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Italien – Beben nach Rücktritt von Mario Draghi: Die Zukunft ist düster


Politisches Beben in Italien
Die Zukunft ist düster

Von afp, dpa, reuters, lib

Aktualisiert am 21.07.2022Lesedauer: 4 Min.
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Italiens Regierungschef: Ministerpräsident Draghi tritt zurück. (Quelle: reuters)
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Italiens erfolgreicher Ministerpräsident Mario Draghi tritt zurück. Wie geht es weiter in dem Land?

In Italien tobt eine politische Krise: Nach 17 Monaten im Amt ist für Ministerpräsident Mario Draghi das Ende eingeläutet worden. Am Donnerstag reichte er binnen weniger Tage zum zweiten Mal sein Rücktrittsgesuch ein – dieses Mal hat Staatspräsident Sergio Mattarella angenommen.

"Von morgen an wird nichts mehr so sein wie davor", sagte Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi von der Splitterpartei Italia Viva, als sich am Mittwoch nach einer Vertrauensabstimmung im Parlament andeutete, dass Draghi diesen Schritt gehen würde. Dieser Tag ist nun gekommen – und die schlimmsten Befürchtungen von vielen in Italien, aber auch der EU werden wahr. Außenminister Luigi Di Maio befand, man habe die Zukunft der Italiener verzockt. "Die Folgen dieser tragischen Wahl werden in die Geschichte eingehen", sagte er.

Italien droht im politischen Chaos zu versinken, just in einem Sommer, in dem das Land ohnehin geplagt wird: von einer historischen Dürre und großer Hitze, lodernden Waldbränden, steigenden Infektions- und Todeszahlen in der Corona-Krise und den Folgen des Krieges in der Ukraine mit extremen Energie- und Rohstoffpreisen. Was bedeuten die politischen Turbulenzen für Italien? Und was für die EU? Ein Überblick.

Draghi bietet Rücktritt an – was folgt?

Eigentlich hätte seine Legislatur noch bis zum Frühling 2023 angedauert. Doch am Donnerstag trat Mario Draghi erneut seinen Gang in den Quirinalspalast an. Dort nahm Präsident Mattarella den Rücktritt des Ministerpräsidenten an (mehr dazu hier). Die Regierung bleibe zunächst für die laufenden Geschäfte im Amt, teilte der Palast am Donnerstag in Rom mit.

Die italienische Regierungskoalition war am Mittwoch zerbrochen, als drei von Draghis wichtigsten Partnern im Vielparteienbündnis eine Vertrauensabstimmung ablehnten, die er einberufen hatte, um zu versuchen, Spaltungen zu überwinden und das zerrissene Bündnis zu erneuern. Mehr dazu lesen Sie hier.

Nun gibt es zwei Optionen: Der Staatschef könnte einen Experten oder Politiker suchen, der eine Regierungsmehrheit bildet. Als wahrscheinlicher gilt jedoch, dass Mattarella die beiden Kammern des Parlaments auflöst und damit vorgezogene Wahlen ausruft. Für den Nachmittag hat Mattarella bereits die beiden Parlamentspräsidenten in seinen Amtssitz einberufen. Eine entsprechende Mitteilung verweist auf Artikel 88 der italienischen Verfassung. Darin heißt es bei Absatz eins: "Der Präsident der Republik kann die Kammern oder eine von ihnen nach Anhören ihrer Präsidenten auflösen."

Kommt es zur Auflösung des Parlaments, muss es spätestens 70 Tage danach Neuwahlen geben. Als wahrscheinlichster Termin gilt der 2. Oktober. Bis eine Regierung steht, könnten dann noch weitere Wochen vergehen.

Was bedeutet das?

Dem Mittelmeerland droht jetzt ein monatelanger politischer Stillstand – fatal für Italien, sagen viele Beobachter. Schließlich hatte sich Italien unter dem auch "Super Mario" genannten Draghi gemausert – stand wirtschaftlich gut da, wurde dank seiner erfolgreichen Impfkampagne vom Corona-Sorgenkind zum Vorbild. Nicht zuletzt: Italien schien sein jahrzehntelanges Chaos-Image abzulegen. Das dürfte nun wieder vorüber sein.

Eigentlich hat das Land Reformen nötig, zahlreiche Neuregelungen sind lange überfällig. Davon dürften viele auf Eis liegen – mit weitreichenden Konsequenzen: Einige sind die Bedingung dafür, dass die EU jene rund 220 Milliarden Euro an Zuschüssen und Darlehen freigibt, die Brüssel Italien im Rahmen des Wiederaufbaufonds zugesagt hat. Für die zweite EU-Tranche über 19 Milliarden müssten einige Reformen im zweiten Halbjahr 2022 umgesetzt werden. Ob das überhaupt möglich ist inmitten eines drohenden Wahlkampfs, der angesichts der jüngsten Ereignisse scharf geführt werden dürfte? Es drohe ein "perfektes Unwetter", schreibt der EU-Kommissar und frühere Ministerpräsident Paolo Gentiloni deshalb auf Twitter.

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Auch muss das Parlament den Haushalt für das kommende Jahr planen, was sich meist lange hinzieht. In der gegenwärtigen Situation werde es "höchstwahrscheinlich" bis zum Ende des Jahres keinen Haushalt geben, glaubt Lorenzo Codogno, Leiter von LC Macro Advisers. "Dies ist ein schwerer Schlag für die Fähigkeit Italiens, in naher Zukunft politische Maßnahmen und Reformen durchzuführen", sagt der ehemalige hohe Beamte des italienischen Finanzministeriums.

Während der Amtszeit des ehemaligen EZB-Präsidenten Draghi hatte sich das Ansehen des hoch verschuldeten Mittelmeerlandes an den Finanzmärkten verbessert. Ein Wahlkampf könnte negative Folgen haben, wenn etwa Investoren wegen der Unsicherheiten abgeschreckt werden. Am Donnerstag gaben italienische Anleihen und Aktien bereits stark nach.

Wer könnte zukünftig regieren?

Doch nicht nur für eine Übergangszeit bis zur nächsten Regierung sehen viele politische Kommentatoren düstere Zeiten für Italien heraufziehen. Denn: Im Moment liegen in Umfragen die Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) vorn – eine rechtsextreme und postfaschistische Partei. Diese hatte Draghi, der mit einem Vielparteienbündnis regierte, als einzige nennenswerte Partei nicht in der Regierung. Diese könnte gemeinsam mit der Lega und der Forza Italia ein Rechtsbündnis bilden.

Die Parteichefin der Brüder Italiens, Giorgia Meloni, zeigte sich am Mittwochabend, nur Minuten nach der vernichtenden Vertrauensabstimmung gegen Draghi, gut gelaunt – und bereit für eine Regierungsübernahme. "Ich habe meine Vorstellungen, wie dieses Land zu regieren ist", sagte sie bei einer Veranstaltung in Rom. Meloni, früher Mitglied einer neofaschistischen Partei, ist seit Monaten hinter Draghi die beliebteste Politikerin Italiens. "Wenn alles gut geht, dann wird binnen zwei Monaten gewählt werden können, wir sind bereit", sagte die Politikerin.

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Was heißt das für Italien und die EU?

Auch für Brüssel wäre das ein schlechtes Zeichen – eine Meloni-Regierung dürfte bei vielen europäischen Partnern nicht gerade für Begeisterung sorgen. Sowohl die Brüder als auch die Lega haben in der Vergangenheit die Europäische Union kritisiert und angeregt, die gemeinsame Währung zu verlassen. Auch wenn die Anti-EU-Rhetorik in der letzten Zeit etwas abkühlte: Ohne Draghi fehlt Italien ein wichtiger Garant für Stabilität in Europa.

In der Welt genießt der frühere Chef der Europäischen Zentralbank großes Renommee. Nun könnte Italien seinen durch Draghi geförderten Einfluss verlieren. Er hatte sein Land in vielen Bereichen auf Augenhöhe mit Deutschland und Frankreich gehievt, was sich nicht zuletzt am gemeinsamen Besuch mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Präsident Emmanuel Macron in Kiew manifestiert hatte.

Verwendete Quellen
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