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"Asow-Regiment": Die Ukraine muss sich eine Frage gefallen lasen


Eine Frage muss sich die Ukraine gefallen lassen


Aktualisiert am 24.03.2022Lesedauer: 5 Min.
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"Asow"-Anhänger in Kiew: Der politische Arm der Bewegung ist in der internationalen Szene der Rechtsextremisten vernetzt.Vergrößern des Bildes
"Asow"-Anhänger in Kiew: Der politische Arm der Bewegung ist in der internationalen Szene der Rechtsextremisten vernetzt. (Quelle: Serg Glovny/Zuma/imago-images-bilder)

Das "Asow-Regiment" gilt als ultranationalistisch bis rechtsextrem – und ist offizieller Teil des ukrainischen Militärs. Das spielt der russischen Propaganda in die Hände. Was wirklich dahintersteckt.

Der ukrainische Botschafter in Berlin machte seinem Ärger Luft. "Leute", schrieb Andrij Melnyk auf Twitter, "lassen Sie doch endlich das Asow-Regiment in Ruhe. Bitte."

Wie lange wollten die Medien in Deutschland noch das "russische Fake-Narrativ" bedienen? Und das jetzt, "mitten im russischen Vernichtungskrieg gegen Zivilisten, gegen Frauen und Kinder", so der Botschafter.

Worauf Melnyk anspielt: Seit dem Angriffskrieg Russlands in der Ukraine gibt es vermehrt Berichte über einen militärischen Verband, dessen Kämpfer als ultranationalistisch bis rechtsextrem gelten und der seit 2014 offiziell zur ukrainischen Nationalgarde gehört: das sogenannte Asow-Regiment.

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Was genau steckt dahinter? Wird durch die Berichterstattung über die Kämpfer tatsächlich russische Propaganda verbreitet? Und wie groß ist das Problem mit Rechtsextremen in der Ukraine wirklich? Ein Überblick.

Was ist "Asow"?

Das "Bataillon Asow" bildete sich 2014 – die Miliz unterstützte als eine von zahlreichen Freiwilligengruppen die überforderte ukrainische Armee im Kampf gegen die prorussischen Separatisten in der Ostukraine. Sie spielte eine wichtige Rolle in der Rückeroberung der besetzten Stadt Mariupol, die auch heute wieder belagert ist.

Kurz nach der Rückeroberung Mariupols wurde die Einheit noch 2014 offizieller Teil der ukrainischen Armee. Das sogenannte Asow-Regiment untersteht seither dem Innenministerium.

Seit seiner Gründung hat sich "Asow" insgesamt zu einer vielschichtigen Bewegung entwickelt: Neben dem offiziellen militärischen Teil gibt es auch eine Straßenmiliz, die in mehreren Städten patrouilliert – und deren Mitglieder in Zusammenhang mit Gewalt gegen Minderheiten gebracht wurden. Und es gibt einen politischen Arm: die Partei mit dem Namen "Nationalkorps". Sie ist bei Wahlen aber bislang unbedeutend gewesen.

Welche Rolle spielen "Asow-Kämpfer" im aktuellen Krieg?

Darüber, wie viele Kämpfer dem "Asow-Regiment" angehören, gibt es unterschiedliche Berichte: Die Zahlen schwanken zwischen 1.000 und 2.000. In jedem Fall stellen sie also lediglich einen Bruchteil der mehreren Hunderttausend Soldaten und Freiwilligen, die derzeit die Ukraine verteidigen.

Die gut ausgebildeten Soldaten des Regiments verteidigen im Moment vor allem das belagerte Mariupol. Die Einheiten sollen bereits zahlreiche russische Panzer zerstört haben. Gegen die Stadt am Asowschen Meer mit ursprünglich 500.000 Einwohnern geht Russland bislang mit am brutalsten vor.

Dieses auf Twitter verbreitete Video beispielsweise soll die Zerstörung eines russischen Panzers in Mariupol durch Asow-Kämpfer zeigen:

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Ist die Bewegung rechtsextrem?

Die "Asow-Bewegung" ist Teil eines globalen rechtsextremen Netzwerkes – der politische Arm sei in der internationalen Szene der Rechtsextremisten vernetzt, auch in Deutschland, sagte etwa Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer in der ARD. In Deutschland hält der ultranationalistische Verbund demnach Verbindungen zur rechtsextremen Partei "Der III. Weg" und zu den "Identitären". Die beiden Teile von "Asow", den politischen und den militärischen Arm, gelte es zu unterscheiden – sie seien aber zwei Seiten einer Medaille.

So warb das Regiment auch unter deutschen Neonazis um Nachwuchs: 2017 etwa seien auf einem Rechtsrock-Festival in Thüringen deutschsprachige Flyer verteilt worden, die dazu einluden, "in die Reihen der Besten" einzutreten, um "Europa vor dem Aussterben" zu bewahren.

Einer der "Asow"-Gründer ist Andrej Biletzki, der seit Jahren in rechtsextremen Kreisen unterwegs ist und neonazistische Organisationen anführte. Die extremistische Ideologie der Bewegung war dabei nie ein großes Geheimnis: Kämpfer lassen sich mit rechtsextremen Tattoos und Symbolen fotografieren, einige der Anführer fielen mehrfach mit rassistischen und antidemokratischen Äußerungen auf – und die Uniformen des Regiments ziert das Wolfsangel-Logo: ein Symbol, das auch von der SS im nationalsozialistischen Deutschland verwendet wurde.

"Asow" selbst bestreitet die Nazi-Bezüge des Logos und will es als stilisierte Version der Buchstaben "N" und "I" verstanden wissen – dies stehe für "Nationale Idee".

Seit 2018 ist auch eine Art Straßenpatrouille Teil der "Asow"-Bewegung, die in den Städten "Ordnung wiederherstellen" will. Dabei hätten die "Asow"-Miliz und andere rechtsextreme Gruppierungen "in mehreren Städten Angriffe auf Roma-Siedlungen" verübt und Unterkünfte mit Äxten und Hämmern zerstört, so ein Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International.

Ist das "Asow-Regiment" heute ein anderes?

Gleichzeitig ist "Asow" von heute laut Experten nicht mehr "Asow" von 2014. Der politische Arm etwa versuche nach außen hin nicht mehr extremistisch aufzutreten, sagte Alexander Ritzmann vom Counter Extremism Projekt in Berlin der ARD. Er werte das aber vor allem als PR-Strategie.

Das Regiment hingegen sei durch die Eingliederung in die offiziellen Strukturen als Organisation ideologisch auch weniger gefährlich, so der Extremismusexperte im Deutschlandfunk. Zudem habe "Asow" in der Symbolik abgerüstet und verwendet inzwischen nicht mehr die "Schwarze Sonne" – ebenfalls ein SS-Symbol.

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Kacper Rekawek vom Zentrum für Extremismusforschung der Universität Oslo beobachtet ebenfalls eine Veränderung: Viele der radikalen Gründungsmitglieder hätten das Regiment inzwischen verlassen – neue Mitglieder schlössen sich der Gruppe inzwischen oft aufgrund ihres Rufes als erfolgreiche Einheit und nicht wegen des rechtsradikalen Anstrichs an.

Warum spricht der ukrainische Botschafter von einem russischen Fake-Narrativ?

Das "Asow-Bataillon", das zumindest bei seiner Entstehung ein Sammelbecken für Rechtsextreme war, ist in gewisser Weise ein Geschenk für die russische Propaganda. Sie versucht, die gesamten ukrainischen Streitkräfte als rechtsextrem zu verunglimpfen. Dass es ein "Asow-Regiment" mit eindeutig rechtsextremen Bezügen gibt, das die Regierung offiziell in seine Armee aufgenommen hat, hilft Russland dabei.

Der Vorwurf, dass Nationalsozialisten in der Ukraine ihr Unwesen treiben, bildet das Gerüst der russischen Propaganda – und ist der zentrale Vorwand für den Einmarsch. Die Ukraine müsse "entnazifiziert", die Bevölkerung endlich befreit werden, so Kreml-Chef Wladimir Putin.

"Würde es 'Asow' nicht geben, hätte Russland es erfunden", sagte der Extremismusforscher Rekawek bei "Vice" – so sehr komme es ihnen gelegen. Russlands Taktik sei dabei besonders heuchlerisch, sagte Extremismusforscher Ritzmann im Deutschlandfunk: "In Russland gibt es viel mehr Neonazis als in der Ukraine".

Wenn sich der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk über die Berichterstattung zum "Asow-Regiment" erzürnt, dürfte es ihm auch um diesen Punkt gehen: Dass die Berichterstattung einen kleinen Teil der ukrainischen Streitkräfte größer macht und wichtiger darstellt, als er tatsächlich ist. Die Bedeutung der Gruppe werde massiv aufgebauscht, meint auch Experte Rekawek.

Das sei eine generelle Tendenz: Rechtsextreme seien in der Ukraine lediglich Randerscheinungen, würden von Russland aber als maßgeblicher politischer Einflussfaktor dargestellt, betonte Andreas Umland vom Stockholmer Zentrum für Europastudien. "Die russische Propaganda spielt mit der Unkenntnis der Menschen in Russland und im Westen, die den Kontext nicht kennen. Deswegen funktioniert es so gut", sagte er der "Welt".

Bei den letzten Wahlen 2019 haben die größten rechtsextremen Parteien eine gemeinsame Liste aufgestellt – darunter auch die "Asow"-Partei – und kamen mit 2,15 Prozent nicht einmal ins Parlament.

Der Blick der Ukraine

Während die "Asow"-Ultranationalisten dem Westen Bauchschmerzen bereiten, ist der Blick auf sie in der Ukraine selbst ein anderer: Dort sind sie in erster Linie Verteidiger und Beschützer des Landes – rechtsextreme Bezüge würden in Politik und Gesellschaft oftmals heruntergespielt oder ignoriert, urteilt das Fachmagazin "Foreign Policy".

Als das "Asow-Regiment" im November 2014 offiziell Teil der ukrainischen Nationalgarde wurde, lobte der damalige Präsident Petro Poroschenko dieses gar in den höchsten Tönen: "Das sind unsere besten Kämpfer", sagte er, "unsere besten Freiwilligen".

Fazit

Alles in allem bleibt der unkritische ukrainische Umgang mit "Asow" ein schwieriges Thema: Auch wenn sich das Regiment seit 2014 verändert hat, die Kämpfer von den Ukrainern vorrangig als Verteidiger des Landes wahrgenommen werden, die Partei politisch irrelevant ist, sich die Ukraine in einem existentiellen Überlebenskampf befindet – bleibt doch eine entscheidende Frage, die der Experte Rekawek formuliert hat:

"Will man wirklich einen Verbund, der die Wolfsangel im Logo hat, als Teil der Nationalgarde?"

Diese Frage muss sich auch der ukrainische Botschafter in Deutschland gefallen lassen – ob er will oder nicht.

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