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USA-Reise: Warum Robert Habeck sich fast wie ein Kanzler fühlen konnte


USA-Reise des Wirtschaftsministers
Warum Robert Habeck sich fast wie ein Kanzler fühlen konnte

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Washington

Aktualisiert am 03.03.2022Lesedauer: 5 Min.
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Empfang unter Freunden: Robert Habeck zu Gast in WashingtonVergrößern des Bildes
Empfang unter Freunden: Robert Habeck zu Gast in Washington. (Quelle: dpa-bilder)

Er ist der erste deutsche Minister, der seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs nach Washington reiste. Für einen Moment konnte sich Robert Habeck deshalb ein wenig wie Olaf Scholz fühlen.

Als Robert Habeck im vergangenen Dezember als Superminister für Wirtschaft und Klimaschutz vereidigt wurde, war ihm selbst eins wohl nicht klar: dass er als deutscher Vizekanzler ein Vierteljahr später auch noch als Sicherheitsminister seine erste Reise nach Washington unternehmen würde.

Als er an diesem Donnerstagmorgen wieder in Berlin landet, hat er viel dafür getan. Denn nicht mehr vorrangig die Klimaverträglichkeit, sondern die Sicherheit ist plötzlich das, was die deutsche Wirtschaftspolitik bestimmen soll. Sozusagen als notwendiges Mittel zum Zweck. Es fällt schwer, das zu sagen, aber auch die schlimmste Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs birgt Chancen. Robert Habeck will sie jetzt ergreifen und das Momentum nutzen.

Alles hat sich innerhalb einer Woche geändert durch den Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine, Wladimir Putins nukleare Drohungen, seine Warnungen an EU-Staaten wie Finnland und Schweden sowie die vom Kreml angekündigten massiv steigenden Erdgaspreise für die Deutschen.

Diese Entwicklungen zeugen davon, dass der Faktor Unabhängigkeit von Unrechtsregimen am Ende auch die Energiewende in Deutschland beschleunigen könnte. Dabei helfen sollen unter anderem die wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA. Robert Habeck will sie darum unbedingt ausbauen.

Ein gern gesehener Gast

Dazu ist der Vizekanzler mitten im russischen Angriffskrieg in Europa als erstes deutsches Kabinettsmitglied für zwei Tage in die US-Hauptstadt geflogen. Seine Treffen waren dabei so zahlreich und hochrangig, dass Habeck sich für einen Moment fast wie der Kanzler fühlen konnte, der er eigentlich werden wollte.

Als er am Lafayette-Platz vor dem Weißen Haus ankommt, springen zwei deutsche Abiturienten von einer Parkbank auf und bitten ihn um ein Foto. Dass sie auf ihrem siebenwöchigen Roadtrip zufällig dem Vizekanzler über den Weg stolpern würden, hätten sie nicht gedacht. "Herr Habeck? Würden Sie vielleicht ein Selfie ..." Er zögert kurz, will ihnen aber die Freude nicht verderben.

Habeck kommt da gerade von einem Treffen im Weißen Haus mit Joe Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan. Mit über einer Stunde wurde es länger als geplant. Sie sprachen unter anderem über weitere Sanktionen gegen Russland. Habeck sagt, es gebe da noch mehr, was getan werden könnte. "Das werde ich jetzt aber nicht der Öffentlichkeit mitteilen."

Schon einen Tag vorher traf er die US-Finanzministerin Janet Yellen, die Energieministerin Jennifer M. Granholm, die Handelsbeauftragte Katherine Tai, aber auch den kohleaffinen und in Washington sehr mächtigen US-Senator Joe Manchin. Zu verstehen, wie der Dinosaurier der fossilen Energien tickt, kann nicht schaden. Dann noch schnell zu dessen Gegenentwurf, zu John Kerry, dem Sondergesandten des US-Präsidenten für das Klima. Und dann wollte sogar Außenminister Antony Blinken jenen grünen Minister treffen, der das Aus von Nord Stream 2 maßgeblich vorangetrieben hatte.

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Der lange Weg aus der Abhängigkeit

Ein Programm, bei dem einem durchaus der Kopf schwirren könnte, auch weil noch dazu ständig die Lage in der Ukraine an Habeck herangetragen wird. Doch bei aller Besorgnis und Hektik wirkt Habeck fokussiert, klar und entschlossen. Er weiß, dass er nur rund zweieinhalb Jahre Zeit hat, mit dieser US-Regierung an einem Strang zu ziehen. Aufbau von Wasserstofftechnologien, Energiepolitik, Klimaschutz und Handel – alles Themen, bei denen er nun mehr als zuvor die enge Abstimmung mit den Amerikanern herbeiführen will und muss.

"Die Zeiten der bilateralen Handelsabkommen, die Zeiten der TTIPs scheinen mir vorbei zu sein", sagt er darüber in Washington t-online. Es gehe ihm darum, gemeinsam mit den USA ökologische und soziale Normen zu schaffen. Der Weg dafür führe aber über die WTO, also über Verträge, an die sich dann alle zu halten hätten. Wie Politiker wie Donald Trump dazu stehen, ist ihm bekannt. Dass der oder ein anderer Gegner des Multilateralismus wieder US-Präsident werden könnte, mit solchen Gedanken will Habeck jedoch vorerst keine Zeit verschwenden.

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Das Vertrauen der aktuellen Administration muss sich der Minister bei dieser Reise nicht erst verdienen. In den USA kennt man Habeck schon länger. Er hatte das Land bereits bereist, als im Weißen Haus noch Donald Trump saß, und durchaus hochrangige Kontakte geknüpft. Dass mit dieser Generation von Grünen ausgesprochene Transatlantiker an die Regierung kommen, war in Washingtoner Politikkreisen längst bekannt.

Habecks frühe, in Deutschland und seiner Partei hochumstrittene Forderung nach Defensivwaffen für die Ukraine aus dem vergangenen Sommer hilft seiner Street Credibility auf dem Washingtoner Politpflaster. Für das jetzt schnelle Umsteuern der Bundesregierung im Ukraine-Krieg ist Habeck nun der Erste, der die Lorbeeren erntet.

Nicht alles ist einfach

Aber es bleiben auch Probleme. Deutschlands seit vielen Jahren auf Erdgas ausgerichtete Industrie lässt sich nicht über Nacht umstellen. Rund 55 Prozent des Rohstoffs kommen aus Russland. Habeck will diversifizieren: mehr Flüssiggas, aus den USA, aus Katar. Doch nicht nur er fürchtet, dass China dann den deutschen Platz als Importeur des russischen Erdgases einnehmen wird.

Ein mit den USA harmonisch abgestimmter Umgang mit China wird wahrscheinlich das schwierigste Projekt von Robert Habeck und der deutschen Bundesregierung. Auch beim systemischen Rivalen besteht eine deutlich größere Abhängigkeit der Deutschen. Nur, dass es bei China anders als bei Russland vorrangig der Export ist.

Habecks Reise in die USA wirkte wie der leichte Start in eine schwere Zeit. So freundschaftlich wie derzeit ging es lange nicht mehr zu zwischen Deutschen und Amerikanern. Er werde möglichst bald wiederkommen, sagt er noch vor seinem Abflug nach Berlin.

Zu Hause aber wartet auf Habeck nun ein Marathon an Abstimmungen wegen der beschlossenen Sanktionen gegen Russland, wie etwa die Freigabe der Ölreserven.

Noch eine mögliche Wende

Und dann gibt es da noch ein Thema, das infolge der gewünschten Entkopplungen von Russland an den Grundfesten seiner grünen Partei rütteln könnte. Zwar erscheint eine mögliche Verlängerung der Laufzeit der deutschen Atomkraftwerke wegen umständlicher Genehmigungsverfahren über dieses Jahr hinaus zurzeit unrealistisch.

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Aber es liegt bekanntlich alles auf dem Tisch, unerwartete 180-Grad-Wenden in der deutschen Politik gab es in den vergangenen Tagen schließlich viele. Und außerdem würde Habeck den Amerikanern gern mehr geben, um Deutschlands Unabhängigkeit von Russland noch stärker zu verdeutlichen. Die USA sprechen bereits darüber, ihren Rohöl-Importanteil von 5 bis 10 Prozent aus Russland zu kappen.

Sollte es aus sicherheits- und klimapolitischen Gründen am Ende doch dazu kommen, den steigenden deutschen Strombedarf vorerst noch mit Kernenergie zu stützen, wäre es tatsächlich der Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg. Die Amerikaner, so viel ist bekannt, haben diesen deutschen Sonderweg ohnehin nie wirklich verstanden. Habeck, der neue Sicherheitsminister, wäre dann womöglich noch beliebter in den USA als jetzt schon. Wäre da nicht die Partei.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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