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Fall Khashoggi: Kostet mutmaßlicher Mord bin Salman die Krone?


Beim Kronprinzen laufen die Fäden zusammen

Von Nathalie Helene Rippich

Aktualisiert am 23.10.2018Lesedauer: 4 Min.
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Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman: Er inszeniert sich als weltgewandter Reformer des streng religiösen Landes, gilt jedoch vor allem als machtbesessen und hitzköpfig. Im Fall Khashoggi könnte ihn das die Thronfolge kosten.Vergrößern des Bildes
Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman: Er inszeniert sich als weltgewandter Reformer des streng religiösen Landes, gilt jedoch vor allem als machtbesessen und hitzköpfig. Im Fall Khashoggi könnte ihn das die Thronfolge kosten. (Quelle: dpa-bilder)

Türkische und US-Medien enthüllen immer mehr Details zum Tod des saudischen Journalisten Khashoggi – das verstärkt den Druck auf Kronprinz Mohammed bin Salman. Könnte ihn das mutmaßliche Mordkomplott am Ende seine Macht kosten?

Wer trägt die Verantwortung für den Tod des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi? Am 2. Oktober betrat der Regimekritiker das Konsulat seines Landes in Istanbul – und wart seitdem nicht mehr gesehen. Immer mehr Indizien deuten auf einen qualvollen Tod des 59-Jährigen hin. Zudem verdichten sich die Hinweise darauf, dass der Journalist durch ein Killerkommando getötet wurde.

Doch wer profitiert vom Tod des Journalisten? Hat das saudische Königshaus etwas mit der Sache zu tun?

Zunächst behauptete die saudische Führung, Khashoggi habe das Gebäude quicklebendig verlassen. Offenkundig ein Ablenkungsmanöver. Der US-Sender CNN hat nun Bilder von Überwachungskameras veröffentlicht, die einen Mann in der Kleidung Khashoggis mit einem falschen Bart zeigen sollen, wie er das Konsulat durch die Hintertür verlässt. Das legt den Verdacht nahe: Das mutmaßliche Killerkommando wollte vortäuschen, dass Khashoggi das Konsulat lebend verließ.

Am Wochenende dann die nächste Version aus Riad: Khashoggi sei im Konsulat "durch einen handgreiflichen Streit zu Tode gekommen". Angeblich ohne Wissen des Königs und des Kronprinzen. Verantwortlich seien Mitarbeiter der Auslandsvertretung, nicht aber der Regierung. Man bemühe sich um eine lückenlose Aufklärung.

Auch an dieser Version gibt es nun weltweit große Zweifel. Nicht nur, weil die Indizien ein anderes Szenario nahelegen, sondern auch weil ein Auftragsmord niemanden mehr überraschen würde. Am Dienstag will der türkische Präsident Erdogan Details zum Tod Khashoggis in der Botschaft bekannt geben. Besonders für einen Mann im saudischen Königshaus könnte es dann eng werden.

Kronprinz Mohammed bin Salman, der faktisch die Geschicke des Landes lenkt, inszeniert sich gern als liberaler Reformer. Nachdem der 33-Jährige im vergangenen Jahr von seinem Vater, dem greisen König Salman, zu dessen Nachfolger ernannt worden war, ging er auf Konfrontationskurs mit den radikalen Klerikern, erlaubte Kinos und Konzerte – und den Frauen das Autofahren. Sein Herzensprojekt "Vision 2030" sollte Saudi-Arabien unabhängig vom Öl machen, Reichtum durch Innovation gewährleisten. Besonders viele junge Menschen setzten große Hoffnungen in "MbS", wie Mohammed bin Salman sich gern nennen lässt.

Der saudische Kronprinz hat zwei Gesichter

Doch die Rolle des modernen Staatenlenkers ist nur eine Seite des Kronprinzen. Er gilt als impulsiv, dünnhäutig, schwer berechenbar – und machtbesessen. Er trägt als oberster Befehlshaber die Verantwortung für die Eskalation im Jemen, die das Land in eine beispiellose humanitäre Krise gestürzt hat. Eine militärische Lösung des Konflikts ist das, was er anstrebt. Es geht ihm offenkundig darum, sich als Feldherr zu inszenieren, den Einfluss des schiitischen Irans zu schmälern und seine Macht auszubauen.

Dazu kommt die Blockade Katars, angeblich weil der kleine Golfstaat den Terror unterstütze. Vor allem aber sind Katars gute Beziehungen zum erklärten Rivalen Iran den Saudis ein Dorn im Auge. Durch die Blockade und Pläne, Katar durch einen Kanal auf saudischem Gebiet zu einer Insel zu degradieren, wird versucht, die Macht in Saudi-Arabien stabil in der Hand der Herrscherfamilie zu halten – auf Kosten der Bevölkerung eines anderen Landes.

Hinzu kommen unzählige Verhaftungen – etwa kurz vor der Aufhebung des Fahrverbots für Frauen. Über 1.000 Frauen- und Menschenrechtler sowie Kritiker und Journalisten landeten im Gefängnis. Die gleichgeschalteten Medien stellten dies als notwendige Maßnahmen zum Wohle der Sicherheit des Landes dar. Dabei weiß in Saudi-Arabien so gut wie jeder: Wer die Herrscher kritisiert, lebt gefährlich. Harte Strafen drohen, faire Prozesse sind nicht zu erwarten.

Die ehrgeizigen Zukunftspläne geraten ins Stocken

Auch der erwünschte Aufschwung bleibt aus. Tatsächlich steigt die Zahl der Arbeitslosen, besonders unter den jungen Menschen. Die anfängliche Euphorie, die dem Kronprinzen entgegen schlug, ebbt ab. International steht er in der Kritik, die Zeit des Öls ist zwar nicht vorbei, doch eine Ende ist absehbar. Dazu kommt nun auch noch der Fall Khashoggi, der international für Entsetzen sorgt. Der Journalist kam ausgerechnet in der Türkei zu Tode, die ohnehin nicht zu den Freunden Saudi-Arabiens zählt. Investoren wenden sich nach den jüngsten Vorfällen ab.


Kronprinz bin Salman versucht nun mit aller Macht, das Gesicht zu wahren, das er der Welt präsentieren will: seriös, weltoffen, der Zukunft zugewandt. Doch die Fassade bröckelt. Immer deutlicher tritt die Fratze eines machtbesessenen, rachsüchtigen Hitzkopfes hervor. Noch gilt er als Lieblingssohn des Königs. Doch dieser kann jederzeit einen anderen Nachfolger bestimmen – der bisherige saudische Botschafter in Washington, Prinz Khalid bin Salman, gilt als möglicher Kandidat.

Für Mohammed bin Salman wäre das eine Schmach. Für viele Kritiker eine logische Konsequenz des massiven internationalen Drucks. Regimekritiker sind ein ebenso hohes Risiko wie Kronprinzen, die für eine diplomatischen Katastrophe sorgen.

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