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Trump eskaliert mit Nationalgarde – und provoziert bewusst


Nationalgarde in Los Angeles
Trump zündelt mit dem Feuer

Von t-online, FIN

Aktualisiert am 09.06.2025 - 14:47 UhrLesedauer: 4 Min.
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Im Video: Schwer bewaffnete Polizisten versuchen, die Lage unter Kontrolle zu bringen. (Quelle: t-online)
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Mit der Entsendung der Nationalgarde nach Los Angeles ruft Präsident Trump Empörung hervor – und nutzt laut Experten gezielt die Macht des Weißen Hauses gegen politische Gegner.

Wegen zahlreicher Verhaftungen durch die US-Einwanderungsbehörde ICE ist es in der vergangenen Woche in der Stadt Los Angeles im Bundesstaat Kalifornien zu Demonstrationen gegen Trumps rigorose Abschiebepolitik gekommen. Dabei gab es zeitweise auch gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen örtlichen Polizeikräften und Demonstranten.

Experten befürchten nun, dass Trump mit der Entscheidung, die Nationalgarde zu mobilisieren – um, wie es aus dem Weißen Haus heißt, die "Gesetzeslosigkeit" und den "gewalttätigen Mob" in Los Angeles zurückzudrängen –, die Lage bewusst eskalieren lässt.

Trump ignoriert Gouverneurswunsch

Dass die Nationalgarde bei Notfällen zur Unterstützung der örtlichen Sicherheitsbehörden eingesetzt wird, ist in den USA nicht ungewöhnlich. In diesem Fall jedoch wird die Situation zusätzlich dadurch zugespitzt, dass Trump die Soldaten gegen den ausdrücklichen Willen des zuständigen Gouverneurs entsendet hat. Dieser beurteilt die Lage vor Ort indes ganz anders.

Am Sonntag schrieb Kaliforniens demokratischer Gouverneur Gavin Newsom:
"Trump schickt 2.000 Soldaten der Nationalgarde nach Los Angeles County – nicht, um einen ungedeckten Bedarf zu decken, sondern um eine Krise herbeizuführen."

Es ist das erste Mal seit 1992, dass ein US-Präsident die Nationalgarde unter bundesstaatliche Kontrolle stellt. Auch damals wurde Los Angeles von schweren Unruhen erschüttert – ausgelöst durch die Freisprüche für vier weiße Polizisten im Fall des Afroamerikaners Rodney King.

King war im Rahmen einer Verkehrskontrolle gestoppt worden, bei der er vermutlich alkoholisiert war und Widerstand gegen die Maßnahmen der Polizei leistete. Wie Videoaufnahmen von Augenzeugen zeigten, prügelten die Beamten brutal auf ihn ein – mit über 50 Schlagstockhieben und Fußtritten. Selbst als King reglos am Boden lag, setzten sie die übermäßige Gewalt fort.

Der Freispruch der Polizisten löste landesweite Empörung aus und führte in Los Angeles zu tagelangen Unruhen. Es kam zu Sachschäden in Höhe von rund 800 Millionen Dollar, Tausende wurden verletzt oder verhaftet, und Dutzende Menschen kamen ums Leben. Ein späteres Urteil verurteilte zwei der vier Angeklagten zu Haftstrafen von 30 Monaten. Im Unterschied zu der heutigen Situation hatte der Gouverneur damals jedoch selbst um Unterstützung durch Präsident George H. W. Bush und die Nationalgarde gebeten.

Kritiker warnen nun davor, dass der Einsatz der Nationalgarde gegen zivilen Protest die Spannungen auf den Straßen von Los Angeles weiter verschärfen könnte. Die Liga der Vereinigten Lateinamerikanischen Bürger verurteilte Trumps Anordnung scharf. Der Schritt sei "eine zutiefst beunruhigende Eskalation im Umgang der Regierung mit Fragen der Einwanderung – und eine Antwort auf zivilen Widerstand mit militärischen Taktiken".

Sicherheitsanalystin: "Massive Überreaktion"

Auch die demokratische Abgeordnete Nanette Barragán aus Kalifornien äußerte sich kritisch zur Entsendung der Truppen in ihre Region. Barragán, die den Wahlbezirk rund um die Stadt Paramount vertritt, in dem Einsatzkräfte stationiert sind, erklärte: "Wir haben nicht um Hilfe gebeten. Wir brauchen sie nicht. Er lässt die Lage eskalieren und sorgt für steigende Spannungen. Das wird die Situation nur verschlimmern, da die Menschen ohnehin schon über die Durchsetzung der Einwanderungsgesetze verärgert sind."

Juliette Kayyem, leitende nationale Sicherheitsanalystin bei CNN und frühere Beamtin im Heimatschutzministerium (DHS), kritisierte das Vorgehen der Trump-Regierung ebenfalls scharf. Die Reaktion auf die Proteste sei eine massive Überreaktion, sagte sie. Sie sei "angesichts der Bedrohung, die wir sehen, nicht rational".

"Sie sind auf Gewalt trainiert"

Dass ein Präsident sich mit seinen Entscheidungen über die örtlichen Behörden hinwegsetzt und ausdrücklich gegen den Willen des zuständigen Gouverneurs handelt, sei in der heutigen Zeit beispiellos, so Kayyem in einem Beitrag auf der Onlineplattform X. Weiter schrieb sie: "Eine Demokratie setzt bei Unruhen dieser Art kein Militär ein." Anders als lokale Polizeikräfte oder das Büro des Sheriffs seien Nationalgardisten "nicht darauf trainiert, eine politische Situation oder zivile Unruhen zu deeskalieren", schrieb Kayyem. "Sie sind auf den Einsatz von Gewalt trainiert."

Zudem warnte sie, dass bislang keine klaren Einsatzregeln für die Soldaten veröffentlicht worden seien. Dies könne zu erheblichen Problemen führen: Die Bevölkerung werde neuen Gefahren ausgesetzt – und auch für die Einsatzkräfte könnten sich bedrohliche Situationen ergeben, so die Sicherheitsexpertin.

Trumps Fehde mit Kalifornien

CNN-Politikanalyst Astead Herndon sieht in Trumps Vorgehen ein kalkuliertes politisches Manöver. Der US-Präsident liegt seit Jahren im Clinch mit dem kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom. Die Spannungen reichen von Trumps Kritik am kalifornischen Waldbrandmanagement über gekürzte Bundesmittel bis hin zu aktuellen Drohungen, Gelder wegen der Teilnahme eines Transgender-Athleten an einem Sportevent zu streichen. Erst kürzlich wurde auch die Finanzierung für Hochwasserschutzprojekte um 126,4 Millionen Dollar gekürzt.

Newsom wird zudem seit einiger Zeit als möglicher Kandidat für eine demokratische Präsidentschaftskampagne gehandelt – was dem politischen Zwiespalt mit Trump eine zusätzliche Schärfe verleiht.

Herndon sieht in all dem eine bewusste Eskalation des Weißen Hauses: "Sie wollen diesen Kampf mit Gavin Newsom und wollen dabei die Macht der Bundesregierung nutzen." Es sei ein zentrales Merkmal dieser Regierung, "die Macht der Bundesregierung gegen ihre Feinde einzusetzen, um ihr eigenes ideologisches Prisma durchzusetzen", so Herndon.

"Wir sind keine Illegalen, wir sind keine Terroristen"

Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat den Einsatz der Nationalgarde scharf kritisiert. Der Schritt ist "gefährlich" und dient laut Geschäftsführer Paul O'Brien dazu, "jene zu bestrafen, die sich für Menschenrechte einsetzen". Es gehe nicht um den Schutz von Gemeinden, sondern darum, "Widerspruch zu unterdrücken und Angst zu verbreiten", so O'Brien in einer Stellungnahme.

Juan José Gutiérrez, Direktor der Organisation "Full Rights for Immigrants Coalition", betont, dass Südkalifornien historisch als Zufluchtsort für Migrantinnen und Migranten gelte. Seiner Ansicht nach ziele Trump bewusst auf Los Angeles, um "es als abschreckendes Beispiel zu nutzen und klarzumachen, dass es keinen Widerstand gegen seine aggressive Abschiebepolitik geben darf".

"Los Angeles ist das Epizentrum des Widerstands und der zivilgesellschaftlichen Bemühungen in den USA", sagte Gutiérrez und ergänzte: "Wir sind keine Illegalen, wir sind keine Terroristen – wir sind Arbeiter."

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