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SPD in der Corona-Krise: Meister der Selbstbeschäftigung


SPD in der Corona-Krise
Meister der Selbstbeschäftigung

  • Gerhad Spörl
MeinungVon Gerhard Spörl

Aktualisiert am 11.05.2020Lesedauer: 5 Min.
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Olaf Scholz, Heiko Maas und Saskia Esken: Während die Union in der Krise die Umfragen unangefochten anführt, hängt ihr Koalitionspartner SPD weiter bei unter 20 Prozent fest – warum eigentlich?Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz, Heiko Maas und Saskia Esken: Während die Union in der Krise die Umfragen unangefochten anführt, hängt ihr Koalitionspartner SPD weiter bei unter 20 Prozent fest – warum eigentlich? (Quelle: imago-images-bilder)

Die Union setzt in der Krise zu neuen Höhenflügen an, in Umfragen kratzt sie an den 40 Prozent. Auch die SPD-Minister leisten gute Arbeit, aber ihre Partei bekommt in den Umfragen nichts ab. Warum eigentlich?

Wenn ich Sozialdemokrat wäre, würde ich mich auch über die Ungerechtigkeit der Welt beschweren. Schließlich regiert die SPD in Berlin in der Corona-Krise mit der Union, bekommt aber in den Umfragen von den Goldtalern nichts ab, die auf den Koalitionspartner niederregnen.

Die SPD im Umfragetief

Olaf Scholz verteilt Milliarden Euro, wie es nur ein Finanzminister kann. In den Talkshows, in denen er viel Lebenszeit verbringt, argumentiert er ruhig in hanseatischer Sprödigkeit. Hubertus Heil hat das Kurzarbeitergeld noch einmal aufgestockt und ist ebenfalls ein Ausbund an wacher Sachlichkeit. Und Außenminister Heiko Maas hat 240.000 Deutsche unbürokratisch aus der ganzen Welt nach Hause fliegen lassen.

Drei SPD-Minister gehen ihrer Arbeit umsichtig und energisch nach. Sind ständig in den Nachrichten, sitzen häufig in Talkshows, tragen das Ihre zur Bewältigung der Corona-Krise bei, machen keinen Heckmeck, stehen in Übereinstimmung mit der Kanzlerin – und was hat die SPD davon?


Wenig. Bei den allfälligen Umfragen geht die Union durch die Decke, bewegt sich im Umkreis von 40 Prozent, wo sie sich lange nicht mehr bewegt hat, ist somit formell wieder eine Volkspartei. Die SPD hingegen dümpelt weiterhin bei 15 bis 16 Prozent, als wäre nichts gewesen, als stünde ihr kein ein einziger Goldtaler zu. Sie verharrt im Niemandsland, eingequetscht zwischen AfD und Grünen.

Die SPD beherrscht die intensive Selbstbeschäftigung

Gerecht ist das nicht, das stimmt schon. Im Beklagen der Ungerechtigkeit ist die SPD aber ohnehin eingeübt. Allerdings wäre es besser, wenn sich ihre Klage auf die gesellschaftlichen Verhältnisse bezöge, zum Beispiel auf den Gegensatz zwischen Arm und Reich, der sich in Krisenzeiten für gewöhnlich sogar verschärft. Daraus könnte sie Lebenselixier für Reformen schöpfen. Leider aber verwandte sie zuletzt viel Herzblut darauf, Reformen zu reformieren, die ihr letzter Bundeskanzler eingeführt hatte, und das ist ziemlich lange her. Die intensive Selbstbeschäftigung ist die momentan einzige Kunstform, welche die SPD virtuos beherrscht.

Stellen wir uns mal kurz vor, Olaf Scholz wäre nicht gescheitert, sondern Vorsitzender der ältesten deutschen Partei geworden und säße in dieser Eigenschaft neben Markus Söder und Angela Merkel auf dem Podium und würde den Deutschen die neuesten Maßgaben für die milde Wiedereröffnung von Geschäften und Restaurants mitteilen. Genauso wenig wie die Kanzlerin müsste er für seine Partei trommeln, da ohnehin jeder Zuschauer und jede Zuschauerin genau wüssten, um wen es sich handelt: um den Vorsitzenden der SPD.

Ich vermute, seine Partei stünde dann um einiges besser da, sagen wir: bei 20 Prozent. Das wäre nicht berauschend, aber ein solider Fortschritt und die SPD läge mal wieder vor den Grünen.

Zwei Vorsitzende ohne Regierungsfunktion

Als Wortführer der SPD-Länder sitzt stattdessen der Hamburger Bürgermeister Peter Tschenscher auf dem Podium, ein ebenfalls angenehm sachlicher Mann mit Vorkenntnissen als Arzt. Er komplettiert die Riege hochkompetenter Sozialdemokraten in herausgehobenen Ämtern, denen man gerne zuhört und in dieser Krise Vertrauen schenken kann.

Die SPD hat nun aber zwei Vorsitzende, die keinerlei Regierungsfunktion innehaben und in dieser Krise keinerlei Rolle spielen. Sie könnten unsichtbar und unhörbar bleiben, da sie nun einmal nichts beizutragen haben. Das wäre konsequent. Saskia Esken lässt sich auch dankenswerterweise kaum vernehmen. Norbert Walter-Borjans vermag das Wasser allerdings weniger gut zu halten.

Sorgen um Atomwaffen in der Krise

Vor ein paar Tagen erinnerte er sich plötzlich daran, dass immer noch Nuklearwaffen auf deutschem Boden lagern. Schien er vergessen zu haben. Offenbar erschrak er darüber, als es ihm wieder einfiel. Dafür sorgte ein Parteifreund, der momentan auch nicht besonders gefragt ist – nämlich der Fraktionsvorsitzende im Bundestag Ralf Mützenich. Der meinte, die Atomwaffen müssten weg, da unter Präsident Trump das Eskalationsrisiko unüberschaubar geworden sei. Walter-Borjans sprang ihm heftig bei und sagte markant, er sei gegen den Einsatz von Atomwaffen.

Wer wäre das nicht. Ich kenne niemanden, der dafür ist. Ich kenne auch niemanden, der darin gerade jetzt ein brennendes Problem sähe. Im Übrigen hat Sicherheitspolitik zwar mit Moral zu tun, aber nicht so ausschließlich, wie es die beiden Weltstaatsmänner Mützenich und Walter-Borjans darstellen. Zur Klarstellung müssten sie sich nur mal in den baltischen Ländern oder in Polen umhören.

Unausgelastete Sozialdemokraten auf der Suche nach Beifall

Man wird den Eindruck nicht los, dass da zwei unausgelastete Sozialdemokraten nach einem Thema suchten, damit sich die Welt mal wieder um sie dreht. Sie versuchten es mit Populismus und schielten auf Beifall. Ihr Vorstoß wurde sogar wahrgenommen, schaffte es auf die Nachrichtenseiten in den Tageszeitungen, aber das war’s auch. Das Coronavirus verschlingt alles andere. Das hätte man wissen können. Es wird sich auch wieder ändern, aber nicht so schnell.

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Stellen wir uns kurz mal vor, die beiden SPD-Vorsitzenden samt dem Fraktionsvorsitzenden hätten es sich einfallen lassen, ihre Minister in der Bundesregierung ausgiebig für ihre gute Arbeit zu loben. Das wäre nicht nur angemessen, sondern vielleicht sogar hilfreich. Sie könnten sich in den Dienst der Sache stellen, was ohnehin zu ihrem Job gehört, und dazu beitragen, dass der Anteil der SPD am guten Regieren in schwierigen Zeiten angemessen gewürdigt wird.

Dafür könnten sie aus der Versenkung auftauchen und in den Talkshows sitzen oder den Tageszeitungen Interviews geben. Sie müssten nur so auftreten wie Scholz oder Heil: sachlich, kompetent, unaufgeregt. Die SPD würde als schlagkräftige Einheit wahrgenommen, als eine Partei, welche die üblichen Konkurrenzkämpfe und Eifersüchteleien zurückstellt, weil es die Krise verlangt.

Dann fänden die Wähler womöglich einen Grund, nicht nur die Union, sondern auch die SPD mit ein paar Goldtalern zu bedenken.

Von Söder lernen?

Natürlich verlangt der Dienst an der Sache eine gewisse Selbstlosigkeit. Nicht jedem ist Ego-Kontrolle gegeben. Nicht jeder eignet sich dafür. Aber man kann es ja damit zur Abwechslung mal probieren. Rollenwechsel im richtigen Augenblick zahlen sich fast immer aus. Unter diesem Gesichtspunkt lohnt es sich in diesen Tagen, Markus Söder zu betrachten.

Es fällt ja auf, dass niemand das Loblied auf die Kanzlerin schöner singt als der bayerische Ministerpräsident. Niemand profitiert davon mehr als eben dieser bayerische Ministerpräsident, der an Popularität mächtig zugelegt hat und wie zufällig in der Gunst der Union weit vor den anderen Kandidaten auf die Merkel-Nachfolge liegt.

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Ja, der Söder Markus weiß genau, was er tut. Besondere Zeiten bedürfen besonderer Charaktere. Darauf hat er sich schneller als andere eingestellt. Er wird sich auch wieder zur Kenntlichkeit zurück verändern, keine Sorge, aber in der Zwischenzeit bewegt er sich in seiner eigenen Komfortzone.

Anstatt über die Ungerechtigkeit der Welt zu klagen, könnten Sozialdemokraten davon lernen, was andere richtig machen.

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