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Skripal-Fall: Wie Chemiewaffen-Experten die Krise lösen können


Fall Skripal
Wie Chemiewaffen-Experten die Krise lösen können

dpa, ds

Aktualisiert am 04.04.2018Lesedauer: 3 Min.
Chemiewaffenexperten des OPCW untersuchen den Tatort in Salisbury.Vergrößern des BildesChemiewaffenexperten des OPCW untersuchen den Tatort in Salisbury. (Quelle: Peter Nicholls/Reuters-bilder)
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Nach der Ausweisung von Dutzenden Diplomaten sollen am Mittwoch unabhängige Chemiewaffenexperten im Fall Skripal eine Lösung finden. Doch wer sind die überhaupt? Und wie sollen sie helfen können?

Im Fall um den Nervengift-Anschlag auf den früheren Doppelagenten Sergei Skripal und seine Tochter Julia richten sich die Augen nun auf die Experten der OPCW. Der Exekutivrat der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen tritt an diesem Mittwoch in Den Haag zusammen. Russland hatte diese Sondersitzung beantragt.

Was ist die OPCW überhaupt?

Die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen ist eine Staaten unabhängige Institution. Sie wurde von den Ländern ins Leben gerufen, die 1997 das Chemiewaffenübereinkommen unterzeichnet haben. Das verbietet die Entwicklung, Herstellung und den Besitz von chemischen Kampfstoffen. Die OPCW überwacht, ob sich alle Staaten an das Abkommen halten. Außerdem legt es die Rahmenbedingungen bei der Vernichtung der Chemiewaffen fest. Mehr als 96 Prozent der weltweit deklarierten Chemiewaffenbestände wurden bereits zerstört. Dafür wurde die Organisation 2013 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Was für eine Rolle spielt die OPCW in dem Fall?

Großbritannien hatte die Organisation mit der Untersuchung beauftragt. Die Chemiewaffenkontrolleure hatten im britischen Salisbury Proben entnommen und auch Blutproben der beiden Opfer zur Untersuchung in internationalen Labors bekommen. Die OPCW-Experten sollen feststellen, ob ein Nervengift eingesetzt wurde, und was für ein Stoff das eigentlich war. Unklar ist, ob die Ergebnisse bei der Sondersitzung schon vorgelegt werden. Die OPCW-Experten werden aber kaum klären, wer hinter dem Anschlag steckt.

Was will Russland mit der Sondersitzung erreichen?

Moskau verlangt selbst Klarheit und schickte der OPCW eine lange Liste mit Fragen. Die russische Führung kritisiert, dass Großbritannien keine stichhaltigen Beweise für eine Schuld Russlands vorgelegt habe, und will Einsicht in die OPCW-Untersuchung. Für die Sondersitzung kündigte Russland auch einen Vorschlag an, der die Untersuchungen voranbringen soll.

Was hat Russland bislang selbst zur Aufklärung beigetragen?

Nicht viel, soweit bekannt ist. Moskau beteuert seine Unschuld und verlangt seit Wochen, an den Ermittlungen beteiligt zu werden. Kremlsprecher Dmitri Peskow kritisierte am Dienstag erneut, Moskau bekomme weder Einblick in die Untersuchungen noch überhaupt Informationen. Zudem beschuldigten russische Behörden ihrerseits Großbritannien, möglicherweise selbst hinter dem Giftanschlag zu stecken. Vizeaußenminister Alexander Gruschko bezeichnete die Vorwürfe gegen Russland als Provokation Großbritanniens, um eine russlandfeindliche Stimmung zu schüren.

Könnte die OPCW denn in dem Konflikt vermitteln?

Die OPCW hält sich prinzipiell aus politischen Konflikten heraus und ist damit erfolgreich. Als ein Geheimnis des Erfolges gilt die strikte Vertraulichkeit und Neutralität. Auch die Sondersitzung zum Fall Skripal soll hinter verschlossenen Türen stattfinden. Das könnte ein Vorteil sein. Allerdings ist der Konflikt politisch bereits aufgeladen. Wenn es darum geht, Verstöße gegen die Chemiewaffenkonvention zu untersuchen und wie zuletzt im Fall von Syrien, Schuldige zu benennen, traten die OPCW-Experten bislang im UN-Auftrag auf. Doch das Mandat der gemeinsamen Kommission von OPCW und UN war nach einem Veto Russlands nicht verlängert worden.

Was könnten die nächsten Schritte sein?

Nach Artikel IX der Chemiewaffenkonvention kann der Exekutivrat eine Expertengruppe mit der Klärung der Vorwürfe beauftragen. Sollte diese dann innerhalb von 60 Tagen nicht zu einer für alle Parteien befriedigenden Lösung kommen, dann könnten alle Vertragsstaaten zu einer Sondersitzung zusammengerufen werden. Bei besonders schwerwiegenden Verstößen gegen die Konvention kann die Vertragsstaatenkonferenz den UN-Sicherheitsrat einschalten.

Warum reagiert London so massiv im Fall Skripal?

Zum einen ist London vermutlich schlicht der Kragen geplatzt. Denn der Fall Skripal erinnert an den Kremlkritiker Alexander Litwinenko, der 2006 in London mit radioaktivem Polonium vergiftet wurde – die Spuren der Täter führten nach Russland. Kurz nach dem Anschlag auf die Skripals wurde Mitte März in London der Kremlkritiker Nikolai Gluschkow ermordet. Die britische Innenministerin Amber Rudd lässt nun 14 Todesfälle neu aufrollen, die eine Verbindung zu Russland haben könnten. Die Polizei rief Exil-Russen zur Wachsamkeit auf.

Zum anderen bot der Fall Skripal London eine Chance, aus der politischen Isolation herauszukommen. Premierministerin Theresa May gilt als politisch angezählt und regiert nur noch mit hauchdünner Mehrheit. Die Verhandlungen zum EU-Austritt mit Brüssel verlaufen zäh, vor allem wegen des unklaren Brexit-Kurses der britischen Regierung. Im Fall Skripal erklärten sich nun zahlreiche Länder mit Großbritannien solidarisch. Und auch innerhalb des Londoner Kabinetts ziehen zurzeit alle in ungewohnter Einigkeit an einem Strang.

Was hat Skripal eigentlich in Salisbury gemacht?

Skripal soll den britischen Auslandsgeheimdienst über russische Agenten in Europa informiert haben. 2004 flog der ehemalige Oberst des russischen Militärgeheimdienstes GRU auf. Er wurde zu 13 Jahren Lagerhaft verurteilt. Im Rahmen eines Gefangenenaustauschs kam er 2010 nach Großbritannien. Warum er die beschauliche Kleinstadt Salisbury als neue Heimat wählte, ist unklar. Dem Sender BBC zufolge soll er dort ein ruhiges Leben geführt, aber auch von Geschäftsreisen erzählt haben. In der Nähe befindet sich die Anlage Porton Down, wo auch militärisch geforscht wird. Ein Zufall? In Salisbury lebte Skripal unter seinem richtigen Namen. Seine Frau starb an Krebs, der Sohn 2017 unerwartet an Leberversagen während einer Russland-Reise.

Verwendete Quellen
  • eigene Recherche
  • dpa
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