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Putin: Schauen Sie nach Deutschland

  • Patrick Diekmann
Von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 23.12.2021Lesedauer: 5 Min.
Wladimir Putin auf seiner jĂ€hrlichen Pressekonferenz: Der russische PrĂ€sident relativiert die großen Probleme des Landes in der Corona-Pandemie. (Quelle: Reuters)
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Russland ist in der Corona-Pandemie auf einem katastrophalen Kurs und befeuert den Konflikt mit der Ukraine. PrĂ€sident Putin stellt sich nun den Fragen der Presse – und relativiert die eigenen Probleme.

Alle Jahre kommt sie wieder, die große Putin-Show. Der russische PrĂ€sident stellt sich zum Ende zum Jahreswechsel bei einer mehrstĂŒndigen Pressekonferenz den Fragen von Journalisten. Wladimir Putin nutzt die Gelegenheit, um Werbung fĂŒr sich und seine Politik zu machen. Doch in diesem Jahr ist die Lage anders, es gibt viel KlĂ€rungsbedarf: Russland wurde besonders hart von der Corona-Pandemie getroffen, mit vielen Todesopfern und viel zu wenig Geimpften – obwohl das Land gleich mehrere Corona-Impfstoffe selbst entwickelt hat. Deshalb gibt es an diesem Donnerstag sogar auch kritische Fragen an den Kreml-Chef.

Das diesjĂ€hrige "Treffen" – so wie Putin die Pressekonferenz gerne nennt – ist auch international von großem Interesse. Die Liste der Konflikte zwischen dem Westen und Russland ist lang: Ukraine, Nord Stream 2, russische Auftragsmorde im Ausland und Putins Einfluss auf den belarussischen Machthaber Lukaschenko. Die westlichen Staaten warten auf weitere GesprĂ€chsangebote des russischen PrĂ€sidenten, doch versöhnliche Töne gibt es bei der Pressekonferenz kaum.

Putin stellt sich den Fragen von Journalisten: Dabei spricht er hauptsĂ€chlich ĂŒber die Folgen der Pandemie und ĂŒber außenpolitische Konflikte.
Putin stellt sich den Fragen von Journalisten: Dabei spricht er hauptsĂ€chlich ĂŒber die Folgen der Pandemie und außenpolitische Konflikte. (Quelle: /dpa-bilder)
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Im Gegenteil: Putin zeigt im Angesicht der russischen Probleme vor allem mit dem Finger auf andere LĂ€nder, um mögliche eigene Fehler zu relativieren. Das ist zwar nicht wirklich neu, aber besonders die AusfĂŒhrungen des PrĂ€sidenten zur Corona-Pandemie grenzen an RealitĂ€tsverweigerung.

"Sind wir mal bescheiden"

Besonders die Corona-Lage in Russland ist ernst. "Der Kampf gegen Corona geht weltweit weiter", erklĂ€rt Putin. Russische Experten seien in SĂŒdafrika, um Erkenntnisse ĂŒber die Omikron-Variante zu sammeln.

Gerne spricht der PrĂ€sident ĂŒber die wirtschaftliche Entwicklung. "Wirtschaftlich hat sich Russland schneller von der Pandemie erholt als die meisten anderen LĂ€nder." Die Wirtschaft wachse stabil und die Reallöhne wĂŒrde trotz einer Inflation von acht Prozent steigen. "Die Arbeit der Regierung und der Zentralbank ist – sind wir mal bescheiden – befriedigend."

Doch vor allem die Zahl der Corona-Toten in Russland ist keineswegs "befriedigend". Nach offiziellen Angaben ist die Zahl der Opfer ĂŒber die Marke von 300.000 gestiegen, doch die Folgen der Krise sind offenbar noch katastrophaler als von den russischen Behörden angegeben. Demnach sollen laut dem Moskauer Forscher Alexej Rakscha mittlerweile mehr als eine Million Menschen im Zuge der Corona-Pandemie gestorben sein.

"Was uns Sorgen macht, ist die Lebenserwartung", rÀumt Putin ein. Doch eine Antwort auf eine mögliche Lösung dieses Problems bleibt der PrÀsident schuldig.

Impfvergleich mit Deutschland

Ähnliches gilt fĂŒr die stockende Impfkampagne. Nur knapp 44 Prozent der Bevölkerung sind in Russland doppelt geimpft, obwohl Russland fĂŒnf eigene Vakzine entwickelt hat. Putin geht bei Geimpften und Genesenen von einem Anteil von ĂŒber 59 Prozent aus. Diese Zahl klingt besser, zumindest fĂŒr den Kreml. Immerhin: Auch Putin weiß, dass die Impfskepsis ein Problem ist. "Die Impfquote ist nicht genug. FĂŒr die HerdenimmunitĂ€t brauchen wir 80 Prozent."

Putin nimmt im Ukraine-Konflikt die Nato in die Pflicht: Sie soll eine weitere Osterweiterung ausschließen.
Putin nimmt im Ukraine-Konflikt die Nato in die Pflicht: Sie soll eine weitere Osterweiterung ausschließen. (Quelle: /Reuters-bilder)

Jedoch spricht der russische PrĂ€sident auch hierbei nicht ĂŒber konkrete politische Maßnahmen. Lediglich einen "konsequenteren Kurs" solle man verfolgen, Druck oder eine Impfpflicht lehnt er ab. Neben Phrasen versucht Putin, die niedrige Impfquote in Russland mit einem Vergleich zu Europa zu relativieren.

"Schauen Sie sich einige europĂ€ische LĂ€nder an – wie Deutschland", meint Putin. "Deutschland ist ein Land mit einem der stĂ€rksten Gesundheitssysteme." Trotzdem habe man auch dort große Sorgen ĂŒber eine zu niedrige Impfquote. Der Kreml-Chef lĂ€sst aus, dass die Bundesrepublik mit ĂŒber 70 Prozent eine deutlich höhere Impfquote hat als die Russische Föderation. Putin wolle die Russinnen und Russen von der Impfung "ĂŒberzeugen". In Deutschland setze man auf Druck, trotzdem sei die Impfquote niedrig.

"Man hat uns betrogen"

Mit Spannung wurden außerdem Putins Äußerungen zum Ukraine-Konflikt erwartet, immerhin stehen rund 100.000 russische Soldaten an der ukrainischen Grenze. Putin zeigt sich auf seiner Pressekonferenz unversöhnlich: "Wie soll Russland reagieren?", fragt er. Da werde ein "antirussischer StĂŒtzpunkt" mit modernen Waffensystemen vor "unserer HaustĂŒr" gebaut. "Stellen wir unsere Raketen vor der HaustĂŒr der Vereinigten Staaten auf?"


Die Nato-Staaten seien nun an der Reihe, Russland Garantien zu geben. "Sie sind dran", wĂŒtet Putin. "FĂŒr uns ist unsere Sicherheit wichtig, wir bedrohen keinen." Das stimmt nicht, immerhin wird die Ukraine seit der Annexion der Krim im Jahr 2015 von Russland bedroht. Auch auf der Pressekonferenz wird deutlich, dass der Kreml-Chef nicht unbedingt ein Existenzrecht der Ukraine sieht. "Man hat ein Land entstehen lassen, das vorher nicht existierte."

Zudem hat Russland in den vergangenen Monaten GesprÀchsangebote im Normandie-Format ausgeschlagen. Vielmehr nutzt der Kreml die Zuspitzung des Konflikts, um vom Westen ZugestÀndnisse zu erhalten.

Putin gibt vor allem der Nato-Osterweiterung die Schuld an dem gegenwÀrtigen Konflikt. "'Keinen Meter in Richtung Osten, haben sie gesagt'", erklÀrt er. "Man hat uns betrogen."

Doch es gibt auch Zeichen fĂŒr eine Entspannung, Putin wertet die diplomatischen Signale aktuell positiv. "Bislang haben wir positive Reaktionen gesehen", sagt Putin. "Unsere amerikanischen Partner haben uns gesagt, dass sie bereit sind, diese Diskussion, diese Verhandlungen Anfang kommenden Jahres in Genf zu beginnen." Doch eines ist klar: Jede Erweiterung der Nato in Osteuropa ist fĂŒr Russland "inakzeptabel".

Keine Beweise fĂŒr Nawalny-Vergiftung

Bei einem anderen Thema verfinstert sich Putins Miene: dem inhaftierten Kreml-Kritiker Alexej Nawalny, den der russische PrÀsident nie beim Namen nennt. Auch bei seiner jÀhrlichen Pressekonferenz bezeichnet er Nawalny als "Menschen, der angeblich vergiftet wurde".

Alexej Nawalny: Der Kremlkritiker wurde nach einer Vergiftung zur Behandlung nach Deutschland gebracht.
Alexej Nawalny: Der Kremlkritiker wurde nach einer Vergiftung zur Behandlung nach Deutschland gebracht. (Quelle: /imago-images-bilder)

Auch seine Inhaftierung kommentiert Putin fast schon zynisch. "Es gibt in jedem Land Menschen, die im GefĂ€ngnis sitzen." Außerdem sei gar nicht erwiesen, dass Nawalny vergiftet wurde. "Sie haben uns keine Beweise geschickt, es gab kein Material", sagte Putin. "Nichts. Null." Auch das ist nachweislich falsch: Mehrere Labore, darunter eines der Bundeswehr, hatten nach offiziellen Angaben die Vergiftung nachgewiesen.

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Der PrĂ€sident verteidigte in einer Antwort auch das umstrittene Vorgehen gegen Andersdenkende und sogenannte "auslĂ€ndische Agenten". Vielen sei das unbesiegbare Russland zu groß. "Man kann es nur von innen heraus zersetzen." Das mĂŒsse verhindert werden. Viele Nichtregierungsorganisationen und Medien sind als "auslĂ€ndischer Agent" in Russland eingestuft, was sie als Stigmatisierung kritisieren. Putin betonte, dass Russland Klarheit wolle, wer vom Ausland Geld erhalte und im Interesse eines anderen Landes arbeite.

Die Sprecherin des Kremlgegners Nawalny, Kira Jarmysch, bezeichnete Putin bei Twitter als einen "Feigling" und mit Blick auf die Attentate auf Oppositionelle als "Mörder".

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Der bekannte russische Oppositionelle Nawalny, der im August 2020 nur knapp einen Giftanschlag ĂŒberlebte, befindet sich seit Anfang des Jahres in einem Straflager. Nawalnys Vergiftung und seine anschließende Festnahme hatten das ohnehin angespannte VerhĂ€ltnis zwischen Russland und Europa noch zusĂ€tzlich belastet. Der Westen hatte wegen des Verbrechens Sanktionen gegen Russland verhĂ€ngt. Nawalny hatte Putin persönlich fĂŒr den Mordanschlag auf ihn verantwortlich gemacht.

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