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China: Der Kampf um die Antarktis


Kampf um die Antarktis
China bereitet sich auf den Kollaps vor


Aktualisiert am 02.04.2024Lesedauer: 6 Min.
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Video zeigt das beeindruckende Bauwerk: China weckt mit der neuen Forschungseinrichtung Misstrauen im Westen. (Quelle: t-online)

Der Kampf um Rohstoffe wird zunehmend an den Polen der Erde ausgetragen. Das Eis schmilzt und China baut seine Präsenz in der Antarktis immer weiter aus. Der Frieden am Südpol ist in Gefahr.

Das ewige Eis ist für viele Menschen in Deutschland und Europa nicht nur geografisch weit entfernt. Im Angesicht zahlreicher geopolitischer Krisen fällt nur selten der Blick auf den südlichsten Kontinent der Erde – die Antarktis. Dabei tobt hier schon seit Monaten ein erbitterter Kampf um Einfluss. Viele Großmächte haben bereits territoriale Ansprüche angemeldet, immer weitere Staaten kommen hinzu. Der Antarktis droht gleich in doppelter Hinsicht die Schmelze.

Einerseits sorgt die globale Erwärmung dafür, dass das Eis zurückgeht. Andererseits führt genau dieser Umstand dazu, dass in der südlichen Polregion wertvolle Rohstoffe, die in der Vergangenheit aufgrund der niedrigen Temperaturen unerreichbar schienen, in Zukunft gefördert werden können. Das weckt Begehrlichkeiten und führt schon jetzt zu Verteilungskämpfen. Historisch war die Antarktis stets ein Beispiel für die friedvolle internationale Zusammenarbeit – vor allem in der Forschung. Aber dieser Frieden ist in Gefahr.

Es ist vor allem China, das immer mehr Menschen und Schiffe in die Polregion schickt und neue Stationen baut. Das erregt Misstrauen im Westen. Der Vorwurf an China: Die Volksrepublik wird ihre Infrastruktur in der südlichen Polarregion auch in Zukunft militärisch nutzen.

Chinesische Stationen erregen Misstrauen

Erst im Februar hat die Volksrepublik seine bereits fünfte Forschungsstation in der Antarktis eingeweiht. Seit 2018 zog China in der Nähe des Rossmeeres einen großen Komplex hoch. Die Station heißt Qinling, ist also nach dem Sternbild des Südens benannt. Sie hat Wohn- und Arbeitsräume. Im Sommer sollen hier bis zu 80 Menschen leben und arbeiten, im Winter wird die Anzahl auf 30 Menschen reduziert, berichtet das chinesische Staatsfernsehen.

Der chinesische Präsident Xi Jinping will sein Land zur "polaren Großmacht" machen. Laut eigenem Bekunden geht es China im Südpol vor allem um wissenschaftlichen Fortschritt. Xi will die südliche Polarregion besser verstehen lernen, "um neue und größere Beiträge zum Wohle der Menschheit und zum Aufbau einer Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Zukunft für die Menschheit zu leisten".

Aber ist das der wahre Grund für die chinesische Expansion im ewigen Eis?

Das Misstrauen im Westen ist groß. Die Station Qinling sei gut positioniert, um etwa Aufklärungssignale aus Australien und Neuseeland abzufangen und Informationen aus beiden Ländern zu sammeln, berichtete das Center for Strategic and International Studies (CSIS) im April vergangenen Jahres.

Im Jahr 2019 versuchte China außerdem, die Kontrolle über den Dome Argus zu erlangen – den höchsten Punkt der Antarktis und den vielleicht kältesten Ort der Erde. Zwischen dem höchsten Punkt und der Eisdecke liegen 4.000 Meter Höhenunterschied und die Temperaturen lagen hier in der Vergangenheit schon bei 93 Grad unter null. Ein unwirklicher Ort, der sich laut Experten aufgrund seiner Lage aber gut für Spionage eignet. Allerdings steht der Dome Argus derzeit unter australischer Kontrolle und eine chinesische Übernahme konnte verhindert werden. Vorerst.

Drei der fünf chinesischen Stationen liegen auf dem von Australien beanspruchten Gebiet des Kontinents. Die strategische Bedeutung ist klar: Unter dem Eis und vor der Küste gibt es riesige Vorkommen an wertvollen Mineralien, Öl und Erdgas sowie große Bestände von Krill in den Gewässern. Die Antarktis ist auch von zentraler Bedeutung für die globale Kommunikation: Sie bietet die beste Sicht auf den Weltraum, da die Luftfeuchtigkeit gefriert, was antarktische Bodenstationen für den Betrieb von Satelliten unverzichtbar macht. Der angebliche Bau einer Satellitenbodenstation bei der Forschungsstation Qinling nährt dieses Misstrauen gegenüber China.

Der Verdacht: Die Volksrepublik könnte von hier weite Teile des Atlantischen, Indischen und Pazifischen Ozeans überwachen. Forschung und Spionage müssen sich nicht ausschließen. Natürlich könnten chinesische Forschungssatelliten am Montag die Verschiebungen des Schelfeises verfolgen und sich am Dienstag auf die Kartierung der Kräftebewegungen in Australien konzentrieren.

Antarktisvertrag in Gefahr

Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Wenbin, weist auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters die Kritik zurück: "Als beratende Vertragspartei des Antarktisvertrags achtet China stets darauf, dass unsere Aktivitäten mit den Bestimmungen des Antarktisvertragssystems übereinstimmen."

Doch ob das wirklich stimmt, ist zweifelhaft. Im Zuge der chinesischen Expansionspolitik verschwimmen zivile und militärische Zwecke immer wieder – sie sind eng miteinander verflochten. So stuft die chinesische Regierung jede Forschungsaktivität laut dem Gesetz zur militärisch-zivilen Fusion auch als militärisch-strategische Mission ein. Auch die chinesischen Fischereiflotten etwa haben nicht nur einen zivilen Zweck. Peking nutzt sie gleichzeitig, um seine Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer aggressiv durchzusetzen. Insofern ist es naheliegend, dass Chinas Plan, "Großmacht" in den Polarmeeren zu werden, auch eine militärische Komponente hat.

Dabei gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen den chinesischen Vorstößen an Nord- und Südpol. Die Arktis ist kein Kontinent. Die nördliche Polarregion besteht aus dem Territorium der fünf Polarstaaten und aus internationalem Gewässer. Auch China ist hier mit Forschungsmissionen aktiv, aber vor allem, um sich die Kontrolle über mögliche künftige Seewege nach Europa zu sichern. Mehr dazu lesen Sie hier.

Das Zusammenspiel in der Antarktis ist dagegen durch den Antarktisvertrag von 1961 geregelt, einem der erfolgreichsten internationalen Verträge der Geschichte. Ursprünglich war das Ziel des Vertrages, ein Übergreifen der Spannungen des Kalten Krieges auf den Südpol zu verhindern, indem die Antarktis als wissenschaftliches Reservat ausgewiesen ist.

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Die vereinbarten Inhalte des Antarktisvertrages:

  • Das Gebiet südlich des 60. Breitengrades ist die Antarktis und der wissenschaftlichen Forschung vorbehalten.
  • Die Antarktis ist ein neutraler Raum, das Territorium wird keinem Land zugeordnet. Die Gebietsansprüche von Großbritannien, Neuseeland, Frankreich, Australien, Norwegen, Chile und Argentinien ruhen.
  • Militärische Aktivitäten und Atomwaffentests sind auf dem Kontinent verboten.
  • Die Vertragsparteien sind verpflichtet, freien und fairen Zugang zu ihren Forschungsstationen (und Schiffen) zu gewähren.

Der Antarktisvertrag hat kein Ablaufdatum und gilt auf unbestimmte Zeit. Der Kontinent gilt als Naturschutzgebiet, die industrielle Ausbeutung der Fischlebensräume ist verboten. Fischereiunternehmen verstoßen zwar gegen dieses Verbot. Aber sollten sie beim Fischfang südlich des 60. Breitengrades erwischt werden, drohen ihnen empfindlichen Strafen. Die Geschichte des Antarktisvertrages ist also in jedem Fall eine Erfolgsgeschichte, auch für die Natur.

Verdeckte Operationen in einer Grauzone

Mittlerweile sind 54 Staaten Vertragsparteien, darunter 29 beratende Parteien mit Stimmrecht in Angelegenheiten des Kontinents. China gehört dazu, auch der Ausbau von chinesischen Stationen steht im Einklang mit dem Antarktisvertrag. Deshalb verweist Peking stets auf seine wissenschaftlichen Ziele in der Polarregion, denn dieser Zweck ist vertraglich legitimiert. Allerdings zeigen sich schon jetzt erste Risse: China hat etwa für keine der Forschungsstationen die vertraglich erforderlichen Umweltgutachten vorgelegt. Der große Nachteil des Antarktisvertrages ist, dass es keine Durchsetzungsmöglichkeiten gegenüber Verstößen von Vertragspartnern gibt.

Zum Verständnis: In der Antarktis gibt es vermutlich riesige Rohstoffvorkommen und Fischbeständen, die noch niemanden gehören. Das ist weltweit einmalig. Deswegen bereiten sich schon jetzt einige Mächte wie Russland und China auf den Kollaps des Antarktisvertrages vor. Selbst ihr Verbündeter Iran hat kürzlich durch ihren Marinechef Gebietsansprüche am Südpol angemeldet.

Unter dem Deckmantel der Forschung kartografiert China schon jetzt die Rohstoffe auf dem Kontinent, um bei einem Zusammenbruch des aktuellen vertraglich geregelten Systems am Südpols in einer erstklassigen Position zu sein, um diese Rohstoffe unter seine Kontrolle zu bringen.

Nicht ohne Grund baut die chinesische Marine eine Flotte an Eisbrechern auf. Auch Russland steigert hier seine Bestände. Der Westen hat auf diese Entwicklung bisher nicht reagiert. Westliche Expeditionen sind oft auf Anmietungen von Eisbrechern angewiesen. Es gilt als wahrscheinlich, dass China und Russland in Zukunft eng zusammenarbeiten werden, um den Antarktisvertrag aufzuweichen.

Xi Jinping nutzt in der Antarktis derzeit Grauzonen aus. Elizabeth Buchanan von der US-Militärakademie "West Point" sieht in einem Artikel für das Magazin "Foreign Affairs" die Gefahr, dass westliche Staaten mit ähnlichen Schritten auf die chinesische Expansion reagieren. Das würde zur Folge haben, dass der Antarktisvertrag langsam "erodiert", so die Expertin. Vielmehr müssten die Inspektionen von chinesischen Einrichtungen erhöht werden, um Peking unter Druck zu setzen. Aber das ist im Angesicht geopolitischer Spannungen nicht einfach.

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