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Gescheiterte Anti-Terror-Missionen: Mali setzt lieber auf russische Hilfe


Gescheiterte Anti-Terror-Missionen
Sie setzen lieber auf russische Hilfe

  • David Schafbuch
Von David Schafbuch

Aktualisiert am 17.02.2022Lesedauer: 4 Min.
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Demonstranten verbrennen in Bamako Pappaufsteller des französischen Präsidenten Macron: In Mali nutzt die Übergangsregierung Frankreich als Sündenbock.Vergrößern des Bildes
Demonstranten verbrennen in Bamako Pappaufsteller des französischen Präsidenten Macron: In Mali nutzt die Übergangsregierung Frankreich als Sündenbock. (Quelle: Paul Lorgerie/Reuters-bilder)

Frankreich und Verbündete beenden ihre Anti-Terror-Missionen in Mali. Denn trotz des langjährigen Einsatzes hat sich die Terrorgefahr in dem Land immer weiter erhöht. Wie konnte es dazu kommen?

Viel Zeit will sich Emmanuel Macron nicht lassen. Schon im Juni soll der "koordinierte Rückzug" der beiden Anti-Terror-Missionen Barkhane und Takuba aus Mali erfolgen. So steht es in einer Mitteilung des Élysée-Palasts, unterzeichnet von zahlreichen anderen Nationen, die in der Region militärisch aktiv sind – darunter auch Deutschland, das an den Einsätzen gar nicht beteiligt ist.

Man fordere die malische Regierung auf, freie Wahlen zu ermöglichen und wieder das Gespräch mit der Afrikanischen Union und der Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas zu suchen. Aber die Unterzeichner seien aufgrund von "zahlreichen Behinderungen" dennoch der Meinung, dass beide Missionen nun enden sollten. Den Kampf gegen den Terror wolle man trotzdem weiterführen – aus dem Niger und der westafrikanischen Küstenregion am Golf von Guinea.

Das Ende der Einsätze in Mali kommt wenig überraschend. Macron spielte zuletzt immer offener mit dem Gedanken. Die Militärjunta, die sich durch zwei Putsche an die Macht brachte, versuchte Frankreich zuletzt zum Sündenbock für die Probleme des Landes zu machen. Die Ursachen für den französischen Rückzug lassen sich jedoch nicht nur außenpolitisch, sondern auch durch innenpolitisches Kalkül Macrons erklären. Und über allem schwebt die Frage: Was soll in vier Monaten aus Mali werden?

Seit 2014 war das französische Militär in Mali mit der Operation Barkhane mit bis zu 5.100 Soldaten im Einsatz. Im Gegensatz zu der EU-Ausbildungsmission EUTM und dem Blauhelm-Einsatz Minusma, an denen auch die Bundeswehr beteiligt ist, ist der Einsatz aktiv für die Bekämpfung des Terrorismus vorgesehen. Erst im vergangenen April kam dazu die von Frankreich initiierte Anti-Terror-Mission Takuba hinzu: Daran beteiligen sich auch andere Länder wie Estland, Schweden oder Rumänien. Insgesamt sollen an der Mission rund 800 Soldaten teilnehmen.

"Das erinnert an Afghanistan", sagt Ulf Laessing, der das Büro der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in der Hauptstadt Bamako leitet, zu t-online. Vergangenen Sommer hatten dort nach dem Abzug der Amerikaner auch die restlichen Nationen ihren Militäreinsatz beendet. Während die Taliban innerhalb kürzester Zeit die Kontrolle über das Land übernahmen, kämpften zahllose Zivilisten und Ortskräfte, die das Militär unterstützt hatten, um ihre Ausreise – viele von ihnen noch bis heute.

Laessing glaubt, dass die ohnehin schon hohe Terrorgefahr in Mali nach dem Abzug weiter steigen wird. Dagegen hält er einen Umsturz durch eine Gruppe wie in Afghanistan für unwahrscheinlich: Der Übergang zwischen Banditen und Terroristen sei in dem Land fließend. Zwar seien dort Gruppen unterwegs, die man dem "Islamischen Staat" oder al-Qaida zuordnen könne, eine tiefe Ideologie sei bei den Kämpfern allerdings kaum zu erkennen.

Terrorgefahr immer weiter gestiegen

Auf den ersten Blick wirkt der Abzug trotzdem folgerichtig: Die Terrorgefahr hat sich – trotz Barkhane, Takuba und weiteren Militärmissionen – in den letzten Jahren nicht reduziert. Für die Bundeswehr gilt Mali schon seit Langem als gefährlichster Auslandseinsatz, Frankreich hat bis heute gar 53 tote Soldaten beim Kampf gegen den Terror zu beklagen.

Emmanuel Macron glaubt trotzdem nicht, dass der Einsatz umsonst war. "Wir haben das Schlimmste verhindert", sagte der Präsident. Das sieht auch Ulf Laessing so: Die Franzosen hätten als eine der stärksten Militärpräsenzen genau wie die Deutschen ihren Job gemacht.

Das Problem sei dagegen die Schwäche der malischen Einheiten. Trotz der EU-Ausbildungsmission EUTM sei das eigene Militär nicht in der Lage, zurückeroberte Gebiete ohne ausländische Unterstützung zu halten. Macron glaubt, dass der Anti-Terror-Kampf für die Militärjunta schlichtweg keine Priorität habe – und es sei nicht die Aufgabe Frankreichs, die Rolle des Staates zu übernehmen.

Junta holt russische Söldner

Für die Beziehung der ehemaligen Kolonie zu Frankreich markiert der Abzug einen neuerlichen Tiefpunkt. Seit der Militär Assimi Goïta die Macht hat, versucht die Junta zunehmend Stimmung gegen Frankreich und seine Truppen zu machen. Zuvor wurde etwa der französische Botschafter ausgewiesen. Im Volk kommt das gut an. Gleichzeitig hat die Junta, die sich offiziell als Übergangsregierung bezeichnet, einen Termin für freie Wahlen im Februar auf einen unbestimmten Zeitpunkt in den kommenden fünf Jahren verschoben.

Militärisch setzt die Regierung mittlerweile statt auf europäische lieber auf russische Truppen: Zur Jahreswende gab es mehrere Berichte über einen Einsatz der russischen Söldnertruppe Wagner. Mittlerweile sollen rund 1.000 von ihnen im Land sein. Zudem wird die Junta von Militärexperten aus Russland beraten.

Laessing nennt die Söldner "skrupelloser" als die Europäer: "Wir machen mit EUTM Ausbildungen tausend Kilometer von der Front entfernt. Die Russen gehen mit den Maliern direkt in das Kampfgebiet." Auch seien russische Waffen und Fahrzeuge beliebter bei den einheimischen Soldaten: Sie ließen sich einfacher bedienen und auch besser reparieren als die moderne Ausrüstung, die man von den Europäern erhalte, meint Laessing.

"Viele haben noch nicht begriffen, was es für Mali bedeuten wird"

Frankeichs Präsident Macron hat jedoch auch seine innenpolitischen Gründe, den Einsatz abrupt enden zu lassen. Im April stehen Präsidentschaftswahlen in Frankreich an – und die Mali-Missionen sind nicht nur gefährlich und unbeliebt, sondern auch teuer.

Was der Abzug nun konkret für Mali bedeutet, könne Laessing aktuell noch nicht sagen: "Viele haben noch nicht begriffen, was es für Mali bedeuten wird, wenn die Franzosen weg sind." Für die Bundeswehr und andere internationale Truppen werde es in jedem Falle noch gefährlicher: Denn Barkhane- und Takuba-Truppen hatten nicht nur die restlichen Militäroperationen mit Kampfhubschraubern geschützt, sondern auch zahlreiche Entwicklungsprojekte. Deren Umsetzung werde nun immer komplizierter.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Nachrichtenagentur dpa und AFP und Reuters
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