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Donald Trump über Schulmassaker in Texas: "In der ewigen Hölle brennen"


Trump, die Waffenfans und das Massaker
"Dazu verdammt, in der ewigen Hölle zu brennen"

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Houston

Aktualisiert am 28.05.2022Lesedauer: 6 Min.
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Donald Trump beim Jahrestreffen der NRA: Der Ex-Präsident wettert gegen Verschärfungen des Waffenrechts.Vergrößern des Bildes
Donald Trump beim Jahrestreffen der NRA: Der Ex-Präsident wettert gegen Verschärfungen des Waffenrechts. (Quelle: Bob Daemmrich/imago-images-bilder)

Nirgends wird die Spaltung Amerikas so deutlich wie an diesem Wochenende. Dabei versuchten Waffenfreunde und Waffengegner sogar, aufeinander zuzugehen. Wäre da nicht Donald Trump gewesen.

Auf einen Stock gestützt überquert Dave langsam die Straße. Das Laufen fällt ihm schwer. Er hat eine Gehbehinderung und ist stark übergewichtig. Den ganzen Tag lang war er auf der Waffenmesse der "National Rifle Association" in Houston unterwegs. Das wird ihm jetzt zum Verhängnis.

"Fuck you! Fuck you!", brüllen ihn die Demonstranten an, die wegen der Waffenlobby und des Massakers von Uvalde gekommen sind. Ein Polizist gibt Dave ein wenig Deckung, um ihn wegzuführen von den Absperrgittern gegenüber des George R. Brown Convention Centers. "Fuck you! We hate you!" Dave nickt mit seinem Kopf kurz in Richtung der Gruppe und sagt kaum hörbar: "I love you!" In seiner Stimme liegt kein Spott. Eher ist es Trotz.

Es scheint eine typische Szene des heutigen Amerikas zu sein. Nur die Absperrungen und ein paar Polizeipferde verhindern, dass die verfeindeten Gruppen aus Waffenliebhabern und Waffengegnern aufeinandertreffen.

Das Schulmassaker im texanischen Uvalde mit 19 toten Grundschülern und 2 toten Erwachsenen hat die Stimmung nach dem rassistischen Anschlag von Buffalo mit 10 Toten noch mehr aufgeheizt als ohnehin schon. Dass dazu auch noch Donald Trump eine Rede bei der NRA hält, bringt die Gegner erst recht auf.

"Ich rede mit jedem"

Plötzlich eilt ein junger Lehrer auf Dave zu. Clark will mit ihm sprechen, obwohl er nach Houston gekommen ist, um gegen die NRA zu demonstrieren. "Ich glaube daran, dass nur der Dialog meine Schüler schützen kann", sagt Clark. "Das gefällt mir. Ich rede mit jedem", antwortet ihm Dave. Er hat eine lebenslange Mitgliedschaft bei der NRA. Die Argumente von Clark will er trotzdem anhören.

Der Austausch der beiden dauert 10 Minuten. Am Ende geben sie einander die Hand und bedanken sich jeweils für die Zeit des anderen. Dennoch scheint es sinnlos. Dave bleibt dabei: Restriktionen bringen nichts. Clark hat versucht, ihn wenigstens davon zu überzeugen, dass man erst mit 21 Jahren eine Waffe kaufen sollte. Dave sagt: "Ich hatte mein erstes Gewehr mit 12 und ich habe niemanden erschossen."

Es passt zu diesem heißen Tag in Houston, nur wenige Autostunden von Uvalde entfernt. Im Inneren des Messezentrums dominiert bei den Anhängern von Republikanern und NRA die Ansicht, psychisch kranke Menschen und nicht die Waffen seien das Problem. Gegenüber in dem kleinen Park rufen hingegen Tausende dazu auf, dass genau deshalb nicht jeder einfach so ein halb automatisches Sturmgewehr wie der Täter von Uvalde kaufen dürfe.

"Das sind nicht unsere Feinde"

Auf der Bühne der Demonstranten treten die Mütter von bei Schulmassakern getöteten Kindern auf. Sie weinen, sie kämpfen, sie nehmen einander in den Arm. Mädchen und Jungen rufen "Vote them out" in Richtung der NRA-Veranstaltung. "Wählt sie ab!"

Dann spricht David Hogg, ein 22-jähriger Anti-Waffen-Aktivist. Vor vier Jahren hat er das Schulmassaker von Parkland in Florida überlebt, bei dem ein damals 19-jähriger Teenager 14 Schüler und 3 Erwachsene erschossen hat.

"Die da drüben: Das sind nicht unsere Feinde", ruft Hogg. Es gehe ihm nicht um Republikaner oder Demokraten. "Hier geht es nicht um Politik! Hier geht es um Menschlichkeit!" Die jungen Menschen im Publikum jubeln ihm zu. Mit seiner Bewegung "March for our lives" hat Hogg etwas ins Rollen gebracht, was mit jedem weiteren Massaker mehr Anhänger findet.

Eine deutliche Mehrheit der Amerikaner befürwortet schärfere Waffengesetze. Doch die Waffenlobby, gepaart mit der unproportionalen Macht der republikanisch regierten Bundesstaaten im US-Senat, kann bislang jegliche politische Bemühung blockieren.

Das weiß auch der Demokrat Beto O'Rourke. Viele Jahre war er Abgeordneter im Kongress für Texas. Jetzt will er den republikanischen Gouverneur Greg Abbott bei der kommenden Wahl ablösen. Es ist wahrscheinlich ein aussichtsloser Plan.

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Doch O'Rourke stellt sich trotzdem auf die Bühne: "Das Leben unserer Kinder steht buchstäblich zur Wahl", ruft er in die Menge. "Beto, Beto, Beto", rufen die Menschen, die seit Stunden in der Hitze ausharren, zurück.

Anschluss bei den radikalen Christen

Wie festgefahren die Positionen sind, lässt sich nur ein paar Hundert Meter weiter im angenehm gekühlten Kongresszentrum erleben. Zwischen Gewehren, Revolvern und Messern gibt man sich entspannt.

Während unten die Waffen zur Schau gestellt werden, treten sie in einem großen Saal im dritten Stock einer nach dem anderen auf und sprechen zu ihren Fans: Der CEO der NRA, Wayne LaPierre, der texanische Senator Ted Cruz und schließlich auch Ex-Präsident Donald Trump.

Nur der Druck auf den texanischen Gouverneur Greg Abbott scheint so groß zu sein, dass er einen hilflosen Spagat versucht. Per Videobotschaft lässt er sich vor Ort vertreten, während er selbst dann doch nach Uvalde gereist ist. Das handelt dem Republikaner einen verbalen Tritt vors Schienbein ein. Trumps erste Worte gelten ihm: "Anders als andere habe ich euch nicht enttäuscht", sagt er und grinst triumphierend. "Ich bin zu euch gekommen."

Die Erzählung, an der alle Redner festhalten, ist die von einem psychisch kranken Täter in Uvalde. Oder wie Ted Cruz es mehrfach beschreibt: "das dunkelste Böse" oder "das Monster von Uvalde".

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Es sind Anschlussversuche an die radikalisierten Christen unter der Anhängerschaft. "Der Herrgott lehrt uns, dass jedes Kind ein kostbares Geschenk ist. Das Böse hat uns diese Geschenke am Dienstag gestohlen", sagt auch Greg Abbott, als er von der Videoleinwand spricht. Donald Trump meint über den Täter: "Er ist dazu verdammt, in der ewigen Hölle zu brennen."

Nicht nur das Böse aber ist aus Sicht der Republikaner schuld. Es sind die vermeintlichen "Marxisten und Leninisten, die Amerika entwaffnen wollen". Es sind die Demokraten, die den mehrheitlich guten Menschen die Waffen wegnehmen und sie den bösen Menschen ausliefern wollen.

Republikaner unter Druck

Eines fällt auf an diesem Tag in Houston: Ohne Buffalo und vor allem ohne Uvalde hätten die Redner wohl kaum so viel ihrer Redezeit damit verbracht, sich und ihr Recht auf Waffenbesitz zu verteidigen. Donald Trump liest sogar die Namen aller Opfer von Uvalde vor, jeweils unterbrochen von einer scheppernden Glocke, wie es bei US-Gedenkzeremonien üblich ist.

Die Republikaner sehen sich unter Zugzwang, auch eigene Lösungen anzubieten. Sie lauten zumeist: die Schulen hochrüsten. Nur noch einen Eingang und Metalldetektoren fordert Donald Trump. Reaktivierte und extra trainiere Veteranen sollen die Kinder beschützen, verspricht Ted Cruz. Er bekommt besonders viel Szenenapplaus, wie Trump neidvoll mit ansehen muss.

Darum setzt der ehemalige Präsident noch einen drauf, weil er weiß, dass das jetzt ankommt: "Das alles ist keine Frage des Geldes. Es ist eine Frage des Wollens", ruft er. Wenn man Geld in die Ukraine schicken und Milliarden in Afghanistan und im Irak verbrennen könne, dann sollte es auch möglich sein, "Geld für unsere eigenen Kinder auszugeben", so Trump.

Wäre der CEO der NRA eine Comicfigur, würden ihm Sätze wie dieser die Dollarzeichen in die Augen treiben. Wayne LaPierre, der stellvertretend für die US-Waffenindustrie gekommen ist, klingt deshalb auch besonders überzeugt, als er davon spricht, dass Uvalde der Zeitpunkt sei, endlich die Polizei wieder richtig auszustatten. "Wir sind hier, um für unser grundlegendes Menschenrecht zu kämpfen", ruft LaPierre. "Das Menschenrecht, uns durch das Tragen einer Waffe selbst zu verteidigen!"

Waffen als Normalität

Während oben im dritten Stock eine Rede die andere ablöst, begutachten Männer, Frauen und Kinder im ersten Geschoss an den Ständern der Aussteller die neuesten Modelle am Markt. Waffen für den Krieg, Waffen für die Jagd, Waffen für den Staat und Waffen für die Selbstverteidigung.

Ein Junge trägt ein T-Shirt, auf dem "Trump 2024" zu lesen ist. Er hält einen schweren Revolver in der Hand. Zwei Männer zielen mit einem Jagdgewehr in die Luft. Ein Ehepaar verkauft Macheten, Bumerangs und Lederwaren.

An einem anderen Stand liegt ein großer Baseballschläger aus Holz, dessen Spitze mit Stacheldraht umwickelt ist. Es ist eine Referenz an die Serie "The Walking Dead" und den dortigen Psychopathen Negan, der mit dieser Waffe "Lucille" regelmäßig anderen Leuten ziemlich grundlos den Schädel einschlägt. Nebenan reicht eine Frau frischen Kaffee, geröstet in Missouri. Sie lächelt freundlich und sagt: "Probieren Sie doch einen!"

Vor der Halle in der Hitze stehen ein paar Männer mit Cowboyhüten und lachen die Demonstranten auf der anderen Straßenseite aus. "Die sind so unfassbar fehlgeleitet", sagt einer. Ein anderer: "Das sind keine Amerikaner." Ein weiterer mutmaßt: "Die nehmen alle Drogen, vielleicht sterben sie ja an einer Herzattacke."

Dann treten sie den Weg zu ihrem Hotel an. In den Händen halten sie Tragebeutel voll mit Werbegeschenken: ein paar Waffenmagazine, eine Handvoll Gelkapseln für besseren Grip beim Schießen mit Gewehren, eine Kappe gegen die heiße Sonne und noch einen Bierdosenhalter.

Die Kinder auf der gegenüberliegenden Bühne stehen in einer Reihe. Sie halten Fotos in den Händen. Sie zeigen die acht-, neun- und zehnjährigen Opfer von Uvalde, hingerichtet mit halb automatischen Sturmgewehren, wie es sie auf der Messe in Houston zu bestaunen und zu kaufen gibt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen vor Ort
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