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Mutmaßlicher Giftgasangriff: Russlands Version der Ereignisse in Duma


Propaganda im Staatsfernsehen
Russlands Version der Ereignisse in Duma

t-online, tdu

23.04.2018Lesedauer: 4 Min.
Der russische Staatssender Rossija 1: Die Moderatorin präsentiert angeblich Beweise dafür, dass der mutmaßliche Giftgasangriff in Duma von den Weißhelmen inszeniert wurde.Vergrößern des BildesDer russische Staatssender Rossija 1: Die Moderatorin präsentiert angeblich Beweise dafür, dass der mutmaßliche Giftgasangriff in Duma von den Weißhelmen inszeniert wurde. (Quelle: Screenshot Rossija 1)
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Experten suchen im syrischen Duma nach Beweisen für den mutmaßlichen Giftgasangriff auf die Stadt. Russland präsentiert eine ganz eigene Version der Ereignisse.

Eine Analyse von Osteuropa-Experte Thomas Dudek

Für die russische Regierung war der mutmaßliche Giftgasangriff auf Duma am 7. April eine Inszenierung und Provokation der Weißhelme. Die angeblichen Beweise dafür präsentiert seit Wochen das russische Staatsfernsehen.

In einem ausführlichen Gespräch mit der Nachrichtenagentur Ria Novosti, von dem es auch eine 50-minütige Videofassung gibt, äußert sich der russische Außenminister Sergei Lawrow unter anderem zu dem mutmaßlichen Giftgasangriff in Duma. Nach Meinung Lawrows war dieser nur eine "Inszenierung" der Weißhelme, einer privaten Zivilschutzorganisation von Freiwilligen in Syrien.

Lawrow: Weißhelme werden vom Westen finanziert

"Die Weißhelme sind nur in jenen Gebieten aktiv, die von Militanten und Terroristen wie al-Nusra kontrolliert werden. Und sie haben vor einem Jahr in Chan Schaichun die gleiche Provokation durchgeführt. Außerdem sei es auch kein Geheimnis, dass die Weißhelme unter anderem von Großbritannien, den USA und einer Reihe weiterer westlicher Länder finanziert werden, so Lawrow gegenüber Ria Novosti.

Bei dem Giftgasangriff am 4. April 2017 in Chan Schaichun starben mindestens 86 Menschen. Verantwortlich wird für den Angriff die syrische Armee gemacht, was jedoch Damaskus und Russland bestreiten.

Es sind Vorwürfe, die nicht neu sind. Seit Jahren versuchen Russland und das Assad-Regime, die Weißhelme als eine vom Westen finanzierte und mit islamistischen Gruppen zusammenarbeitende Organisation zu diffamieren. Und nicht anders soll es nun auch bei der Offensive auf Duma gewesen sein, bei dem nach Darstellung Russlands und seines Verbündeten Assad kein Gift eingesetzt worden sei.

Das von den Weißhelmen verbreitete Video, das Kinder und Erwachsene in einem Krankenhaus in Duma zeigt, die mit Wasser gewaschen sowie mit Atemsprays behandelt werden und als Beleg für den Giftgasangriff vom 7. April dient, bezeichnen Moskau und Damaskus als eine Inszenierung.

Russische "Beweisfotos" stammen aus syrischem Spielfilm

Welchen Aufwand die Weißhelme bei dem Dreh des Videos betrieben haben sollen, zeigte der russische Staatssender Rossija 1 bereits am 9. April. In der Hauptnachrichtensendung Vesti wurden Fotos eines angeblichen Filmsets der Weißhelme präsentiert, auf dem Frauen und Kinder geschminkt und mit Requisiten ausgestattet werden, um als Opfer eines Angriffs inszeniert zu werden.

Als Beweis für die Urheberschaft der Weißhelme diente Rossija 1 eine angeblich falsch beschriftete Regieklappe. Ergänzt wurde der Beitrag mit Aussagen des russischen Außenministers Lawrow, der von Fake News sprach sowie dem schon fast obligatorischen Hinweis, dass die Weißhelme von Großbritannien und den USA finanziert werden.

Dass die von Rossija 1 verbreiteten Fotos jedoch nicht von einem Filmset der Weißhelme stammten, zeigten die Recherchen von Patrick Gensing für den "Faktenfinder" der Tagesschau. Vielmehr entstanden diese Bilder bei den Dreharbeiten an dem syrischen Spielfilm "Revolution Man", der von dem Mobilfunkunternehmen Syriatel sowie dem syrischen Kulturministerium finanziert und Anfang März in Damaskus vorgestellt wurde.

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Ein Post auf der Facebook-Seite zum syrischen Spielfilm "Revolution Man": Dieses Foto wurde im russischen Staats-TV benutzt, um den Weißhelmen eine "Inszenierung" des Giftgasangriffs in Duma vorzuwerfen.

Trotzdem hält Russland weiter an seiner Darstellung fest und präsentierte in den vergangenen Tagen weitere Beweise und Zeugen für die angebliche Inszenierung des Giftgasangriffs durch die Weißhelme. Eine Schlüsselrolle in der Darstellung Moskaus spielt Hassan Diab. Der 11-jährige Junge ist eines der Kinder, die in dem Video der Weißhelme nach dem mutmaßlichen Giftgasangriff von Duma versorgt werden.

11-Jähriger als Kronzeuge

Am 18. April erzählt Diab in einem Beitrag des Rossija1-Korrespondenten Jewgenij Poddubnij, wie die Bilder angeblich entstanden. "Wir waren im Keller. Mama sagte mir, dass es heute nichts zu essen gibt und wir erst morgen essen werden", erzählt Hassan Diab in dem Beitrag. "Wir hörten Geschrei draußen auf der Straße. Es wurde geschrien, wir sollten ins Krankenhaus gehen. Wir liefen ins Krankenhaus.

Als ich reinkam, wurde ich gegriffen und mit Wasser begossen. Danach wurden wir auf die Betten neben anderen Menschen gelegt", so der 11-Jährige, der als Belohnung von den "Extremisten" Reis, Datteln und Gebäck bekommen haben soll. Bestätigt wird diese Geschichte von dem Vater des Jungen, Omar Diab, der verneint, dass es am 7. April überhaupt einen Giftgasangriff gegeben hat. "Ich rauchte auf der Straße und spürte nichts", so Omar Diab. "Mein Kind fühlte sich sehr gut."

Es blieb jedoch nicht nur bei diesem einem Auftritt des 11-jährigen Jungen. Am 19. April konnten russische TV-Zuschauer Hassan Diab erneut sehen, wie er in einem "Exklusivbeitrag" im Beisein seines Vaters das Krankenhaus von Duma besuchte und den russischen Journalisten seine Geschichte noch einmal erzählte. Und es könnte nicht der letzte große Auftritt von Hassan Diab gewesen sein.

Am Donnerstag erklärte Maria Sacharowa, die Pressesprecherin des russischen Außenministeriums, dass Hassan Diab zusammen mit seinen Eltern vor dem UN-Sicherheitsrat aussagen solle. Eine Idee, die Außenminister Sergei Lawrow in seinem Interview mit Ria Novosti bekräftigte.

Staats-TV: "Provokationsindustrie" der Weißhelme und Rebellen

Mittlerweile spricht das russische Staatsfernsehen schon von einer regelrechten "Provokationsindustrie" der Weißhelme und Rebellen. Am 17. April wurde ein angebliches Chemielabor der Rebellen präsentiert, das russische Soldaten im Keller eines Wohnhauses in Duma fanden. Die Chemikalien sollen laut russischen Angaben aus Deutschland und dem britischen Salisbury stammen.

Am Sonntag begannen die Nachrichtenprogramme des russischen Staatsfernsehens eine weitere Offensive. In einem Beitrag berichten sie von regelrechten Großproduktionen, die dank eines Millionenbudgets angebliche Kriegsverbrechen der Regierungstruppen inszenierten.

Dabei beruft sich das russische Fernsehen jedoch nicht nur auf angebliche syrische Zeugen und Experten aus Russland, sondern auch auf den ZDF-Journalisten Uli Gack. Dieser besuchte zusammen mit anderen westlichen Journalisten ein Flüchtlingslager, in dem er auch mit Personen aus Duma sprach, die ihm erklärten, dass es sich bei dem Giftgasangriff vom 7. April um eine Inszenierung des IS handeln soll.

"Ob das alles stimmt? Ich würde nicht für jeden Satz meine Hand ins Feuer legen, aber irgendwie scheint schon was dran zu sein", sagte Gack am Freitag der "heute"-Sendung. Das russische Staatsfernsehen machte daraus: "Das ZDF gab zu, dass der Chemieangriff in Duma eine Fälschung war."

Verwendete Quellen
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