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AfD-Spendenskandal: Plattform will Verbot von Unternehmensspenden


Kritik an Parteispenden
"Unternehmensspenden sollten verboten sein"


Aktualisiert am 22.02.2025Lesedauer: 6 Min.
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Demo gegen Parteispenden: Organisationen weisen auf die Gefahr hin. (Quelle: IMAGO/imago)
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Spenden tragen wesentlich zur Finanzierung der Parteien in Deutschland bei. Allerdings ist nicht immer klar, woher das Geld stammt. Das kann die Demokratie gefährden, findet die Plattform Abgeordnetenwatch.

Die AfD ist erneut in einen Spendenskandal verwickelt. Nachdem die Partei in diesem Wahlkampf außergewöhnlich viele Großspenden erhalten hat, ist eine besonders verdächtig. Die 2,6-Millionen-Euro hohe Spende in Form von Wahlplakaten des österreichischen Ex-FPÖ-Funktionärs Gerhard Dingler soll in Wahrheit von einem Milliardär aus Duisburg stammen, berichten "Standard" und "Spiegel". Bereits zuvor hatte ein Mann in Jena knapp eine Million Euro gespendet, nachdem Unternehmer Udo Böttcher ihm zuvor zwei Millionen geschenkt hatte.

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Diese Fälle und die auffällig hohe Zahl an besonders hohen Spenden geben einer alten Forderung neue Nahrung: Die Plattform Abgeordnetenwatch fordert einen anderen Umgang mit Parteispenden. Im t-online-Interview erklärt Geschäftsführerin Léa Briand, welche Grenze sie sich für private Geldgaben vorstellt und warum das aktuelle System intransparent ist.

t-online: Frau Briand, wir sehen Rekordspenden in diesem Wahlkampf. Was sagt das aus?

Léa Briand: Es ist in diesem Jahr alles heftiger. Noch nie gab es so viele hohe Spenden, insbesondere auch Millionenspenden. In der Vergangenheit haben zudem meist Verbände oder große Unternehmen gespendet – und dann häufig an mehrere Parteien, die an der Regierung beteiligt sein könnten. Weil Parteispenden keinen besonders guten Ruf haben, litt das Image der Unternehmen. Doch mittlerweile sind Spenden leider viel normaler geworden.

Inwiefern?

Seit einigen Jahren spenden viel häufiger vermögende Privatpersonen. Die AfD hatte noch nie in der Form Großspenden von Menschen bekommen, die kein Problem damit haben, dass ihr Name damit in Verbindung gebracht wird.

Abgeordnetenwatch Thüringen
(Quelle: Sebastian Willnow/dpa)

Zur Person

Léa Briand ist seit zwei Jahren Geschäftsführerin von Abgeordnetenwatch, einer unabhängigen Internetplattform. Dort können Abgeordnete Fragen der Bürger öffentlich beantworten. Auch berufliche Qualifikationen, Mitgliedschaft in Ausschüssen, anzeigepflichtige Nebentätigkeiten sowie das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten bei wichtigen Parlamentsentscheidungen werden dort aufgeführt. Darüber hinaus veröffentlicht Abgeordnetenwatch Recherchen zum Thema Transparenz und stellt Forderungen an die Politik.

Und plötzlich geht es nicht mehr nur um die Fragwürdigkeit von großen Unternehmensspenden, sondern auch um Spenden von Privatpersonen.

Unternehmensspenden sollten verboten sein. Aber wir haben auch immer gefordert, Spenden von Privatpersonen zu deckeln. Denn auch sie haben die Möglichkeit, mit großem Vermögen Einfluss zu nehmen und ihre Interessen durchzusetzen. Das konnten wir zum Beispiel aus dem US-Wahlkampf beobachten. Für uns steht fest: Niemand sollte sich Vorteile durch Geld verschaffen können, egal ob Unternehmen oder Privatpersonen. Da geht es nicht nur um Transparenz, sondern auch um ein Demokratiedefizit.

Zumal sich zumindest bei einer Privatperson jetzt zeigt, dass sie selbst vorher Geld geschenkt bekommen hat. Wie kann man ausschließen, dass private Spender nur Strohleute sind?

Grundsätzlich prüft die Bundestagsverwaltung zwar die Identität der Spender, aber sie ist eine Behörde und keine investigative Stelle. Es gibt auch viele Regeln und Rahmenbedingungen, zum Beispiel müssen der Name und die Adresse klar angegeben werden. Es ist also vielmehr eine Frage der Kompetenzen und der fehlenden Durchsetzung. Es bräuchte eine unabhängige Instanz, die fragwürdigen Parteispenden nachgeht und auch entsprechende Prüfkompetenzen erhält. Und wir fänden generell eine Grenze sinnvoll, damit nicht mehr als ein bestimmtes Maximum gespendet werden darf. So könnte niemand den Wahlkampf so massiv beeinflussen.

Wie hoch sollte diese Grenze sein?

Eine Grenze von 10.000 Euro pro Person wäre sinnvoll. Andere europäische Länder haben bereits Obergrenzen, mit, wie in Frankreich, sogar niedrigeren Grenzen in Wahlkampfzeiten.

Den Parteien dürfte das nicht gefallen.

Das ist richtig. Einige argumentieren, dass eine strengere Begrenzung ihre Finanzierung stark einschränken würde. Großspenden machen laut Rechenschaftsbericht je nach Partei einen mittleren bis kleinen Teil der Gesamtfinanzierung einer Partei aus, aber sie schaffen Abhängigkeiten. In Zeiten, in denen viele Bürgerinnen und Bürger den Gürtel enger schnallen müssen, könnten die Parteien dies auch tun. Unsere Demokratie sollte es uns wert sein!

Und warum gibt es Probleme bei der Durchsetzung der bestehenden Regeln?

Bei der Überprüfung der Regeln gibt es ein großes Defizit in der Bundestagsverwaltung. Wir bräuchten diese unabhängige Instanz, die für wirksame Sanktionen sorgt. Weil die Mitglieder des Bundestagspräsidiums gleichzeitig Abgeordnete sind, entsteht ein Interessenkonflikt. Auf Anfragen zu Verstößen bei den Parteispenden oder Lobbyregistern bekommen wir meist keine befriedigenden Antworten.

Was wollte die Bundestagsverwaltung denn partout nicht preisgeben?

Wir wollten beispielsweise wissen, wie oft Abgeordnete gegen die Verhaltensregeln verstoßen haben. Geben Abgeordnete vielleicht ihre Nebeneinkünfte häufig nicht korrekt oder zu spät an, weil es ohne konkrete Folgen bleibt? Zahlen zu Verstößen und Konsequenzen auf eine Informationsfreiheitsgesetz-Anfrage wurden uns verweigert, wir mussten klagen. Nachdem wir gewonnen haben und die Bundestagsverwaltung Zahlen herausrücken musste, hat sie sich selbst Transparenz verordnet: Zu Beginn einer jeden Legislaturperiode legt die Präsidentin jetzt einen Bericht mit den Fallzahlen von Verstößen vor.

Und Verstöße könnten ein Anzeichen für verdeckte Einflussnahme sein.

Interessenvertretung ist nicht per se verwerflich – entscheidend ist Transparenz, und das auf drei Ebenen. Erstens auf der Ebene der Finanzierung mit Spenden für die Parteien. Dann auf individueller Ebene, wo Nebeneinkünfte von Abgeordneten potenzielle Interessenkonflikte schaffen. Es braucht volle Transparenz über Beteiligungen, Aktienbesitz und Kapitalanlagen.

Und die dritte Ebene?

Im Gesetzgebungsprozess fehlt eine systematische Offenlegung, welche Interessen Einfluss auf Gesetze nehmen. Wir wissen durch das Lobbyregister, wer lobbyiert – aber nicht, wie genau. Wir brauchen die Offenlegung sämtlicher Lobbytreffen und einen umfassenden Lobby-Fußabdruck per Gesetz.

Wie sehr sind denn Parteien bisher in Wahlkämpfen auf Spenden angewiesen?

Die Rechenschaftsberichte der Parteien zeigen uns das durch den Anteil der Spenden am Parteibudget. Die Berichte aus 2024 und 2025 werden erst viel später veröffentlicht, aber wir sehen schon Änderungen: Plötzlich hat die AfD die höchsten Spenden der Geschichte erhalten. Die Grünen und die SPD bekommen weniger. Das BSW hat dagegen einen hohen Spendenanteil – auch weil die Partei noch neu ist und bisher wenig staatliche Zuschüsse erhält.

Und was bewirkt ein plötzlicher Spendensegen?

Die CDU hat ihr Wahlkampfbudget um über 30 Prozent erhöht im Vergleich zu 2021. Wenn man das mit den Spenden vergleicht, könnte man daraus schließen, dass das aus diesem Topf bezahlt wurde. Insgesamt spielen Spenden eine große Rolle, wie präsent die Partei in der Öffentlichkeit sein kann und wie groß der Wahlkampf wird.

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Man verbindet Abgeordnetenwatch auch mit den Profilen von Abgeordneten, an die Fragen gestellt werden können. Die Kanzlerkandidaten Olaf Scholz, Friedrich Merz und Alice Weidel haben null Fragen beantwortet, Robert Habeck zumindest 34 Prozent.

Wir sind überparteilich und bewerten nicht, ob jemand bürgernäher ist oder nicht – das muss jeder selbst entscheiden. Alle Kandidierenden haben bei uns ein Profil, und wir setzen uns aktiv dafür ein, dass sie mitmachen, vor allem die Spitzenkandidierenden. Manche lehnen das einfach grundsätzlich ab, wie Angela Merkel und Olaf Scholz, während andere, zum Beispiel Annalena Baerbock oder Christian Lindner als Minister, regelmäßig dabei sind. Wichtig ist: Alle werden gleich behandelt, es gibt keine Vorteile für prominentere Politiker – Friedrich Merz hat bei uns kein größeres Profil als ein Wahlkreiskandidat aus Mecklenburg-Vorpommern.

Gibt es denn Unterschiede zwischen den einzelnen Parteien?

Unser jährliches Antwortranking zur Aktivität der Abgeordneten auf unserer Plattform zeigt, dass bei den Topabgeordneten alle Parteien vertreten sind. Trotzdem gibt es im Antwortdurchschnitt nach Parteien große Unterschiede: Während Grüne und Linke oft sehr viel mitmachen, macht die Union weniger als früher mit. Die AfD beantwortet grundsätzlich eher wenig Fragen. Das BSW ist bisher gar nicht aktiv. Am Ende hängt die Beteiligung aber oft weniger von der Partei ab als von der Person selbst.

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Was tun Sie dafür, dass die Bürger Antworten bekommen?

Zwingen können wir niemanden, aber wir fragen hartnäckig nach. Wenn ein neues Parlament gewählt wird, stellen wir uns bei allen Abgeordneten vor und erklären ihnen die Vorteile. Denn ihre Antworten helfen nicht nur einer Person, sondern sind öffentlich für alle einsehbar. Wir moderieren Fragen, stellen sicher, dass keine Beleidigungen oder Fake News enthalten sind – und das schätzen viele Abgeordnete. Denn im Gegensatz zu Social Media oder direkten E-Mails werden bei uns nur Fragen veröffentlicht, bei denen ein inhaltliches Interesse erkennbar ist und es nicht nur darum geht, Frust abzuladen.

Sie haben vor der Bundestagswahl die Wahlprogramme der Parteien hinsichtlich Transparenzvorhaben analysiert. Herausgekommen ist, dass eigentlich nur Linke und Grüne tatsächliche Forderungen haben. Was erwarten Sie von dem neuen Bundestag?

Die Aussichten sind schlecht. Oft braucht es erst einen handfesten Skandal, damit sich etwas ändert. Vor der letzten Bundestagswahl gab es die Maskenaffären und den Skandal um die Lobbyarbeit von Philipp Amthor. Das waren Gründe, weshalb das Lobbyregister und strengere Regeln für Nebeneinkünfte noch vor der Wahl endlich eingeführt wurden. Dass die Lobbyregulierung unter den Tisch zu fallen droht, bedauern wir sehr. Und nun kommt wahrscheinlich eine unionsgeführte Regierung.

Was heißt?

Wir wissen aus Erfahrung: Transparenz gehört nicht zu den Kernthemen der Union und unionsgeführte Regierungen setzen hier weniger um, vieles bleibt auf der Strecke. Aber wir sehen aktuell bei den Parteispenden, dass die Themen dennoch Aufmerksamkeit erregen. Wir werden hier viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, um mehr Transparenz zu erreichen, aber wir bleiben dran.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Léa Briand
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