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Verteidigungsministerin Lambrecht auf US-Reise: "Madame Zwei Prozent"


"Madame Zwei Prozent" auf US-Reise
Lambrechts heikle Bewährungsprobe

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Washington

Aktualisiert am 31.03.2022Lesedauer: 4 Min.
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Antrittsbesuch bei US-Verteidigungsminister Lloyd Austin: Christine Lambrecht sprach im Pentagon auch über Waffenlieferungen an die Ukraine.Vergrößern des Bildes
Antrittsbesuch bei US-Verteidigungsminister Lloyd Austin: Christine Lambrecht sprach im Pentagon auch über Waffenlieferungen an die Ukraine. (Quelle: Andrew Harnik/dpa-bilder)

Selten war ein deutscher Gast so willkommen in den USA. Denn Christine Lambrechts Besuch als Verteidigungsministerin verspricht Milliarden für Waffenkäufe. Aber es geht noch um sehr viel mehr.

Auslandsreisen sind für Ministerinnen in der Regel nicht zur Entspannung gedacht. Für Christine Lambrecht muss sich ihr dienstlicher Trip in die USA – erst nach Washington, dann nach New York zu den Vereinten Nationen – trotzdem wie ein kleiner Kurzurlaub anfühlen. Die deutsche Verteidigungsministerin ist gekommen als Vertreterin der von Bundeskanzler Olaf Scholz verkündeten deutschen "Zeitenwende" und deshalb überall ein gern begrüßter Gast.

Ob im Senat, im Kongress, ob bei ihrem US-Amtskollegen Lloyd Austin – überall klopft man ihr auf die Schulter. Deutschland hat es anscheinend endlich verstanden. "Welcome to the 2-Percent-Club" hat sie bei ihren Terminen in der US-Hauptstadt immer wieder gehört. Und natürlich freuen sich die USA auch darüber, dass mit Deutschland nun Großaufträge locken. An den Bestellungen der F-35-Kampfjets und ebenso den geplanten Luftabwehrsystemen verdient die US-Industrie mit.

Signalwirkung von Deutschland

Zum Shoppen ist Lambrecht freilich nicht in erster Linie nach Washington gekommen. Die Lage im Nato-Bündnis ist ernst, obwohl Russland teilweise Rückzüge verkündet. Die US-Regierung gibt sich zögerlich und will abwarten, was tatsächlich passiert. Auch Lambrecht sagte nach ihrem Treffen mit Lloyd Austin: "Ich bin sehr, sehr skeptisch".

Der deutsche Beitrag für deutlich höhere Verteidigungsausgaben wird in den USA auch deshalb so hochgeschätzt, weil davon eine Signalwirkung für andere Nato-Partner ausgeht, die sich bislang hinter der Bundesrepublik quasi verstecken konnten. Ob Kanada, Italien oder kleinere Staaten wie die Niederlande. Sie alle sehen sich nach Scholz' Zeitenwende-Rede seither unter Zugzwang und reagieren teils ebenfalls mit großen Investitionsprogrammen.

Für die US-Regierung ist dies nur die logische Konsequenz. Sie sehen Deutschland schon lange in einer starken Führungsrolle in Europa – eine Rolle, mit der auch die aktuelle Regierung mit Rücksicht auf Befindlichkeiten in der EU nach wie vor zögert. Wenn es nach den USA ginge, könnte Deutschland hingegen gar nicht genug Führung in Europa übernehmen.

Eine ausgerüstete "Friedensmacht"

Als Christine Lambrecht in Washington bei der US-Denkfabrik "Atlantic Council" eine kurze Rede hält, ist es darum aber nicht verwunderlich, dass sie trotz aller Waffenankäufe noch einmal klarstellt: "Deutschland bleibt eine Friedensmacht." Eine Militarisierung werde es nicht geben. Sie sagt diese Worte unter Bezugnahme auf die Shoah und die daraus für alle Zeiten bestehende historische Verantwortung für Deutschland. Es entspricht durchaus Lambrechts eigener politischer Prägung. Sie ist keine Falkin. Sie wünscht sich nichts mehr, als dass es im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine endlich Erfolg durch Verhandlungen gibt.

Das ist auf dieser Reise bei jedem Termin zu spüren. Ob auf dem Nationalfriedhof in Arlington, wo Lambrecht bei einer patriotischen Zeremonie einen Kranz am Grabmal des unbekannten Soldaten niederlegt.

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Oder auf den Stufen des Pentagons, wo sie neben US-Verteidigungsminister Austin kurz nach Sonnenaufgang die deutsche und die amerikanische Nationalhymne hört. Wie ein Fremdkörper wirkt Lambrecht dabei zwischen all den Uniformen, all den Gewehren und militärischen Ehren keineswegs. Aber es wirkt so, als bringe sie auch als Verteidigungsministerin eine andere, eine mitfühlende Perspektive mit. Die Bilder aus der Ukraine, das Leid der flüchtenden Frauen und Kinder berühren sie.

Lambrechts Generationenaufgabe

Wer Lambrecht in den vergangenen Jahren, als sie das Justizministerium von Katarina Barley, übernommen hatte, beobachtet hat, konnte schon damals erleben, dass sie etwas bewegen will. Obwohl sie davon ausgehen musste, dass es nach der vergangenen Legislatur für sie kein Amt mehr geben würde, packte sie im Ministerium an, wollte Prozesse und Abläufe verbessern. Als Ministerin der Verteidigung steht sie mit der "Zeitenwende" jetzt vor einer Generationenaufgabe.

Von der Unterwäsche über Wanderrucksäcke bis zu Funkgeräten und Tarnkappen-Kampfjets – Lambrecht muss bei der Beschaffung jetzt schnell Erfolge vermelden. Seit Jahrzehnten hatte kein Minister und keine Ministerin im Bendlerblock so viel Geld zur Verfügung wie sie. Das birgt politisch Chancen, aber auch Gefahren. Stellt sie die Weichen jetzt falsch, hat das Auswirkungen auf Deutschlands Sicherheit noch in Jahrzehnten.

Dass Lambrecht die sogenannte "Unterschwellenvergabeverordnung" jetzt von 1.000 Euro auf 5.000 Euro angehoben hat, soll so ein erster Wegbereiter für echte Beschleunigung sein. Rund 20 Prozent der Bundeswehr-Anschaffungen müssen ab sofort nicht mehr per kompliziertem Bürokratieverfahren angebahnt werden, sondern können einfach gekauft werden.

Verschwiegene Lieferheldin

Bei einem Thema bleibt Lambrecht aber auch bei ihrer USA-Reise hart: Sie will nicht verraten, was Deutschland konkret an Waffen in die Ukraine liefert. Sie hält das für gefährlich. Sie will etwa die Transporteure, Feldjäger in Zivil, schützen. Sie will Putin keinen Anlass geben, die Lieferungen stören zu können. Doch mit einer Aussage sorgt sie für Aufsehen: "In Bezug auf die Ukraine ist Deutschland inzwischen der zweitgrößte Waffenlieferant."

Das will so gar nicht zu jenem Bild passen, das die Welt vom zögerlichen Deutschland hat. Doch es scheint so zu sein. Auch von den beiden 500 Millionen Euro schweren EU-Paketen für die Ukraine soll Deutschland insgesamt rund 265 Millionen übernehmen wollen. Der Bundesregierung und auch der Ministerin scheint es wichtiger zu sein, damit nicht hausieren zu gehen. Zu sehr hat sich Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten diplomatisch eben als "Friedensmacht" positioniert.

Dafür, diesen Ruf nicht aufs Spiel zu setzen, nimmt Berlin, nimmt Lambrecht, offenbar auch öffentlich Prügel in Kauf. Überprüfen lassen sich diese Behauptungen nur schwer. Zahlen oder zumindest Anhaltspunkte sind nur schwer zu bekommen. Wie viel von den deutschen Lieferungen am Ende Treibstoff oder Waffen sind, bleibt bislang unklar.

Man vertraut darauf, dass die Partner es besser wissen. Mit "Welcome to the 2-Percent-Club" hofft die Bundesregierung in den USA auch darauf, jene politischen Kräfte beruhigt zu haben, die wie Donald Trump Deutschland immer wieder heftig für die Zurückhaltung bei den Verteidigungsausgaben kritisierten. Lambrecht hat derzeit zwar andere Sorgen als einen möglichen nächsten US-Präsidenten, der die Nato wieder infrage stellen könnte. Aber sie, Deutschland und Europa müssen gewarnt sein.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Gespräche vor Ort
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