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Krieg in Afghanistan: Donald Trump schafft, woran Barack Obama scheiterte


Rückzug einer Weltmacht
Trump schafft, woran Obama scheiterte

  • Gerhad Spörl
MeinungVon Gerhard Spörl

Aktualisiert am 02.03.2020Lesedauer: 4 Min.
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US-Präsident Donald Trump beim Truppenbesuch in Afghanistan: Die USA einigten sich auf ein Abkommen mit den Taliban.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Donald Trump beim Truppenbesuch in Afghanistan: Die USA einigten sich auf ein Abkommen mit den Taliban. (Quelle: Reuters-bilder)

Nach knapp 19 Jahren Krieg schließen die USA und die Taliban endlich ein Abkommen. Präsident Trump zieht damit Konsequenzen aus dem Scheitern, das Tausende Soldaten das Leben kostete.

Wie fängt ein Krieg an? Aus Wut und verletztem Stolz und dem übermächtigen Drang nach Rache, wie nach dem 11. September 2001 mit dem Angriff auf die Zwillingstürme in New York und das Pentagon in Washington. Wie hört ein Krieg auf? Wenn die Kriegsparteien erschöpft sind und sich keine Gründe mehr für die Fortsetzung finden.

Donald Trump ließ ein Abkommen mit den Taliban ausarbeiten, das nun zustande kommt. Zwei Präsidenten vor ihm hatten die gleiche Absicht gehegt, waren aber daran gescheitert. Ihm ist es gelungen. Dass die Übereinkunft in Doha in einem Wahljahr gerade recht kommt, ist kein Zufall, aber legitim.

Die USA werden sich aus Afghanistan militärisch zurückziehen. Die Taliban versprechen, dass sie Mudschaheddin-Führern wie Osama bin Laden nicht wieder Zuflucht gewähren werden. Eine nationale Übergangsregierung aus moderaten Kräften soll gebildet werden, dann wird es eine Loja Dschirga geben, eine große Ratsversammlung aller politischen Kräfte und Stämme, woraufhin eine Wahl zustanden kommen könnte, wenn alles gut geht.

Alle Kriegsparteien sind ausgelaugt

Da ist viel Wunschdenken dabei, zumal sich die Taliban und die Regierung Ghani spinnefeind sind. Die Hoffnung auf Frieden gründet denn auch vor allem darauf, dass die Kriegsparteien erschöpft und ausgelaugt sind und keine von ihnen den Krieg gewinnen kann. Die Taliban beherrschen rund zwei Drittel des Landes, können jedoch nicht Kabul erobern, solang die USA die Lufthoheit innehaben. Die Regierung Ghani ist in der Defensive und bekommt keinen militärischen Zugriff auf das Land. Ein Ende der Gewalt ist im Interesse aller. Was noch lang nicht bedeutet, dass der Konflikt nicht jederzeit wieder aufflammen kann.

Für die USA begann der Krieg in Afghanistan im Jahr 2001 und dauerte fast 19 Jahre. Für Afghanistan aber begann der Krieg schon im Jahr 1979 mit der Invasion der Roten Armee und dauert deshalb mehr als 40 Jahre an. Die Sowjetunion versuchte, Verhältnisse nach ihren Vorstellungen am Hindukusch zu schaffen. Damals war die Welt noch geteilt, und die USA verhielten sich wie eine Weltmacht, die der anderen Weltmacht schaden will.

Die USA lieferten Waffen und Raketen an junge muslimische Krieger, von denen bis dahin niemand im Westen je etwas gehört hatte: an die Taliban. Die bekämpften die Rote Armee und schossen ihre Hubschrauber mit Stinger-Raketen, geliefert von der CIA, vom Himmel herunter. Die Taliban führten einen asymmetrischen Krieg im Interesse der USA.

Am 15. Februar 1989 war die Invasion vorbei. Die Rote Armee zog 15.000 Tote später ab. Eine Million Zivilisten waren schätzungsweise gestorben, zwei Millionen Afghanen auf der Flucht. Bald danach fiel die Mauer und die Welt schaute nach Berlin und Prag, nach Vilnius und Budapest. Nur nicht nach Afghanistan, dieses seltsame Land, an dem schon Alexander der Große, die Briten und nun auch die Sowjetunion gescheitert waren.

Die Taliban eroberten Kabul im Windschatten der Ereignisse. Sie errichteten ihr steinaltes Regiment, verbannten die Frauen in die Häuser und vertrieben Mädchen aus den Schulen. Als sie im März 2001 die Buddha-Statuen von Bamiyan zerstörten, wurde die Welt erstmals wieder aufmerksam auf diese atavistischen Bilderstürmer, die außerdem dem saudischen Gotteskrieger Osama bin Laden und seiner Söldnertruppe aus Zentralasien, Arabien und Ägypten eine Heimstatt boten.

Bin Ladens Aufenthalt in Pakistan kam nur zufällig heraus

Der Krieg in Afghanistan begann für die USA im Herbst 2001. Der Krieg war ein Rachefeldzug für die Angriffe in New York, Shanksville und Washington und nur insofern auch ein Erfolg. Die US-Truppen vertrieben Osama bin Laden und die Taliban. Weit mussten sie nicht fliehen. Der pakistanische Geheimdienst bot ihnen Sicherheit in seinem Land. Eher durch Zufall kam heraus, dass sich Bin Laden in Abbottabad aufhielt, und so konnten ihn die Navy Seals im Mai 2011 ermorden. Den Auftrag hatte Barack Obama erteilt.

Knapp 19 Jahre lang dauerte dieser Krieg. Illusionen zerstoben, dass aus Afghanistan eine Demokratie werden könnte, dass Afghanistan mit Geld aus dem Westen aufblühen würde, wirtschaftlich und politisch. Drei Billiarden Dollar investierten die USA. 650.000 Soldaten rotierten herein und wieder heraus. Rund 3.000 US-Soldaten starben hier, etwa genau so viel, wie an 9/11 gestorben waren. Die Nato erfüllte ihre Beistandspflichten. Die Deutschen sind bis heute mit 1.300 Soldaten dabei.

Das Ergebnis? Verschärfung der ewigen ethnischen Konflikte zwischen den Paschtunen, Tadschiken und Hazara in Afghanistan. Kein Ende der ewigen Einmischung aus Pakistan, Iran, China und den zentralasiatischen Staaten. Afghanistan ist im Normalzustand ein Spielball der mächtigeren Nachbarn und lebte bislang am besten damit, die einen gegen die anderen auszuspielen. Formal ist Afghanistan eine Demokratie mit einem Parlament, aber Regierung wie Abgeordnete sind im Zweifelsfall korrupt. Zuletzt war Afghanistan ein Staat von amerikanischen Gnaden.

Die USA haben die Erfahrung des makedonischen Königs, des britischen Imperialismus und der sowjetkommunistischen Ordnungsmacht nachgeholt. Grundsätzlich verändern lässt sich in Afghanistan nichts. Wer es trotzdem versucht, wird irgendwann aufgeben und abziehen. Das war vor knapp 2.400 Jahren so, vor 180 Jahren, vor 41 Jahren und eben jetzt.

Im Grunde war Afghanistan nach 9/11 nur ein Intermezzo für die USA, denn die Regierung von George W. Bush zielte eigentlich auf den Irak. Saddam Hussein sollte zur ultimativen Beute werden, damit sich der Nahe Osten neu ordnen ließ. Die Weltmacht hatte Großes vor. Zuerst scheiterte sie im Irak, mit Folgen bis heute, und dass sie in Afghanistan gescheitert war, wusste sie schon lang.

Nun zieht sich die Weltmacht in Phasen zurück. Der Krieg, den sie zuletzt in Afghanistan führte, heißt in den USA "der unsichtbare Krieg". Größere Schlagzeilen machte er schon lang nicht mehr. Auch deshalb ist es überfällig, dass sich die Kampftruppen aus dem Land am Hindukusch zurückziehen. Nur das konsequente Eingeständnis fehlt: Ein nicht gewonnener Krieg ist ein verlorener Krieg.

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