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Russland: Kim Jong Un trifft Putin – Der Diktator ist zurück auf der Weltbühne


Das ganz große Theater

Eine Analyse von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 24.04.2019Lesedauer: 6 Min.
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Nordkoreas Diktator Kin Jong Un verhandelt mit den Supermächten USA und Russland, um sein Land von Teilen der Sanktionen zu befreien.Vergrößern des Bildes
Nordkoreas Diktator Kin Jong Un verhandelt mit den Supermächten USA und Russland, um sein Land von Teilen der Sanktionen zu befreien. (Quelle: Reuters-bilder)

Nach Trump trifft nun auch Putin Nordkoreas Machthaber Kim.

Blumenempfang für einen Diktator im russischen Wladiwostok. Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un trifft am Donnerstag im Osten Russland erstmals den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Beim Treffen soll vor allem über das nordkoreanische Atomprogramm und über die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder gesprochen werden. Dabei sind Russland und Nordkorea vor allem am Erhalt des Status Quo in der Region interessiert. Putin gibt, ähnlich wie Trump, aus symbolpolitischen Gründen einem Diktator eine große Bühne, der im eigenen Land für Mord, Verfolgung und Folter sorgt. Von dieser Inszenierung ist allerdings am Ende nur wenig konkrete Politik zu erwarten. Mit diesem großen Theater verfolgt Kim eine Strategie, die schon sein Großvater beherrschte. Es ist ein Spiel mit den Supermächten dieser Welt.

Sein Großvater und Nordkoreas Staatsgründer Kim Il Sung meisterte es zu seiner Zeit, seine Verbündeten, die Sowjetunion und China gegeneinander auszuspielen. Wenn Nordkorea in den Verhandlungen mit der einen Supermacht nicht weiterkam, machte das Regime einem anderen Land Zusicherungen, die es am Ende nicht einhielt. Ähnlich versucht es nun sein Enkel Kim Jong Un.

Dazu dient auch der erste Besuch eines nordkoreanischen Machthabers in Russland seit 2011. Für Kim ist der Empfang durch eine Großmacht außerdem ein wichtiges Symbol. Er ist wieder da. Der Diktator des kleinen Nordkoreas ist zurück auf der großen Weltbühne.

Sanktionen gegen Nordkorea

Diese Show begann für Kim schon in der russischer Grenzstadt Chassan. Der nordkoreanische Machthaber reist mit seinem Panzerzug nach Russland. Während sein Vater Kim Jong Il unter Flugangst litt, sind für seinen Sohn und Nachfolger Zugreisen eine Mischung aus Imagepflege und Familientradition. Im Vergleich zu seinem Vater spricht Kim auch vereinzelt mit Journalisten.

Er hoffe auf einen erfolgreichen und nützlichen Besuch, sagte er Reportern in Chassan. Als sein Zug in Wladiwostok eintraf, stieg Kim lachend aus und winkte den Fotografen zu. Er bekam Blumen überreicht und flanierte mit einem auffälligen Hut mit seiner Delegation über den roten Teppich.

Neben der Inszenierung auf der Weltbühne ist die Lockerung der Sanktionen das vorrangigste Ziel Nordkoreas. Das Land darf keine Waffen importieren. Als Reaktion auf die Raketentests wurden die Sanktionen seit 2013 immer weiter verschärft. Auf den Embargo-Listen stehen mittlerweile auch Industrieanlagen, Maschinen, Fahrzeuge und Metalle. Die Einfuhr von Öl und Gas sind eingeschränkt. Nordkorea darf weder Kohle noch Mineralien ausführen, auch keine landwirtschaftlichen Produkte.

Die Vielzahl von Sanktionen schnürt der nordkoreanischen Wirtschaft die Luft ab. Das Regime wirbt deshalb immer offensiver für eine Lockerung. Kim will zum Beispiel Zivilflugzeuge, Bergwerksausrüstungen und Kraftwerke von Russland kaufen. Für den Westen wäre dabei die Sanktionsgrenze wohl schon teilweise überschritten. Deshalb versucht Kim , mit guten Beziehungen Verbündete im UN-Sicherheitsrat zu gewinnen, um diesen Spielraum für sein Land auszudehnen.

Existenzangst des Regimes

Dass Kim dies nun in Gesprächen mit Russland versucht, leuchtet ein, denn die Atomgespräche zwischen den USA und Nordkorea sind festgefahren. Seit dem Gipfel zwischen US-Präsident Donald Trump und Kim in Hanoi im Februar hat sich der Ton zwischen den beiden Ländern wieder verschärft. Zuletzt forderte Nordkorea den Ausschluss von US-Außenminister Mike Pompeo von den Atomgesprächen. Es brauche jemanden, der vorsichtiger und reifer sei, hieß es vom nordkoreanischen Außenministerium.

Doch auch mit Russland wird es schwierig. Das zentrale Problem in den Verhandlungen sind allgemein die Existenzängste des Regimes. Jahrzehntelang trieb die Kim-Diktatur das Atomprogramm voran, aus Angst, angegriffen zu werden. Auch wirtschaftlich will sich das Land nur langsam und kleinteilig für den globalen Markt öffnen. Das Regime möchte dabei den Kontakt der eigenen Bevölkerung zu anderen Staaten minimieren, weil die Angst besteht, aus dem Ausland unterwandert zu werden. Die DDR gilt für die Kim-Diktatur als geschichtliches Beispiel, welches man in Korea unbedingt verhindern möchte.

"Die Leute stehen für diese Jobs Schlange"

Doch durch die wirtschaftliche Isolation ist die eigene Währung nichts wert, Nordkorea ist auf Geld aus dem Ausland angewiesen und von ausländischen Devisen abhängig. Kim braucht dieses Geld, weil er irgendwie das Atomprogramm, das Militär und die politische Elite des Landes finanzieren muss. Russland hat nun damit gedroht, nordkoreanische Leiharbeiter auszuweisen, was auch ein Grund für Kims Besuch ist.

Viele Nordkoreaner arbeiten auch in Russland. Wegen der Beschattung der eigenen Bevölkerung dürfen sich nur Regimetreue im Land als Leiharbeiter bewerben, um für das Land Devisen im Ausland zu erwirtschaften. Nordkorea schickt so über 120.000 Leiharbeiter nach China oder Russland. "Die Leute stehen für diese Jobs Schlange, auch wenn sie ausgebeutet werden", berichtet der ehemalige nordkoreanische Banker Kim Kwang-jin dem ZDF. "Weil das Leben in Nordkorea einfach viel schlimmer ist, als ihr Leben außerhalb Nordkoreas." Die Arbeitsverträge werden von staatlichen nordkoreanischen Arbeitsagenturen mit den ausländischen Firmen geschlossen. Mindestens 80 Prozent des Gehaltes geht danach an das nordkoreanische Regime.

Dieses Geld verdient Nordkorea auf unterschiedliche Weise in zahlreichen Ländern. Die nordkoreanische Botschaft in Berlin betrieb beispielsweise jahrelang illegal ein Kongresszentrum und ein Hostel auf dem Botschaftsgelände. Das monatliche Mieteinkommen betrug circa 40.000 Euro, das Geld floss an der deutschen Steuer vorbei nach Nordkorea. Auch Waffengeschäfte laufen von hier, wie der damalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen im Jahr 2018 bestätigte.

Ein strategischer Teufelskreis

Doch das meiste Geld kommt aus Russland oder China, was Nordkorea ist in hohem Maße in die Abhängigkeit von seinen Nachbarn treibt. Dies gibt den beiden Supermächten ein Stück weit Kontrolle über das Regime in Pjöngjang. Die nordkoreanische Führung ist durch die Sanktionen ein Stück weit darauf angewiesen, dass China beim Schmuggel an der gemeinsamen Grenze wegschaut.

Aus dieser Abhängigkeit ergibt sich ein strategischer Teufelskreis, denn China und Russland sind durch dieses Abhängigkeitsverhältnis daran interessiert , den Status Quo in der Region aufrecht zu erhalten. Putin möchte außerdem nicht riskieren, dass Nordkorea zusammenbricht oder sich Südkorea anschließt, wie die DDR 1989 der Bundesrepublik. Denn für Moskau und Peking ist es ein Puffer zum Westen. Würde sich ein vereinigtes Korea nach Westen orientieren, wären US-Soldaten plötzlich an der Grenze zu Russland und China. Es ist demnach im unmittelbaren sicherheitspolitischen Interesse Russlands, für Stabilität im Nachbarland zu sorgen.

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Das russische Verhältnis zum Atomwaffenprogramm Nordkoreas ist dagegen ambivalent. Offiziell möchte der Kreml die nukleare Aufrüstung im Nachbarland verhindern, aus eigenen Sicherheitsinteressen. "Wir akzeptieren den nuklearen Status von Nordkorea nicht und sind der festen Überzeugung, dass das Atomprogramm Nordkoreas kontraproduktiv ist", sagte Putin auf einer Pressekonferenz im Dezember 2017. Ein mit Atombomben bewaffnetes Nordkorea ist nicht im russischen Sicherheitsinteresse, zumal die Atomtests des Regimes auch die Grenzregionen zu China und Russland bedrohen.

Auf der anderen Seite möchte Moskau allerdings auch einen Angriff der USA auf Nordkorea verhindern und dafür sind sind die Kernwaffen dienlich. Nordkorea hätte sein Atomprogramm ohne die Duldung Russlands und Chinas nicht am Leben halten können. Experten gehen davon aus, dass die Technologie für die Bombe aus Pakistan kam, während die Raketentechnologie erst aus der ehemaligen Sowjetunion, dann aus Russland und China geliefert wurde. Demnach könnten Russland und China das Sicherheitsrisiko durch die nordkoreanische Bombe in der Vergangenheit in Kauf genommen haben.

Die große politische Bühne

Nachdem Nordkorea aber zur Atommacht wurde und die Westküste der USA mit seinen Raketen erreichen kann, ist die Bedrohung eines unmittelbaren US-Angriffs minimiert. Deshalb wird nun Putin dafür sorgen, dass an der russischen Grenze kein atomare Wettrüsten entsteht. Er bemüht sich um nukleare Abrüstung, auch um zu verhindern, dass Südkorea auch Atomwaffen erhält. Für intensivere Wirtschaftsbeziehungen fordert Russland von Pjöngjang die nukleare Abrüstung. Nordkorea würde aber wohl nur gegen sehr große Sicherheitsgarantien darauf eingehen.


Dementsprechend ist ein großer Durchbruch beim Treffen zwischen Kim und Putin nicht zu erwarten. Doch Russland kämpft gegen USA und China um die Vorherrschaft im Pazifikraum und bislang konnte Moskau in den letzten Jahren zur Lösung des Koreakonfliktes wenig beisteuern. Putin möchte zurück an den Tisch und nutzt die große politische Bühne, um Russland als Großmacht präsentieren zu können. Dafür braucht es in der heutigen Zeit Inszenierungen, Trump macht es vor. Doch ob von diesem Treffen mehr bleibt als rote Teppiche, Blumen und seltsame Hüte, ist nach heutigem Kenntnisstand zu bezweifeln.

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