klaus nun vorzeitig - nicht weil er im März geht, sondern aus Protest gegen seine umstrittene Gefangenenamnestie.

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