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Wagenknecht blockiert Koalitionen: Wiederholt sie Lafontaine-Taktik?


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Bündnis Sahra Wagenknecht
Hohe Intelligenz, mit Bösartigkeit gepaart


Aktualisiert am 21.10.2024Lesedauer: 4 Min.
imago images 0766862270Vergrößern des Bildes
Der Einflüsterer: Oskar Lafontaine und die BSW-Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht bei der Friedensdemo am 3. Oktober in Berlin. (Quelle: IMAGO/M. Popow/imago)

Die Sondierer möglicher Brombeerkoalitionen in Sachsen und vor allem in Thüringen machen Fortschritte. Aber aus Saarbrücken kommt beim BSW Feuer von oben. Das Muster der Sahra Wagenknecht ist abgeschaut bei ihrem Ehemann.

Brad Gilbert war ein allenfalls mäßig begabter Profitennisspieler der späten Achtziger-, frühen Neunzigerjahre. Es reichte in seinen besten Tagen immerhin für den Weltranglistenplatz 4, berühmter aber wurde er danach als begehrter Coach – und vor allem als Autor eines Standardwerks, das auf seine Art in eine Reihe mit Sunzis "Kunst des Krieges" und "Vom Kriege" des alten Clausewitz gehört.

"Winning ugly" heißt das Buch des US-Amerikaners, der außerdem für seine erlesen hässlichen Sonnenhütchen auf den Courts der Welt eine gewisse Bekanntheit erlangte. Darin beschreibt Gilbert die Kunst der psychologischen Kriegsführung auf dem Tennisplatz: Mal beim Seitenwechsel etwas von der weithin bekannten Untreue des Gegners in dessen Hörweite raunen, solche Sachen. Ohne diese Mittel hätte es rein schlagtechnisch nie für die Top Ten gereicht bei Gilbert.

Auf diese Kunst versteht sich auch eine der intelligentesten Politikerinnen des derzeitigen Politikbetriebs. Sahra Wagenknecht ist nicht nur die smarteste Versuchung, seit es Populismus gibt. Sie versteht sich jenseits ihrer intellektuellen Brillanz auch auf die schmutzigen Methoden des politischen Betriebs, wie in Reinform derzeit zu beobachten ist.

Nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg versuchen sich die Parteifreunde des Bündnisses, das ihren Namen trägt, an Koalitionssondierungen eines Bündnisses, das die Schwarmintelligenz des politischen Betriebs Brombeere getauft hat. Vor Ort kommen sich vor allem in Erfurt die Verhandler von CDU, SPD und BSW schon recht nahe. Aber Wagenknecht sendet von Berlin oder Saarbrücken aus Störsignale.

Sie möchte, dass ein Nein zu neuen amerikanischen Mittelstreckenwaffen auf deutschem Boden und mehr oder minder explizit oder indirekt ein Ende der Waffenlieferungen an die von Russland verheerte Ukraine festgeschrieben werden – in einer Präambel eines etwaigen Koalitionsvertrages auf Landesebene. Und die CDU in Erfurt soll sich von ihrem Parteivorsitzenden Merz distanzieren.

Der Geist, der stets verneint

Die Verhandler vor Ort sind schon einigermaßen genervt, inklusive Wagenknechts Thüringer Parteifreundin Katja Wolf. Das ficht Wagenknecht aber nicht an. Mit strenger Frisur und ebenso strenger Miene dekretierte sie am Wochenende aus Saarbrücken zugeschaltet im "Bericht aus Berlin", dass diese Punkte nicht verhandelbar seien.

Sie ist der Geist, der stets das verneint, was in den Ländern Konturen anzunehmen beginnt. Diese Vorgehensweise hat ein Muster, das bekannt vorkommt. Und sie hat ein Ziel. Das derjenige, der dieses Muster vor fast 30 Jahren einmal erfolgreich anwandte, ebenfalls vor Augen hatte.

Oskar Lafontaine, Ende der Neunzigerjahre SPD-Vorsitzender und heute Ehemann von Sahra Wagenknecht, vereitelte mit immer neuen Forderungen und Finten eine Einigung über eine überfällige Steuerreform, die die damalige Bundesregierung unter Helmut Kohl und dessen Finanzminister Theo Waigel unbedingt wollte und die das Land auch gut hätte gebrauchen können. Lafontaine, der damals als Ministerpräsident des Saarlands großen Einfluss im Bundesrat hatte, führte die SPD-geführten Länder an, die gegen die Reform stimmten.

Der Bundesrat hatte eine Schlüsselrolle, da die Union keine eigene Mehrheit in dieser Länderkammer hatte. Lafontaine argumentierte, dass die Steuerreform vor allem Großunternehmen und Besserverdienenden zugutekommen würde, während normale Bürger nicht ausreichend entlastet würden. Außerdem sah er sie als sozial ungerecht an, weil sie die Einkommensungleichheit weiter verschärfen könnte.

Durch diese Blockade im Bundesrat kam es zu keiner Einigung zwischen der Regierung und der Opposition, was dazu führte, dass die Steuerreform scheiterte. Lafontaines Vorgehen war nicht nur eine sachpolitische Entscheidung, sondern auch eine politische Strategie im Vorfeld der Bundestagswahl. Die SPD war zu dieser Zeit in der Opposition, und Lafontaine nutzte die Gelegenheit, um die Steuerpolitik der Regierung Kohl als ungerecht zu brandmarken, die SPD als die soziale Alternative zu positionieren.

Das Wohl des Landes steht hintan

Letztlich gewann die SPD die Bundestagswahl 1998. Weil Lafontaine eiskalt das Wohl der SPD über das Wohl des Landes gestellt hatte.

Genau das gleiche Kalkül leitet nun auch Sahra Wagenknecht. Das Wohl der Bundesländer Thüringen und Sachsen ist ihr einerlei. Sie möchte die Position behalten, als Jeanne d‘Arc des Friedens in die Bundestagswahl zu ziehen. Jedwede Konzession in diesem von ihr konstruierten Gegensatz von Krieg oder Frieden unterspülte den Sockel, auf den sie sich da stellt.

Wagenknecht erweist sich als gelehrige Elevin ihres Ehegatten. Es ist ein faustischer Pakt, wenn sich hohe Intelligenz mit Bösartigkeit paart. Am Ende ist das Kalkül bei Lafontaine nicht aufgegangen. Er hat zwar so die Wahl gewonnen. Aber schon im März des darauffolgenden Jahres als Finanzminister von Rot-Grün die Flucht vor Bundeskanzler Gerhard Schröder nach Saarbrücken angetreten. In der SPD redet kein Mensch mehr gut von ihm. Und fortan verlegte sich dieser intellektuell brillante Mann nur noch aufs Zerstörerische. Dieses Schicksal kann Sahra Wagenknecht auch bevorstehen, wenn sie an der Methode Lafontaine festhält.

Verwendete Quellen
  • Eigene Deja Vus
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