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Nicht nur wegen Hinrichtungen: Deshalb könnten die Proteste im Iran eskalieren


Zwei Gründe
Deshalb könnten die Proteste im Iran jetzt eskalieren

Von dpa, t-online
Aktualisiert am 08.01.2023Lesedauer: 4 Min.
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Proteste ungeahnten Ausmaßes: Das könnte den Mullahs das Genick brechen. (Quelle: t-online)
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Die Hinrichtung zweier Demonstranten im Iran sorgte weltweit für Entsetzen. Doch es gibt einen weiteren Grund, weshalb heftige Proteste erwartet werden.

Anlässlich des dritten Jahrestags des Abschusses einer ukrainischen Passagiermaschine durch Irans Revolutionsgarden (IRGC) haben verschiedene iranische Oppositionsgruppen zu neuen landesweiten Protestdemonstrationen aufgerufen. In Teheran sollen am Sonntag die Proteste an mehreren Orten der Hauptstadt sowie in Universitäten und U-Bahn-Stationen stattfinden. Der bekannte und in Kanada ansässige Aktivist Hamed Esmaeilion, der bei dem Abschuss seine Familie verlor, rief auch zu internationalen Kundgebungen und Gedenkfeiern auf.

Die ukrainische Boeing-Maschine war am 8. Januar 2020 irrtümlich kurz nach dem Start in Teheran von der iranischen Luftabwehr abgeschossen worden. Alle 176 Insassen wurden dabei getötet. Die Opfer kamen vor allem aus der Ukraine und dem Iran sowie aus Kanada, Afghanistan, Großbritannien und Schweden. In einem 285-seitigen Abschlussbericht aus dem Jahr 2021 sprach der Iran von einem "menschlichen Fehler" und erklärte sich bereit, jeder Opferfamilie über 120.000 Euro Schadenersatz zu zahlen.

Systemkritiker vermuten Vertuschung

Viele Hinterbliebene sowie Systemkritiker sind bis heute der Meinung, dass Teheran versucht habe, den Fall zu vertuschen, und dass die Verantwortlichen nicht ausreichend zur Rechenschaft gezogen worden seien. Es gibt auch keine klaren Details zu den Militärgerichten und den Anklagepunkten gegen angeblich zehn in den Vorfall involvierte Offiziere.

Falls es zu einer Verurteilung kommen sollte, müssten davon in erster Linie die für den Abschuss verantwortlichen IRGC-Kommandeure betroffen sein und nicht nur Offiziere, so die Kritiker.

Video | "Dort ist es noch blutiger"
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Quelle: t-online

Hinrichtungen lösen Entsetzen aus

Auch angesichts der Hinrichtungen zweier Demonstranten – Mohammed Mehdi Karami und Sejed Mohammed Hosseini – am Samstag ist damit zu rechnen, dass die Proteste weiter angeheizt werden. Die beiden sollen während der systemkritischen Proteste im November für den Tod eines sogenannten Sicherheitsbeamten verantwortlich gewesen sein. Mehr dazu lesen Sie hier.

Die Europäische Union prangerte die Vollstreckung der Todesurteile am Samstag als "weiteres Zeichen der gewaltsamen Unterdrückung der Proteste" an. Der Staatenverbund fordere die iranischen Behörden erneut auf, "die höchst verwerfliche Praxis, Todesurteile gegen Demonstranten zu verhängen und zu vollstrecken, sofort zu beenden", und die jüngst verhängten Todesurteile "unverzüglich aufzuheben", erklärte Nabila Massrali, eine Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell.

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Wegen des Todes des sogenannten Sicherheitsbeamten wurden zuvor drei weitere Menschen zum Tode verurteilt. Elf Angeklagte erhielten Haftstrafen.

Unterdessen werden auch die Forderungen lauter, das iranische Regime auf die EU-Terrorliste zu setzen. Das Regime in Teheran sei ein Terrorregime, schrieb etwa der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen und fügte hinzu: "Das muss jetzt endlich auch bei der Außenministerin und im Kanzleramt ankommen." FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai twitterte: "Die Verbrechen des Regimes gehen weiter (...) Wann handelt endlich die EU? Wann werden endlich die Revolutionsgarden auf die Terrorliste der EU gesetzt?"

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Die Linken-Abgeordnete Caren Lay nannte den Iran bei Twitter einen "Verbrecherstaat". Der menschenrechtspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Jürgen Braun, teilte mit, er habe die Patenschaft für einen weiteren zum Tode verurteilten Mann übernommen. "Greise Mullahs beugen das Recht, nur um ihre Herrschaft zu erhalten, und nennen es Gottes Wille."

US-Außenministerium spricht von "Scheinprozessen"

Auch das US-Außenministerium verurteilte die Hinrichtungen "aufs Schärfste" und sprach von "Scheinprozessen" gegen die beiden Hingerichteten. Kanada forderte den Iran auf, die "sinnlosen Hinrichtungen" zu beenden. Die Niederlande bestellten den iranischen Botschafter ein, um ihm ihre "ernste Besorgnis" mitzuteilen und riefen die EU-Mitgliedsstaaten auf, dies ebenfalls zu tun.

Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte verurteilte auf Twitter die "auf erpressten Geständnissen" basierenden Prozesse im Zusammenhang mit den Protesten. Es sei "schockierend, dass der Iran trotz des internationalen Aufschreis weiterhin Demonstranten" hinrichte.

Der Chef der in New York ansässigen Menschenrechtsorganisation Center for Human Rights in Iran (CHRI), Hadi Ghaemi, warf der Regierung in Teheran vor, durch "Hinrichtungen und tödliche Gewalt" Angst und Schrecken unter der Zivilbevölkerung zu verbreiten und damit die Hoffnungen nach Veränderung "zunichtezumachen".

Menschenrechtler verweisen auf Dunkelziffer

Die Zahl der offiziell hingerichteten Demonstranten im Zuge der seit über drei Monaten andauernden systemkritischen Proteste steigt mit den Hinrichtungen von Mohammed Mehdi Karami und Sejed Mohammed Hosseini auf vier. Nach Angaben der in den USA ansässigen Organisation Human Rights Activists News Agency (HRANA) könnte die Zahl allerdings noch deutlich höher sein. So seien 2022 nur rund ein Drittel der Hinrichtungen durch das islamische Regime offiziell angekündigt worden.

Der Organisation zufolge sind bei den Protesten bereits mehr als 500 Menschen ums Leben gekommen, unter ihnen 70 Minderjährige sowie knapp 70 Polizei- und sogenannte Sicherheitskräfte. Mehr als 19.000 Demonstranten seien verhaftet worden.

Über die Zahl der zum Tode verurteilten Verhafteten gibt es widersprüchliche Informationen, da bei einigen das Todesurteil in Berufungsgerichten aufgehoben wurde. Die Rede ist von 20 Demonstranten, die auf der Todesliste der Justiz stehen sollen. Das iranische Regime hat diese und ähnliche Angaben bislang weder bestätigt noch dementiert.

Entzündet hatten sich die Proteste am Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Die Kurdin war am 16. September in Polizeigewahrsam unter umstrittenen Umständen gestorben. Die sogenannte Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie unangemessen gekleidet gewesen sein soll. Inzwischen haben sich die Proteste zur größten Herausforderung für die Führung seit 1979 ausgewachsen. Damals wurde im Zuge der Islamischen Revolution der Schah gestürzt und die Islamische Republik wurde ausgerufen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Angaben der Organisation HRANA
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