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Zum journalistischen Leitbild von t-online."America Party" dreht auf Verräterische Propaganda

Mit einer neuen Partei will Elon Musk Donald Trump herausfordern und die USA umkrempeln. Der Wahlkampf der "America Party" dürfte schmutzig werden.
Noch ist Elon Musks "America Party" in keinem US-Bundesstaat offiziell registriert, doch der Werbeapparat der neuen Partei nimmt bereits Formen an – und liefert erste Hinweise auf das politische Programm des Tech-Unternehmers. Der einstige Verbündete und Geldgeber von Donald Trump hatte sich im Streit über dessen kürzlich verabschiedetes Steuergesetz mit dem US-Präsidenten überworfen. Jetzt will Musk das politische System der USA mit einer dritten Partei aufmischen.
Ganz oben auf seiner Agenda steht das Thema Staatsfinanzen. Der Zorn des Unternehmers über Trumps "Big Beautiful Bill" hatte sich vor allem an der enormen Neuverschuldung entzündet, die das Gesetz vorsieht.
- Machtprobe in den USA: Der Milliardär legt sich mit dem Präsidenten an
Das Haushaltsamt des Kongresses schätzt, dass die Staatsschulden der USA dadurch in den kommenden zehn Jahren um rund 3,3 Billionen US-Dollar (etwa 2,8 Billionen Euro) auf insgesamt rund 36 Billionen US-Dollar (etwa 30,5 Billionen Euro) steigen werden. Zum Vergleich: Die deutschen Staatsschulden beliefen sich 2024 auf rund 2,7 Billionen Euro.
"America Party": Staatsschulden als Kernthema?
Das erst kürzlich auf Musks eigener Plattform X eingerichtete Konto "America Party Commentary" schrieb zu dem Thema am Dienstagvormittag: "Wissen Sie, was radikal ist? 6,8 Billionen Dollar im Jahr auszugeben ohne Haushaltsplan und ohne Gegenfinanzierung. Die nennen das 'normal'. Die 'America Party' ist nicht radikal. Sie ist die Rückkehr zur Verantwortlichkeit." Dazu postete der Partei-Account dieses KI-generierte Foto von Elon Musk mit einer US-Flagge auf einem Pferd:
Worauf sich das X-Konto mit der Zahl von 6,8 Billionen Dollar jährlicher Ausgaben bezieht, ist unklar. Doch das Beharren auf einer verantwortlichen Haushaltspolitik dürfte ein geschickter Zug sein und könnte sich zum Markenkern der neuen Partei entwickeln.
Schließlich hat Musk in diesem Politikfeld schon eine gewisse Glaubwürdigkeit aufgebaut: Erst durch seine angebliche Verminderung der Staatsschulden als Leiter der "Effizienzbehörde" Doge und schließlich durch seinen Bruch mit Trump und den Republikanern über das Ausgabengesetz.
Auf dieses Wählerpotenzial zielt Musk
Der USA-Experte David Sirakov sieht "in diesem ideologischen Bereich durchaus Chancen für eine derartige Partei", sagte der Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz t-online. "Angesichts der breiten Unterstützung der republikanischen Partei im Kongress für Trumps Haushaltsgesetz bleiben insbesondere Anhänger einer fiskalkonservativen Politik auf der Strecke", so Sirakov. Auf dieses Wählerpotenzial dürfte es Musk also besonders abgesehen haben.
Doch Musk zielt mit seiner Partei nicht nur auf enttäuschte Republikaner. In mehreren Beiträgen auf X versucht sich die "America Party" als neue Kraft der Mitte zu inszenieren und Wähler beider Parteien zu gewinnen. "Die Mitte ist nicht leise. Sie ist ignoriert worden. Jetzt organisiert sie sich. Jetzt hat sie eine Stimme. Diese Stimme ist die 'America Party'", heißt es in einem weiteren Post von Dienstagvormittag.
Position der "America Party" steht in Kontrast zu Musks bisherigen Äußerungen
Die Strategie, sich als ideologisch unverdächtige Alternative für frustrierte US-Amerikaner anzubieten, ist auch in diesem Beitrag von Dienstagfrüh zu erkennen: "Die 'America Party' repräsentiert 80 Prozent aller Amerikaner, die der Extreme und all des Lärms überdrüssig sind. Nicht links, nicht rechts, einfach nur nach vorn." Doch der pragmatische Ton und die vermeintlich ideologiefreie Position der Partei stehen in starkem Kontrast zu Musks politischem Engagement der vergangenen Jahre.
So wandelte sich Musk nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 vom Unterstützer Kiews bald zum Sprachrohr des Kremls und verbreitete auf seiner Plattform X dessen Lügen über die Ursachen des Krieges. Musk soll seit Ende 2022 sogar regelmäßig Kontakt zum russischen Präsidenten Putin gepflegt haben.
Auch in der US-Politik veränderte Musk seine Positionen grundlegend. Unterstützte er vor Jahren noch die Demokraten, wurde er schließlich zu einem Anhänger Trumps und finanzierte dessen Wahlkampf 2024 mit etwa 250 Millionen Dollar.
"Gebt die Epstein-Akten frei"
In Europa ist Musk ebenfalls nicht gerade als neutraler Dritter aufgefallen. So unterstützte er vor den Bundestagswahlen die AfD erst mit einem einstündigen Gespräch mit Alice Weidel auf X und später mit einem Auftritt beim Parteitag in Halle (an der Saale) im Januar. In Großbritannien setzte sich Musk Anfang des Jahres für die Freilassung des inhaftierten Neonazis Tommy Robinson ein – und überwarf sich darüber noch mit dem Rechtspopulisten Nigel Farage, den er bis dahin gefördert hatte. Ob sich Musks mögliche US-Wähler davon abschrecken lassen, bleibt allerdings abzuwarten.
Doch die neue Partei lässt auch schon durchblicken, wie sie Trump im Kampf um Wählerstimmen wehtun könnte. "Gebt die Epstein-Akten frei", postete die "America Party" am Montag auf X. Kurz zuvor hatte sich auch Musk erneut zu dem Missbrauchsskandal um den früheren Trump-Intimus geäußert. Epstein starb 2019 in einer New Yorker Gefängniszelle, nach offiziellen Angaben durch Selbstmord. Doch eben das bezweifeln viele Trump-Anhänger.
Musk spielt erneut auf Trumps Freundschaft zu Epstein an
Sie bestreiten, dass Epstein sich selbst getötet hat, und vermuten eine mörderische Vertuschungsaktion, die eine angebliche Verstrickung des Staates und gesellschaftlicher Eliten in den Missbrauchsskandal verschleiern sollte. Viele dieser Wähler hatten für Trump gestimmt, weil er versprochen hatte, die sogenannten Epstein-Dokumente zu veröffentlichen.
Doch am Montag erklärten das Justizministerium und das FBI, beide von Trump-Getreuen geführt, dass Epstein in seiner Zelle Suizid begangen habe und dass es keinen Hinweis auf ein Adressbuch gebe, mit dem er hochrangige US-Amerikaner hätte erpressen können.
Unter Trumps verschwörungsgläubigen Anhängern, die ihm sein Transparenzversprechen geglaubt hatten, löste die Stellungnahme der Behörden zum Fall Epstein Kopfschütteln aus. Das Gefühl, von Trump verraten worden zu sein, will Musk nun offenbar politisch ausschlachten. Schon bei der ersten Eskalation ihres Streits über das Ausgabengesetz Anfang Juni behauptete Musk, Trump tauche mehrfach in den Epstein-Dokumenten auf. Dies sei der Grund, weshalb die Dokumente nicht veröffentlicht würden, so Musk.
Kurz darauf löschte er den Beitrag allerdings wieder und entschuldigte sich dafür. Doch in einer direkten politischen Konfrontation dürfte Musk Trumps Verbindungen zu Epstein wieder gegen den US-Präsidenten in Stellung bringen. Tatsächlich waren Trump und Epstein jahrelang enge Freunde. Für Musk dürfte es daher naheliegen, Trumps eingefleischte Anhängerschaft über den Fall Epstein zu spalten und enttäuschte Wähler für sich zu gewinnen.
MAGA-Bewegung geht in Stellung gegen Musk
Doch Trumps Anhänger bleiben angesichts der neuen politischen Konkurrenz nicht untätig. Trump selbst nannte Musks Parteigründung in einem ersten Statement "lächerlich" und warf dem Unternehmer vor, nur Verwirrung zu stiften. Tatsächlich scheint Trumps Umfeld die Bedrohung durch Musk aber ernst zu nehmen, wie sich an der offenbar konzertierten Gegenpropaganda zur "America Party" auf X ablesen lässt.
Dort posten seit einigen Tagen Kontos mit erkennbaren Bezügen zu Trumps MAGA-Bewegung ("Make America Great Again") abwertende Kommentare über Musk und die "America Party".
Besonders auffallend an den Beiträgen ist das wiederkehrende Thema Indien. So heißt es etwa, dass nur Inder der Partei beitreten würden. Ein anderer Beitrag zeigt ein KI-generiertes Bild von Musk bei einer Wahlkampfveranstaltung in Indien. Die offenkundig satirisch gemeinten Beiträge dürften auf Musks Haltung zur Einwanderung anspielen.
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Denn bevor sich Musk mit Trump verkrachte, hatte er schon dessen Anhänger um den Rechtspopulisten Steve Bannon gegen sich aufgebracht. Während Bannon und dessen Klientel die Einwanderung in die USA wohl am liebsten stoppen würden, hatten sich Musk und andere Unternehmer für ein Visa-Programm starkgemacht, das talentierten Menschen die Einwanderungen in die USA erleichtert. Musk selbst war in den 1990er-Jahren mit einem sogenannten H-1B-Visum von Südafrika in die USA gekommen.
"Das Problem ist, dass die Techno-Feudalherren die H-1B-Visa zu ihrem Vorteil nutzen und die Menschen wütend sind", warf Bannon Musk Anfang des Jahres vor und riet ihm, "zurück nach Südafrika" zu gehen. Diesen Streit scheint die Bannon-Fraktion nun wieder aufzunehmen, wenn sie Musk als Vertreter indischer Interessen diffamiert. Das Land dürfte sich wegen seines Rufes, viele IT-Experten hervorzubringen, als Propagandasymbol angeboten haben.
Die Musk-Maschinerie wird wohl zum Gegenangriff blasen.
- Eigene Recherche
- x.com: Posts von @AmericaPartyX
- Email von David Sirakov vom 7. Juli
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa