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Der geheime Krieg der Elitesoldaten


Spezialeinheiten in Afghanistan
Der geheime Krieg der Elitesoldaten

spiegel-online, Von Johannes Korge

Aktualisiert am 11.08.2011Lesedauer: 8 Min.
Navy Seals vom Team Zwei (Echo Platoon) bei einer Übungsoperation an Bord der USS NormandyVergrößern des BildesNavy Seals vom Team Zwei (Echo Platoon) bei einer Übungsoperation an Bord der USS Normandy (Quelle: imago/imago-images-bilder)
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Sie operieren im Verborgenen und schlagen gern im Schutz der Nacht zu: Spezialeinheiten spielen im Afghanistan-Krieg eine entscheidende Rolle. Von Aufgaben und Methoden der Elitesoldaten aus den USA, Großbritannien oder Deutschland erfährt man erst, wenn der Job erledigt ist - wenn überhaupt.

Die Kämpfer sind der Stolz ihrer Armeen, aber trotzdem unterliegen ihre Missionen der Geheimhaltung. Ihre Kommandoaktionen können Kriege entscheiden, doch die Namen der Beteiligten bleiben unter Verschluss. Oft sind sie professioneller Killer, Geheimagent und Ausbilder in einer Person. Dass sie im Einsatz sind, merkt die Öffentlichkeit meist erst, wenn etwas schiefgeht: so wie beim Abschuss eines Militärhubschraubers am vergangenen Wochenende. Dabei waren unter anderem 25 Mitglieder der US-Navy-Seals getötet worden.

Spezialeinheiten wie die Navy Seals und Green Berets der US-Streitkräfte, die SAS-Einheit des britischen Militärs, aber auch das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr operieren seit Jahren in Afghanistan.

Doch wer sind diese Krieger, die als moderne, präzise "Kampfmaschinen" glorifiziert werden - und sich manchmal auch selbst so sehen? Wo werden sie eingesetzt? Was sind ihre Aufgaben im Konflikt am Hindukusch?

Die Verschleierungstaktik der befehlenden Regierungen funktioniert. Informationen über die Arbeit von Seals, SAS und Co. sind spärlich und nur selten aus erster Hand zu bekommen.

Die Entsendung von Spezialeinheiten nach Afghanistan jährt sich 2011 zum zehnten Mal. Am 28. September 2001 titelte die Zeitung "USA Today": "Spezialeinheiten jagen Bin Laden".

Washington reagierte damals blitzartig: Schon zwei Tage nach den verheerenden Attentaten, so das Blatt unter Berufung auf Quellen im Pentagon, sei die erste Vorhut nach Pakistan und von dort weiter nach Afghanistan geschickt worden. Ihre Mission: den mutmaßlichen Drahtzieher der Attentate, Talibanfürst Osama Bin Laden, aufspüren und festnehmen - oder töten.

Dieses knappe Briefing umfasst den ersten von vier zentralen Aufträgen an die Spezialeinheiten in Afghanistan:

  • Bekämpfung des Terrorismus: Bei der Jagd nach Kommandeuren der radikalislamischen Taliban und Qaida-Chef Osama Bin Laden bilden die verschiedenen Spezialkommandos die Speerspitze. Unter dem Banner der Aktion " Enduring Freedom", als direkte Reaktion auf die Anschläge des 11. September, durchkämmten zunächst vor allem US-Elitesoldaten entlegene Gegenden des Landes, drangen in Höhlensysteme vor und lieferten sich zahllose Feuergefechte mit den Taliban. Bis zur Ergreifung und Tötung des Hauptziels Bin Laden dauert es trotz der fieberhaften Suche knapp zehn Jahre.
  • Spezielle Aufklärung (Special Reconnaissance): Dabei wagen sich die Soldaten in meist kleinen Einheiten bis weit hinter die feindlichen Linien. Aufgabe ist es, mögliche Ziele für spätere Angriffe auszuspähen. Direkten Feindkontakt meiden diese Aufklärungstrupps. Stattdessen dokumentieren die Soldaten das Gelände um ein Angriffsobjekt, bewerten die zu erwartende Gegenwehr und platzieren manchmal sogar Sender, die bei einer späteren Attacke das Ziel markieren.
  • Unkonventionelle Kriegsführung (Unconventional Warfare): Schon zu Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen in Afghanistan suchten ausländische Spezialeinheiten gezielt den Kontakt zu lokalen Gegnern der Taliban, besonders zur Nordallianz. Dadurch konnte in kürzester Zeit eine schlagkräftige lokale Armee zusammengestellt werden, während eine reine Invasion westlicher Einheiten deutlich mehr Zeit gebraucht hätte. Weitere Varianten der unkonventionellen Kriegsführung sind Sabotage, Guerilla-Taktiken oder Spionage - auch diese wendeten die Spezialeinheiten im Konflikt am Hindukusch an.
  • Ausbildung: Die Zusammenarbeit mit lokalen Gegnern der Taliban beschränkt sich nicht allein auf deren Versorgung mit Waffen, Kommunikationsgerät oder spezieller Kleidung. Praktisch ab dem ersten Tag der Afghanistan-Mission unterrichteten Spezialkräfte die Männer vor Ort im Umgang mit dem neuen Gerät, in Kampfmethoden und taktischer Kriegsführung. Auch viele direkte Kampfhandlungen werden in Kooperation mit einheimischen Kräften durchgeführt.

Federführend bei der Operation "Enduring Freedom" sind die US-Streitkräfte. Doch auch andere Nationen schicken speziell ausgebildete Soldaten nach Afghanistan. Diese Elitetruppen wirken im Kampf gegen die Taliban und al-Qaida entscheidend mit:

USA: Mit Seals und Berets gegen Bin Laden

"Geronimo EKIA" - als eine Einheit der Navy Seals diese Nachricht erst an das Gefechtskommando und kurz danach ans Weiße Haus funkte, endete eine 18 Jahre währende Hetzjagd. "Geronimo" war der Code für die Jagd auf Osama Bin Laden, "EKIA" steht für "enemy killed in action". Den Zugriff übernahmen Mitglieder des legendären Team Six der Seals, die Elite unter den Elitesoldaten.

Die nächtliche Kommandoaktion im pakistanischen Abbottabad war der bisherige Höhepunkt, nicht aber das Ende des Einsatzes amerikanischer Sondereinheiten im Afghanistan-Krieg. Ihre Arbeit unterscheidet sich deutlich von der "regulärer" Armeen. So agieren die Elitekrieger in kleinen Teams und oft über Tage oder sogar Wochen autark.

Deshalb sind die US-Spezialeinheiten geschult in Überlebenstaktiken, Navigation in unwegsamem Gelände und strategischer Einsatzplanung. Dazu kommen die große körperliche Belastbarkeit und die hochwertige Ausrüstung der US-Elitesoldaten. "Für Mitglieder von Spezialeinheiten ist ihre Tätigkeit nicht nur ein Job, sondern auch eine Einstellung. Man entwickelt schon einen besonderen Stolz", sagt Kaj-Gunnar Sievert, Fachbuchautor und selbst 13 Jahre Mitglied einer Spezialeinheit der Schweizer Armee.

Laut Sievert sind die Special Forces ein spezielles Instrument jeder Streitkraft. "Punktuell sind sie sehr erfolgreich, doch wird das Zusammenspiel aller militärischen und politischen Anstrengungen über den Erfolg oder Nichterfolg entscheidend", so Sievert. Typisch sei es jedoch, dass Spezialeinheiten als erste in einen Kriseneinsatz geschickt werden - und als letzte wieder abgezogen werden.

Wie viel Mann sich zu welchem Zeitpunkt in Afghanistan aufhalten, ist in Washington ein gut gehütetes Geheimnis. Aktuelle Schätzungen reichen bis zu 10.000 Mann.

Als gesichert gilt jedoch, dass unter anderem folgende Einheiten in Kampfhandlungen verwickelt sind oder waren:

  • Navy Seals: Sie sehen sich selbst gern als die Härtesten unter den Harten. Tatsächlich sind Ausbildung und Training der Marine-Elite gnadenlos, nur ein geringer Teil der Kandidaten besteht den Aufnahmetest. Die rund 2000 Mann starke Truppe ist aus US-Spezialeinheiten des Zweiten Weltkriegs hervorgegangen. Sea, Air, Land, dafür steht ihre Abkürzung - sie sind also auf dem Meer, in der Luft und am Boden im Einsatz. Ihre Aufgaben: Kampfeinsätze, Terrorismusbekämpfung, Sabotage, Befreiungs- und Rettungsaktionen. Besonders die Identität der Mitglieder des Team Six, das den Bin-Laden-Einsatz ausführte, ist streng geheim.
  • Delta Force: Seit 1977 widmet sich diese Spezialeinheit besonders dem Kampf gegen den Terrorismus. Aber auch bei der Befreiung von Geiseln oder der Aufklärung gelten die Soldaten der Delta Force als Experten. In Afghanistan war die Einheit besonders in den ersten Kriegsjahren aktiv, ab 2003 wurden zahlreiche Soldaten in den Irak verlegt. Bei ihren Einsätzen tragen die rund 1000 Mitglieder der Delta Force oft zivile Kleidung. Auch längere Haare und Bärte sind, anders als bei den meisten anderen US-Einheiten, erlaubt - alles für eine möglichst perfekte Tarnung. Treten die Soldaten in Uniform auf, ist diese in der Regel unauffällig, Namen oder Rangabzeichen gibt es meist nicht.
  • Green Berets: Ihre Hauptaufgabe in Afghanistan ist die unkonventionelle Kriegsführung. Als älteste US-Spezialeinheit, gegründet 1952, ist sie mit etwa 7000 Mitgliedern gleichzeitig eine der größten. Mitglieder der Green Berets waren es, die in den Wochen nach 9/11 als erste in geheimer Mission abgesetzt wurden. Möglichst schnell sollten sie Kontakt zur Nordallianz herstellen und diese in ihrem Kampf gegen die Taliban leiten und unterstützen. Noch immer operieren viele Berets verdeckt im Land. Inzwischen hat sich ihr Aufgabenschwerpunkt verlagert, die Ausbildung der lokalen Armee und deren eigener Spezialeineinheiten soll nun im Vordergrund stehen.
  • Task Force 373: Jahrelang hielten die USA diese Einheit streng geheim. Erst die WikiLeaks-Dokumente enthüllten im Sommer 2010, wie eine kleine Gruppe von Elitesoldaten im Afghanistan Jagd auf Taliban-Kommandeure macht. Die Einheit besteht unter anderem aus Navy Seals und Soldaten der Delta Force - ihre Befehle erhält sie direkt aus dem Pentagon. Die Mitglieder der TF 373 tragen keine Namen an den Uniformen. Wenn sie ausrücken, erfahren die normalen Befehlsstände der Isaf nichts über ihren Auftrag. Bevorzugt verfolgt die TF 373 "High Value Targets" ("Hochwertziele"), unter anderem Top-Taliban und Sprengstoffexperten von al-Qaida. Den Jägern wird fallweise die Option gelassen, die Person festzunehmen oder zu töten.

Großbritannien: SAS und SBS im Einsatz

Informationen über die britischen Elitekrieger am Hindukusch gibt es nur spärlich und in der Regel aus zweiter Hand. Eine Ausnahme bildet eine Rede des damaligen britischen Premiers Gordon Brown im November 2009. Darin erklärte Brown öffentlich, dass rund 500 Mitglieder der britischen Spezialeinheiten in Afghanistan stationiert seien. Diese befänden sich "im direkten Kampf mit den Taliban", so Brown.

Laut britischem "Guardian" verfolgen die Einheiten in Afghanistan zwei primäre Aufgaben:

  • Schutz der regulären britischen Truppen: Die Spezialeinheiten gehen gezielt gegen Taliban-Kämpfer vor, die mit versteckten Sprengsätzen und selbstgebastelten Bomben immer wieder für Todesfälle und Verletzungen verantwortlich sind. Diese Sprengsätze liegen oft auf oder in Straßen versteckt und können auch bei gepanzerten Fahrzeugen massive Schäden anrichten. Die britischen Spezialeinheiten sind im Entschärfen solcher Bomben geschult. Vor allem aber richten sich ihre Aktionen gegen die Konstrukteure der Sprengsätze und Personen, die sie platzieren.
  • Verdeckte Aktionen gegen Top-Taliban: Wie ihre US-Kollegen - und oft mit ihnen zusammen - führen die britischen Spezialeinheiten Undercover-Missionen gegen wichtige Mitglieder der Taliban und al-Qaida aus. Dazu gehören laut dem "Guardian" sowohl "hard arrests", bei denen mutmaßliche Befehlshaber der gegnerischen Truppen festgesetzt werden, als auch "offensive Aktionen". Diese enden häufig mit dem Tod der Zielperson.

Der Großteil der britischen Einsätze in Afghanistan wird von zwei Spezialeinheiten durchgeführt.

  • 22. Special Air Service Regiment (SAS): Sie gilt als wichtigste britische Spezialeinheit im Einsatz in Afghanistan. Das SAS ist das Prunkstück der britischen Streitkräfte und ein Prototyp für moderne Spezialeinheiten auf der ganzen Welt. Unter anderem wurde die Delta Force der US-Armee nach dem Vorbild des SAS gegründet. Gleichzeitig werden die Einheiten des SAS nahezu komplett von der Öffentlichkeit abgeschottet. Die Einheit besteht aus vier Untergruppen, die angeblich je rund 60 Mann zählen. Jede dieser Gruppen besitzt Spezialisten für den Einsatz aus der Luft, auf dem Wasser, mit Landfahrzeugen und im Gebirge.
  • Special Boat Service (SBS): Schon während der ersten Kriegsmonate in Afghanistan schickte die britische Regierung Einheiten des SBS ins Land. Diese sorgten zusammen mit den US-Soldaten für rasche Erfolge im Kampf gegen die Taliban. Die Einheit umfasst angeblich bis zu 200 Personen, aufgeteilt in vier Teilgruppen. Als Ableger der Marine sind die SBS-Soldaten besonders geschult im Umgang mit Kleinbooten und Kajaks, der Terrorismusbekämpfung auf See sowie in Unterwasseroperationen. Trotz dieser Fokussierung auf die maritime Kriegsführung sind sie weiter in Afghanistan aktiv. Unter anderem hilft ihnen in den schneebedeckten Bergen des Landes ihre Ausbildung unter arktischen Bedingungen. So trainieren SBS-Soldaten unter anderem am Polarkreis den Umgang mit Skiern und das Überleben bei eisigen Temperaturen.

Deutschland: Die geheime Mission des KSK

Die Spezialeinheit der Bundeswehr nimmt bei den Kampfeinsätzen in Afghanistan eine Sonderstellung ein. Anders als bei den US-amerikanischen und britischen Kollegen beteiligt sich das Kommando Spezialkräfte (KSK) offiziell nicht an gezielten Tötungen. Seit 2007 operieren etwa 120 Soldaten unter dem Decknamen "Task Force 47" im Norden des Landes. Hauptaufgaben des KSK in den Provinzen Badakshan, Baghlan und Kunduz sind:

  • Aufklärung: Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage ist einer der wichtigsten Aufträge der Task Force 47, die "gegnerischen Netzwerke im Einsatzraum des Deutschen Einsatzkontingents" auszuspähen. Außerdem sollten die Elitesoldaten Informationen über Personen sammeln, die "mit Anschlägen gegen die Sicherheitskräfte und die afghanische Staatsgewalt in Verbindung stehen".
  • Bekämpfung des Terrorismus: In enger Zusammenarbeit mit den afghanischen Behörden gehen die deutschen Spezialeinheiten gegen Mitglieder der Taliban in ihrem Einsatzbereich vor. Im August 2010 teilte die Bundesregierung mit, dass dabei seit Beginn der deutschen Mission mehr als 50 gesuchte Personen festgenommen wurden. Nur einen Monat später fasste das KSK bei Kunduz den Taliban-Anführer Maulawi Roshan.
  • Ausbildung: Das KSK baut in Nordafghanistan eine neue Eliteeinheit der afghanischen Polizei auf. Kommandosoldaten schulen Rekruten der "Provincial Response Company", die vor allem gegen Taliban-Führer eingesetzt werden soll. Eine erste Einheit der seit Mai 2010 trainierten Afghanen nimmt nach Informationen des SPIEGEL bereits an internationalen Operationen gegen die Taliban im Raum Kunduz teil. Mit der Einbindung der Deutschen in den Aufbau von einheimischen Eliteverbänden folgt die Bundeswehr dem Vorbild der USA. Deren Spezialkräfte nehmen mittlerweile bei fast allen Kommandoaktionen entsprechend ausgebildete Afghanen mit.
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